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Diese Pandemie stellt uns nicht nur vor große soziale und wirtschaftliche Herausforderungen, sondern wirft zunehmend auch ethische Probleme auf. Fragen wie etwa die Impf- und Testpflicht, oder nun der sogenannte „Grüne Pass“ sorgen selbst innerhalb von Familien für hitzige kontroverse Diskussionen.

In der nach einem Jahr Covid-19 durch wiederholte Lockdowns, Hoffnungslosigkeit, Zukunftsängste und mediale Konflikte aufgeheizten Stimmung scheint eine sachliche, auf gegenseitigem Respekt und Rücksicht gegründete Diskussion über diese Themen immer schwerer zu werden.

Verschärft wird diese Situation durch die eigenmächtigen und teils sogar autoritären Entscheidungen der Politik, welche am Beginn der Pandemie möglicherweise unvermeidbar waren, aber heute – ein Jahr später – durchaus kritisch hinterfragt werden sollen und müssen.

Für uns Verdi Grüne Vërc ist es von zentraler Bedeutung, dass Werte wie Konsens, Partizipation und Solidarität wieder zu unveränderbaren Fundamenten der politischen Entscheidungsfindung gemacht werden. Nur durch eine Versachlichung der Diskussion können praktikable und lösungsorientierte Ansätze erarbeitet werden, welche von der Gesellschaft als Ganzes geteilt werden und somit auch zum Erfolg im Kampf gegen die Pandemie führen können.

Unsere Stellungnahmen zu drei aktuellen Debatten:

Impfpflicht für Gesundheitspersonal:

Wie notwendig eine offene Diskussion ist, zeigt die von der italienischen Regierung überhastet eingeführte Impfpflicht für das Sanitätspersonal. Vor einem Jahr erhielt das Sanitätspersonal, welches ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit seit Anbeginn dieser Pandemie Übermenschliches geleistet hat, von der Bevölkerung den gebührenden Beifall.

Urlaube wurden gestrichen, unzählige Überstunden waren zu leisten – unter Arbeitsbedingungen, welche wir uns alle nicht vorstellen können. Die in Sanität und sozialen Einrichtungen Arbeitenden haben (bis jetzt) durchgehalten und dabei erhebliche psychologische Belastungen ertragen. Sie waren da für unsere Angehörigen und haben ihre Hand gehalten, damit sie nicht einsam und allein sterben mussten.

Sie sind Heldinnen und Helden des Alltages, welche zu Recht Wertschätzung für ihre Berufe einfordern.

Eigentlich müssten jetzt Prämien und Entlastung folgen. Indessen bewegt sich die Regierung Draghi in die gegenteilige Richtung. Wer sich nicht impfen lässt, wird ohne Einkommen suspendiert werden. Die Folgen solcher Suspendierungen für die Betreuungssicherheit – insbesondere im Pflegebereich – wurden offensichtlich überhaupt nicht berücksichtigt, aber auch ethisch-wissenschaftliche Überlegungen wurden kommentarlos vom Tisch gewischt.

Eine Impfentscheidung sollte, wenn möglich, immer freiwillig erfolgen und eine Impfpflicht ist daher ethisch nur vertretbar, wenn sie sich auf klare und eindeutige wissenschaftliche Notwendigkeiten stützen kann.

Genau dies ist bisher aber nicht der Fall. Die bisherigen wissenschaftlichen Studien belegen nur, dass eine Impfung schwere und tödliche Verläufe meist verhindern kann. Es ist aber nicht abschließend geklärt, dass eine Impfung auch dafür sorgt, dass die geimpfte Person niemanden mehr anstecken kann – dies gilt insbesondere für die nun vermehrt auftretenden Mutanten. Solange dies so ist, verhindert nach wie vor nur die Einhaltung aller Hygienemaßnahmen in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen eine mögliche Infektion. Das ist insbesondere zum Schutz von Menschen, die nicht geimpft werden können, unerlässlich.

Genau diese fehlende wissenschaftliche Evidenz, dass eine Impfung verlässlich vor einer Weitergabe des Virus schützt, ist der Grund, weshalb sich auch geimpfte Personen im Alltag weiterhin an die geltenden Regeln halten müssen. Warum das für das Personal im Gesundheitswesen nun nicht mehr gelten soll, bleibt ein Geheimnis.

Und auch wenn dieser Beweis eines vollständigen Schutzes vor einer Weitergabe des Virus erbracht ist, sollte eine Impfpflicht nur jene Bereiche betreffen, wo es um die Versorgung von Patient:innen geht, die man eben nicht anders schützen kann, als dass die Menschen, die sie versorgen, geimpft sind.

Wie allen Bürger:innen, so sollte man dem Personal im Gesundheitsbereich zugestehen, dass man sich schlicht vor einer medizinischen Behandlung fürchtet. Viele sind durch die Berichte über aufgetretene Nebenwirkungen verunsichert und diese Unsicherheit muss anerkannt werden. Wenn noch dazu nicht einmal der zu verabreichende Impfstoff frei gewählt werden kann, finden wir eine Impfpflicht einen zu massiven Eingriff in die Selbstbestimmung der Patientinnen und Patienten.

Und schließlich sollte auch ein weiterer Punkt bei der Diskussion um eine Impfpflicht nicht außer Acht gelassen werden: wissenschaftliche Studien haben nachgewiesen, dass die Einführung einer Pflichtimpfung immer zu einem Rückgang von freiwilligen Impfungen führt. Die ganze Diskussion wirkt sich also nachteilig auf die Impfbereitschaft der Gesamtbevölkerung aus. Somit funktioniert der Impfzwang auch nicht als gesundheitspolitische Strategie.

Wir vermissen in dieser Sache den beherzten Einsatz der Landesregierung gegenüber der Regierung Draghi. In anderen Bereichen hat man sich stets lautstark bemerkbar gemacht und wirkungsvoll protestiert. In dieser Sache war der Widerspruch lau und leise. Das schafft Druck auf das Personal und wird die Situation nur noch weiter verschlimmern.

Nasenflügeltests:

Auch die Einführung der verpflichtenden Nasenflügltests an Schulen zeigt, wie ein Verlassen der sachlichen Diskussionsebene nur zu einer Verschärfung von Konflikten und nicht zu tragfähigen Lösungen beiträgt. Es ist an sich ein sinnvolles Pilotprojekt, um eine Öffnung von Schulen in Präsenzunterricht zu ermöglichen und wir alle wissen, wie belastend geschlossene Schulen für Kinder und Jugendliche waren.

Aber eben weil es sich um ein Pilotprojekt handelt, hätten Kinder, deren Eltern sich gegen diese Tests ausgesprochen haben, nicht vom Schulbesuch ausgeschlossen werden dürfen. Der Schulbesuch ist ein verfassungsmäßiges Grundrecht und der Anspruch auf dieses Recht kann nur bei Vorliegen klarer Belege für dessen Notwendigkeit eingeschränkt werden. Nun ist es aber bei Weiten nicht so, dass ein negativer Nasenflügeltest für Sicherheit stehen würde.

Die Nasenflügeltests bzw. Antigen-Schnelltests taugen gar nicht für das Screening in Schulen, Betrieben oder gar der ganzen Bevölkerung. Denn das, was wir uns von ihnen erhoffen, können sie schlicht nicht leisten. Sie erkennen gerade einmal durchschnittlich 58 Prozent der symptomlos Infizierten, ergab unlängst eine Übersichtsstudie der unabhängigen internationalen Cochrane Collaboration, die Studien zu gängigen Schnelltests analysiert hat. Aber auch dieser Wert wird nur bei professioneller Probenentnahme erreicht. Und: bei Erwachsenen.

Michael Wagner, Mikrobiologe an der Uni Wien, welcher an der dritten Untersuchungsrunde der sogenannten Gurgelstudie an Österreichs Schulen arbeitet, schätzt, dass etwa drei Viertel der infizierten Schulkinder bis 14 Jahre bei zweiwöchentlich durchgeführten Schnelltests übersehen würden. Davon seien, so Wagner, »etwa 40 Prozent Infektiöse«.

Es ist daher mehr als fraglich, ob der Ausschluss von Kindern vom Präsenzunterricht wegen eines nicht erfolgten Nasenflügelabstriches wissenschaftlich gerechtfertigt werden kann.

Grüner Pass:

Wir verfolgen gespannt die derzeitige Diskussion um den sogenannten Grünen Pass. Er verspricht eine Rückkehr zur Normalität für jene, welche eine Impfung erhalten, die Krankheit überstanden oder einen aktuellen negativen Test vorweisen können. Das unterstützen wir.

Problematisch sehen wir im Detail die Unzuverlässigkeit und die derzeit nur partielle Zugänglichkeit zu den Schnelltests, zum anderen die fehlende Verfügbarkeit von Impfstoff. Schließlich gilt es noch zu klären, ob und wie der Pass für Menschen mit geringem Digitalisierungsgrad verwendbar ist – und welche Tests auch für Sonderfälle wie grenzüberschreitende Partnerschaften gelten oder ob damit nicht neue Problematiken entstehen.

Ein grüner Pass darf auf keinen Fall diskriminieren oder benachteiligen. Chancengerechtigkeit muss gegeben sein. Sonst werden Freiheiten zu Privilegien.

Stand: 19.04.2021

 

 

Morgen, am 11. Juli 2019, wird in der 1. Gesetzgebungskommission der Grüne Gesetzentwurf „Recht auf Mehrsprachigkeit im Bildungssystem des Landes“, erstunterzeichnet von Brigitte Foppa, behandelt. Der Entwurf sieht die Einrichtung eines zusätzlichen Schulangebotes für Südtirol vor, in dem die Unterrichtssprache sowohl Deutsch als auch Italienisch ist. Dieses Angebot versteht sich selbst als Ergänzung zu den bereits bestehenden Schulformen in Südtirol, bei denen der gesamte Unterricht entweder in der ersten oder in der zweiten Landessprache abgehalten wird. Diese Formen sollen weiterhin bestehen bleiben, an ihnen rüttelt der Grüne Gesetzentwurf nicht. Da eine große Nachfrage nach einem zusätzlichen, mehrsprachigen Schulangebot besteht, möchten wir all jenen, die dies wünschen, auch die Möglichkeit einer mehrsprachigen Schule bieten.
„Ich bin gespannt auf die Diskussion in der Kommission und vor allem darauf, ob die politische Klasse bereit ist, den Weg für eine echte Mehrsprachigkeit zu ebnen. Denn die Südtiroler Bevölkerung – da bin ich überzeugt – ist dazu mehr als bereit“, so die Einbringerin Brigitte Foppa.

Ein großer Wunsch vieler Familien bleibt unerhört!

Landtagsabgeordnete
Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba
Hanspeter Staffler

BESCHLUSSANTRAG

Trotz der Zweisprachigkeitspflicht in Südtirol klagen Bürgerinnen und Bürger, dass das Recht auf den Gebrauch der Muttersprache in der Praxis nicht immer berücksichtigt wird. Die Situation ist
vor allem im Gesundheitsbereich problematisch, da die behandelten Themen oft sehr sensibel und emotional belastend sind.

Diesbezüglich haben wir im März 2017 im Rahmen der aktuellen Fragestunde der Landesregierung eine Anfrage gestellt. Aus der Antwort der Landesrätin ging hervor, dass häufig die Pflegekräfte oder das auf den Stationen anwesende ärztliche Personal oder Pflegepersonal als Dolmetscher einspringen müssen, um eine Verständigung zwischen Patient und Arzt zu gewährleisten, falls die Ärzte selbst dazu nicht in der Lage sind. Aus der Antwort ging aber nicht klar hervor, wie der Patient/die Patientin mitteilen kann, in welcher Sprache er/sie kommunizieren möchte. Aus unserer persönlichen Erfahrung wissen wir, dass es derzeit weder ein Formular noch irgendeine andere Möglichkeit gibt, dies mündlich oder schriftlich mitzuteilen.

Neu entfacht wurde die Debatte im Frühjahr 2018 durch den Bericht einer Frau, die vom Arzt gebeten worden war, 20 Euro für die Übersetzung eines Befundes zu zahlen. Ohne hier auf den
konkreten Fall eingehen zu wollen, berichteten andere Personen in der nachfolgenden Debatte von verschiedenen Erfahrungen, bei denen sie Schwierigkeiten hatten, sich mit den behandelnden Ärzten zu verständigen, und dass sie zu diesem Zweck auf andere Ärzte oder Pflegekräfte warten mussten, die in der Lage waren, in der gewünschten Sprache zu kommunizieren. Neben den Beschwerden wurden einige konkrete Vorschläge unterbreitet, darunter der Vorschlag, einen Dolmetschdienst für Patientinnen und Patienten einzurichten.

Eine klare Kommunikation ist unseres Erachtens immer äußerst wichtig, insbesondere im medizinischen Bereich oder im Krankenhaus, wo die Menschen oft mit Situationen konfrontiert sind, die
physisch und emotional belastend sind. Die Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger leisten eine vorbildliche Arbeit, sowohl was die Pflege anbelangt als auch – wenn nötig – bei der sprachlichen Hilfeleistung, doch Letztere fällt nicht in ihren Aufgabenbereich und ist auch nicht Teil ihrer Ausbildung.

Übersetzen ist eine sehr komplexe Tätigkeit, die eine spezielle Ausbildung, große Konzentration und ständige Fortbildung erfordert. Im medizinischen Bereich braucht es zudem neben den
Fachkenntnissen auch Empathie und große Feinfühligkeit, vor allem wenn es darum geht, wenig erfreuliche oder komplexe Informationen zu vermitteln.

Wir möchten an dieser Stelle auch daran erinnern, dass das Problem des Ärztemangels in Südtirol seit Jahren für Diskussionsstoff sorgt. Es handelt sich sicherlich um eine komplexe  ngelegenheit, die jedoch zunehmend mit der Pflicht zum Erwerb des Zweisprachigkeitsnachweises in Verbindung gebracht wird.

Unser Gesundheitssystem und der ethnische Proporz beruhen nämlich auf einem Idealzustand, in dem das gesamte Ärzte- und Pflegepersonal beide Sprachen fließend beherrschen sollte. Doch
wie wir alle wissen, sind wir weit von diesem Ziel entfernt, da richtigerweise das medizinische Fachwissen und die Erfahrung im Vordergrund stehen. Der wachsende Mangel an Ärzten aus
unserer Gegend zwingt dazu, Personal von außerhalb anzuwerben. Diese Fachkräfte sprechen oft nur eine der beiden Landessprachen und es vergehen Jahre, bis sie wirklich „zweisprachig“ sind. In der Zwischenzeit müssen die Patientinnen und Patienten auf die ihnen zustehende Betreuung in ihrer Muttersprache verzichten.

In anderen Ländern gibt es sehr positive Erfahrungen im Umgang mit einer zunehmend multikulturellen Gesellschaft. So bietet das Städtische Klinikum München den Patienten einen internen Dolmetscherdienst in 35 Sprachen an. Dafür sorgen mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer Grundausbildung in Medizin oder Krankenpflege und muttersprachlichen Sprachkenntnissen. Dieser Service unterstützt das Personal des Klinikums bei der Kommunikation mit Patienten und deren Angehörigen, kann aber von den Patienten selbst kostenlos angefordert werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Service können geleistete Überstunden als Zeitausgleich in Anspruch nehmen, werden speziell geschult und haben die  Möglichkeit, an Fortbildungskursen teilzunehmen.

Solange das Ziel der Zweisprachigkeit des ärztlichen Personals nicht erreicht ist, müssen wir unsere Krankenhäuser anderweitig in die Lage versetzen, kurzfristig das Recht der Patientinnen und
Patienten auf Informationen in der eigenen Muttersprache zu gewährleisten und sich längerfristig dem Ziel einer echten Zweisprachigkeit zu nähern, indem das Personal die bestmögliche Ausbildung erhält.

Aus diesem Grunde verpflichtet der Südtiroler Landtag die Landesregierung,

  1. im Rahmen der Krankenpflegeausbildung in Südtirol fakultative Dolmetscher- und Übersetzerkurse anzubieten, die den Pflegekräften das nötige Wissen vermitteln, um bei Bedarf
    die Verständigung zwischen Arzt und Patient zu gewährleisten;
  2. in den Weiter- und Fortbildungsprogrammen im Gesundheitswesen Dolmetscher- und Übersetzerfachkurse für ärztliches Personal und Pflegekräfte anzubieten;
  3. ein zusätzliches Bonussystem (mit finanziellen oder sonstigen Anreizen) für Personen einzuführen, welche die genannten Kurse belegen;
  4. in der Übergangszeit Dolmetscherinnen/Dolmetscher einzusetzen, die unterstützend zur Verfügung stehen, wenn die Ärztin oder der Arzt nicht in der Lage ist, sich in der Sprache der Patientin oder des Patienten zu verständigen;
  5. eine Möglichkeit vorzusehen, damit die Patientin oder der Patient ausdrücklich – und am besten schriftlich – mitteilen kann, in welcher Sprache sie/er kommunizieren und alle Unterlagen erhalten möchte.

Landtagsabgeordnete
Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba
Hanspeter Staffler

 

 

 

LANDESGESETZENTWURF Nr. 2/18

Zum Wunsch nach mehrsprachigen Angeboten in der Südtiroler Schule

Schon seit Langem fordern einzelne Teile der Südtiroler Gesellschaft ein mehrsprachiges schulisches Zusatzangebot für Südtiroler Kinder und Jugendliche, vom Kindergarten ausgehend über Grund- und Mittelschule bis in Oberschule bzw. Berufsschule. Die aktiven Initiativen hierzu reichen von Elternvereinen (Convivia, Genitori per il Bilinguismo / Eltern für die Zweisprachigkeit, MixLing) bis hin zu kulturpolitischen Interventionen (etwa Manifest Südtirol 2019), jedoch dürfte der Wunsch noch sehr viel weiter verbreitet sein.

Bereits 2008 ging aus einer Umfrage des Landeselternbeirates für die deutsche Schule (LBE) unter den Eltern- und SchulratspräsidentInnen hervor, dass die Mehrheit dieser Elternvertretung ein mehrsprachiges Zusatzangebot gut finden würde: 57,9 % hätte zum damaligen Zeitpunkt ein solches Angebot „voll“ oder „tendenziell“ befürwortet“.

Die Meinung innerhalb der (deutschen) Elternschaft war auch einige Jahre später ähnlich: Laut einer Umfrage des LBE aus dem Jahr 2015 ginge mehr als ein Fünftel gar so weit, die deutsche und italienische Schule zusammenzulegen, insgesamt wünschen sich 77% der befragten Eltern eine stärkere Berücksichtigung der italienischen Sprache in der Schule.

Auch der derzeitige Landesbeirat der Eltern weist immer wieder auf die Forderung nach mehr Mehrsprachigkeit innerhalb der Elternschaft hin (s. zum Beispiel Salto-Artikel vom 22.08.2018).

Wünsche in dieser Richtung haben weiterhin Bestand – wie es deutlich in der jüngsten Sprachstatistik des ASTAT zum Ausdruck kommt: 69% der SüdtirolerInnen etwa wäre mit der Einführung des Zweitsprachunterrichts im Vorschulalter sehr oder ziemlich einverstanden, ebenso wären 69% der SüdtirolerInnen mit der Einführung des Unterrichts einiger Fächer in einer anderen Sprache sehr oder ziemlich einverstanden. (Südtiroler Sprachbarometer. Sprachgebrauch und Sprachidentität in Südtirol 2014. Astat, Schriftenreihe Nr. 211).

Hier der vollstängige Landesgestzentwurf und Begleitbericht

Bozen, 10.12.2018

Landtagsabgeordnete

Brigitte Foppa

 

 

 

Nachdem in den deutschen Kindergärten immer wieder die Anzahl von anderssprachigen Kindern beanstandet wird, wurde im letzten Sommer beschlossen, dass die Einschreibungen zentralisiert vorgenommen werden sollen. Dass aus dieser Entscheidung eine ganze Reihe an Problemen und Benachteiligungen entstehen würden, war abzusehen.
In einer Anfrage hatte die grüne Landtagsfraktion daher bereits im Dezember nachgefragt, wie die Praxis aussehen werde. Die Antwort der Landesregierung steht noch aus.
Inzwischen hören wir aber inakzeptable Berichte davon, wie die Gespräche ablaufen. Es soll vorkommen, dass Eltern im „Beratungsgespräch“ gefragt werden, ob sie bereit wären, sich einem Deutschkurs zu unterziehen. Einzelne Eltern empfinden das Gespräch als „Test“ ihrer eigenen Deutschkenntnisse. Anderen Eltern soll abgeraten worden sein, ihr Kind in den deutschen Kindergarten zu schicken.
Diese ersten Erzählungen erfüllen uns mit außerordentlicher Sorge.
Die Art, wie diese Maßnahme gesetzt wurde, widerspricht jeglichem pädagogischen und auch professionellen Grundsatz und untergräbt das Zusammenleben zwischen den Sprachgruppen im Land.
Die Landesregierung meint es also tatsächlich ernst mit ihrem harten Kurs gegen nicht-deutschsprachige Familien und Kinder in Bozen. Auf beschwichtigende und beschönigende Worte folgen nun blanke Tatsachen. Wir fragen uns, ob die Verantwortlichen sich der tatsächlichen, auch politischen Tragweite dieser Maßnahmen bewusst sind. Denn es werden genau jene Teile der Bevölkerung in ihrer Entwicklung eingebremst, denen die Verständigung zwischen den Kulturen ein Herzensanliegen ist. Und es werden jene Generationen besonders hart getroffen, die unsere Zukunft gestalten werden: die Kinder.
„Beratungsgespräche“ als Mittel, um Familien einzuschüchtern und abzuwimmeln –
ein waghalsiger Schuss nach hinten, vor dessen Konsequenzen wir nur warnen können.
23.01.2018
Brigitte Foppa, Riccardo Dello Sbarba, Hans Heiss – Grüne Landtagsfraktion
Corinna Lorenzi und Erica Fassa – Grüne Bozen
Anlagen:
Landtagsanfragen der Grünen Fraktion: Kindergartenwahl – nach welchen Kriterien?
Landtagsanfrage der Grünen Fraktion: Kindergartenwahl – Werden die Befürchtungen bestätigt?

Wir fordern von den Regierungsparteien eine klare Linie und Berücksichtigung aller Südtiroler Sprachgruppen in der Diskussion um den Doppelpass
Bei ihrem ersten Treffen mit AM Alfano in Rom hat Österreichs neue Außenministerin Karin Kneissl das Thema der Doppelstaatsbürgerschaft für SüdtirolerInnen aufgegriffen und vorerst einmal abgewiegelt. Die Südtiroler Landesregierung hat sich im Landtag gestern auf unsere Anfrage hin zwar von der Forderung distanziert, dabei aber nie Aussagen dementiert, die Gegenteiliges beinhalteten. Südtirols Rechtsparteien jubilieren weiterhin. Die österreichischen Freiheitlichen machen Druck. Inmitten dieses von ihr selbst wesentlich mit produzierten Chaos windet sich die SVP von einem Statement zum nächsten, widerspricht sich ein ums andere Mal. Mit ihrer eigenen Unsicherheit und Zerrissenheit trägt sie die Verunsicherung über die Parteigrenzen hinaus.
Wir sind stets zurückhaltend mit offener Kritik an strategischen Entscheidungen anderer Parteien, hier aber sind die Schwäche und Orientierungslosigkeit der Südtiroler Regierungspartei in aller Deutlichkeit zu kritisieren. Die SVP zeigt sich zum Thema Doppelpass keineswegs auf der Höhe einer Partei, die den Anspruch hat, das Land mit absoluter Mehrheit zu regieren. Sie ist vor den Forderungen der deutschen Rechtsparteien eingeknickt und hat dann wohl erstaunt die Gegenmeinung vieler besorgter BürgerInnen wahrgenommen. Nun findet sie sich hin- und hergerissen zwischen den praktischen Problemen auf dem Weg zur doppelten Staatsbürgerschaft, beeindruckt von den Warnungen der Besonnenen und dem Druck, der von der patriotischen Seite kommt.
Während die Debatte längst internationales Interesse erreicht hat, wird in Südtirol selbst auf das Hauptproblem weiterhin vergessen, nämlich, dass eine Doppelstaatsbürgerschaft nur für einen Teil der SüdtirolerInnen zugänglich wäre. Wir haben auf dieses Grunddilemma oft genug hingewiesen, das weiterhin ungelöst bleibt. Es zeigt auf, auf welchen Randstatus das Thema des Zusammenlebens der Sprachgruppen in Südtirol abgesunken ist. Die Unterrepräsentanz der italienischen Sprachgruppe im Landtag und im gesamten politischen Leben, verdeutlicht durch das unerklärliche Schweigen des Juniorregierungspartners PD, hat zur Folge, dass die ItalienerInnen praktisch „vergessen“ werden. Diese Haltung des Ignorierens ist ein Symptom und eine Warnung zugleich.
Es ist unbedingt notwendig, das Thema Doppelstaatsbürgerschaft aus der Perspektive ALLER Sprachgruppen in Südtirol zu betrachten. Wir fordern die Regierungsparteien SVP und PD auf, hierzu eine klare Position und eine transparente Strategie zu erarbeiten und der Bevölkerung endlich mitzuteilen, wohin die Reise zu gehen hat.
BZ, 17.01.2018
Brigitte Foppa
Hans Heiss
Riccardo Dello Sbarba

60 Jahre nach Sigmundskron: Die vielschichtige Kundgebung ist auch symptomatisch für die Gegenwart
Der Tag von Sigmundskron am 17. 11. 1957 bleibt ein Stichdatum Südtirols: An die 35.000 Männer und Frauen bekundeten mit ihrer Präsenz und der begeisterten Aufnahme des Magnago -Appells „Los von Trient!“ ihre Wünsche nach Freiheit: Die meisten wünschten, der drückenden Kontrolle Roms und der Region zu entgehen und forderten eine eigene Landesautonomie, viele hofften auf ein „Los von Rom!“ und die Selbstbestimmung, kleinere Gruppen um Luis Amplatz waren sogar bereit, bewaffnet aufs Äußerste zu gehen.
So ist die beeindruckende Massenkundgebung von Sigmundskron kein bruchloser Ausdruck eines geschlossenen Volkswillens, sondern spielt auf mehreren Ebenen und ist von Widersprüchen durchzogen. Sechs Hauptaspekte charakterisieren das Ereignis:

  1. Der Wunsch nach Freiheit von staatlichem Druck machte sich nach 35 Jahren Faschismus und Zentralismus in der Kundgebung massiv Luft.
  2. Die bis dahin unnachgiebige Kontrolle durch die politische DC-Mehrheit in der Region mit geringen Zuständigkeiten für die Provinz Bozen verhöhnte die Autonomieversprechen von 1946 und 1948, sodass das „Los von Trient!“ eine nur angemessene Reaktion war.
  3. Hinter der Parole „Los von Trient!“ standen auch das Drängen auf Selbstbestimmung und die Bereitschaft einer Minderheit, dafür auch Gewalt einzusetzen.
  4. Sozial war die Kundgebung auch ein Aufbäumen gegen jahrzehntelange Benachteiligung und brachte das tiefe Empfinden anhaltender Ungerechtigkeit und fehlender Zukunftsaussichten in Südtirol, dem damaligen „Armenhaus der Alpen“, zum Ausdruck.
  5. Politisch setzte Sigmundskron Rom unter Druck und beeindruckte die italienische Öffentlichkeit; es setzte aber auch Österreich unter Zugzwang und nötigte der Wiener Regierung eine schärfere Gangart auf.
  6. Parteipolitisch war die Kundgebung eine Machtdemonstration der neuen SVP-Führung mit Obmann Magnago und den Drahtziehern Hans Dietl, Franz Widmann und anderen „Unnachgiebigen“, die im Mai 1957 im Handstreich die SVP übernommen hatten, gegen die bisherige Führung von Erich Amonn, Josef Raffeiner und Toni Ebner.

Sigmundskron war ein unerwarteter Erfolg größten Ausmaßes: Nicht nur die Forderungen der Mehrheitspartei SVP erhielten enormes Gewicht. Zugleich zeigte sich auch in der Nachkriegsgeschichte Südtirols erstmals nach 1946 mit großer Macht wieder der Wunsch nach politischer Partizipation der Bürgerinnen und Bürger.
Der intensiv empfundene Wunsch wurde rasch gezügelt: Obwohl die SVP den Druck der Basis bestens zu nutzen wusste, zog sie es anschließend doch vor, Partizipation und Volkswillen nach Möglichkeit klein zu halten.
Die weitere Lösung der Südtirolfrage wurde seitdem begnadeten Politkern wie Magnago und Moro wie anderen Verhandlern anvertraut, die die Südtirol-Autonomie im Alleingang und in überschaubarer Runde vorantrieben. Der geballte „Volkswille“ durfte nur kurz aufblitzen, breite Partizipation und Mitbestimmung blieben dem Machtwillen der SVP-Spitze stets untergeordnet.
So ist Sigmundskron zwar ein eindrucksvolles Signal und ein Fanal für eine Wende der Südtirolpolitik hin zu erweiterter Autonomie in Landeshand. Das Leuchtfeuer der Großdemo markiert aber auch die begrenzte Rolle der Volkssouveränität in Südtirol und zeigt die engen Grenzen gelebter Demokratie im Lande. Sigmundskron ist daher auch eine Mahnung zu neuer Aufwertung von Partizipation und Bürgerbeteiligung, die mehr sein muss als nur der eindrucksvolle Flankenschutz der politischen Eliten.
L-Abg. Hans Heiss, Brigitte Foppa, Riccardo Dello Sbarba
BZ, 16. 11. 2017

Der Tod des kurdischen Flüchtlingsjungen Adan am 8. Oktober in Bozen hat in Südtirol große Betroffenheit ausgelöst. Dies sollte die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung dazu anhalten, sich selbst kritisch zu hinterfragen. Die zuständige Landesrätin Martha Stocker aber, weist mit Argumenten, die den Tatsachen widersprechen, alle Verantwortung von sich.

  1. Im Interview mit der Tageszeitung ist nachzulesen, dass LR.in Stocker erst am 6. Oktober von dem Fall erfahren habe, und dass „von keiner Seite ein Antrag kam, die Familie in einer offiziellen Struktur unterzubringen“. Fakt ist jedoch, dass es praktisch jeden Tag Anfragen gab, die Familie unterzubringen. Neben Freiwilligen und Vereinen hat selbst der Sanitätsbetrieb bereits am 4. Oktober, als der Bub aus dem Krankenhaus entlassen wurde, an öffentlicher Stelle eine Unterkunft für ihn und seine Familie gefordert.Hier nochmals die Faktenlage: Am 4. Oktober um 10:09 morgens hat die Koordinatorin des STP- Ambulatoriums und Beauftragte des Sanitätsbetriebs für Flüchtlinge per E-Mail den Betrieb für Sozialdienste Bozen und das Landesamt für Sozialsprengel darüber informiert, dass Adan entlassen werde und er mit seiner Familie noch keine Übernachtungsmöglichkeit gefunden hätten. Die Koordinatorin bat Land und Sozialdienste schriftlich, eine Unterkunft für die Familie bereitzustellen. Der E-mail-Anhang enthielt die Entlassungsbescheinigung aus dem Krankenhaus, in der Dr. Federico Mercolini feststellt: “è affetto da distrofia muscolare di Duchenne, complicata da candiopatia dilatativa. Soffre inoltre di difetto di glucosio-6-fosfato-deidrogenasi. La patologia di Abdullah è molto complessa, invalidante e necessita di stretto monitoraggio e cure continue”. Seit dem 4. Oktober also waren die zuständigen Landesämter über Gesundheitszustand des Jugendlichen informiert und die Sozialdienste der Landesabteilung wurden um eine Unterkunft gebeten.                                                                  
  2. In der Pressekonferenz am 10. Oktober bzgl. der Entlassung aus dem Krankenhaus betonte LR.in Stocker mehrmals, es habe sich um eine „geschützte Entlassung“ gehandelt. Wenn sich Landesrätin Stocker hierbei auf das offizielle Vorgehen der „geschützten Entlassung“ bezieht, scheint dies jedoch nicht auf. Eine geschützte Entlassung sieht besondere Umstände für die Zeit nach der Entlassung aus dem Krankenhaus vor. Darunter eine enge Betreuung durch Hausarzt und Krankenpflegedienste. Vor allem wird davon ausgegangen, dass der Patient ein Zuhause habe wo er ordentlich versorgt wird. Genau weil es an all dem fehlte, hat die Koordinatorin die Landesämter kontaktiert, mit der dringenden Bitte, eine Unterkunft bereitzustellen. Adans Familie hatte keinen angemeldeten Wohnsitz, keinen Hausarzt und auch keine geeignete Unterkunft, wo der Bub ordentlich versorgt hätte werden können, so wie es eine geschützte Entlassung eigentlich vorsieht.                                                                                                                                    
  3. Die Landesrätin behauptet, dass die Familie stets eine Unterkunft gehabt hätte. Dabei unterschlägt sie jedoch, dass die verschiedenen Unterbringungen nicht die zuständigen Institutionen bereitstellten, sondern von Freiwilligen durch eine Spendensammlung organisiert wurden. Südtirols FlüchtlingshelferInnen müssen deshalb aktiv werden, weil viele Institutionen entweder ihrem Auftrag nicht nachkommen oder zu langsam und bürokratisch arbeiten. Darüber hinaus erwähnt die Landesrätin nicht, dass diese Unterkünfte nur provisorisch waren: eine Nacht hat die Familie auf dem Boden eines Jugendzentrums verbracht. Eine angemessene Unterbringung für ein schwer krankes Kind hätten nur die öffentlichen Institutionen gewährleisten können – und müssen. Deshalb ist es inakzeptabel, dass LR.in Stocker kontinuierlich wiederholt, dass die öffentliche Hand aus dem Grund untätig geblieben sei, weil sich Privatpersonen auf freiwilliger Basis um die Familie gekümmert haben. Freiwillige haben gehandelt, weil und nachdem die öffentliche Hand eben nicht reagiert hat. Wer behauptet, sei es JournalistInnen, oder PolitikerInnen wie Ulli Mair, dass die Freiwilligen „die Öffentlichkeit früher benachrichtigen“ mussten, äußert sich, ohne die Fakten zu kennen.
  4. „Ich habe immer mein Gesicht hingehalten“, sagt Stocker im Interview vom 12.10. Selbst das stimmt nicht. Die Landesrätin hat in dieser Woche nicht ein einziges Mal die direkte Auseinandersetzung mit einem kritischen Gegenüber akzeptiert, u. a. hat sie das Pro & Contra auf RAI –Südtirol abgelehnt, um dann allein im Mittagsmagazin aufzutreten. Sie reagiert auf Kritik mit Gegenvorwürfen und Defensivhaltung. Gerade in der gegenwärtigen Situation kann dies nicht akzeptiert werden.
  5. Abschließend sei noch angemerkt: Die Landesrätin wiederholt in diesen Tagen immer wieder, dass das Landesrundschreiben von 2016, welches die Aufnahme von geflüchteten Menschen stark einschränkt (und dessen Rücknahme selbst vom Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gefordert wurde), der Aufnahme dieser Familie nicht im Wege gestanden hätte. Wenn nun das restriktive Rundschreiben tatsächliche die Aufnahme dieser Familie erlaubt hat, ist dies umso schwerwiegender, da die Familie eben gerade nicht aufgenommen worden ist.

Wie das Schicksal des kleinen Adams ausgegangen wäre, hätte er rechtzeitig eine angemessene Unterbringung bekommen, kann niemand wissen. Eines ist aber sicher, mit dem problematischen Rundschreiben wird eine Haltung vorgegeben, die die gesamte Aufnahmepolitik des Landes kennzeichnet, nämlich die heimliche Parole „So wenig wie möglich“. Ganz so, als ob die knappe Bettenanzahl in einer Bozner Flüchtlingsunterkunft jene Menschen, die wegen Armut, Krieg und Hunger in Afrika oder Asien aufbrechen, davon abhalten könnte, in unser Land zu kommen.
Nicht nur Landesrätin Stocker ist für diese fehlgeleitete und unbedachte Flüchtlingspolitik verantwortlich, sondern die gesamte Landesregierung.
 
Bozen, am 12. Oktober 2017
 
Die Grüne Fraktion im Landtag
 
 

Herumschieben, Abschieben, Abwälzen: Vom Umgang mit den Umständen, die den jungen Adan das Leben gekostet haben. So kann es nicht weitergehen, Landesrätin Stocker, machen wir die Flüchtlingsagenda zur Chefsache.
In der heutigen Pressekonferenz der Landesregierung hat Landesrätin Stocker Stellung zum Tod des 13-jährigen Adan Stellung genommen. Sie weist in ihren Aussagen die Verantwortung der Landesverwaltung von sich und stellt klar, dass die Familie trotz des berüchtigten „Rundschreibens Critelli“ hätte vorübergehenderweise aufgenommen werden können.
Der Tod des Kindes wird dadurch noch mehr zu einem tragischen Absurdum und zum Symbol des Versagens der Flüchtlingspolitik des Landes Südtirol.
Wenn im Lande der humanitäre Ansatz ohne Wenn und Aber als Ausgangspunkt aller Interventionen stünde, dann wäre es niemals zur Verkettung der Umstände gekommen, die dem jungen Adan das Leben gekostet hätten.
Es ist nicht akzeptabel, dass die Landesrätin in ihrer Analyse die Verantwortung

  • nach unten abschiebt („das SIS ist in dieser ersten Einschätzung autonom“),
  • den Freiwilligen quasi die Schuld zuweist („Aufgrund der Mitteilung, dass eine Unterbringung für die gesamte Familie vorhanden ist, wurde keine weitere Suche nach einer Unterbringung eingeleitet. Wäre eine entsprechende Notwendigkeit gemeldet worden, wäre eine Aufnahme aufgrund der zusätzlichen Informationen zur Situation vom SIS sicherlich neu bewertet worden“)
  • oder gar die Familie selbst in die Pflicht nimmt (“Wenn sich dann jemand selbstständig aufgemacht hat vom Hotel Adria nach anderswohin, dann ist das eine freie Entscheidung“).

Wir erinnern daran, dass – in Ermangelung einer Unterbringung seitens der zuständigen Institutionen! – die Freiwilligen Geld gesammelt haben, um der Familie eine wenn auch notdürftige Unterkunft zu bieten und dass sie es waren, die sich die ganze Woche über um die Familie in höchster Not gekümmert haben. Ihnen auch indirekt die Verantwortung zuweisen, und zwar von Seiten der mächtigen Landesverwaltung, die mit ihren politischen und bürokratischen Vorgaben die Haltung der Aufnahme (bzw. der Abweisung) maßgeblich beeinflusst, ist absolut inakzeptabel und kleingeistig.
Es ist offensichtlich, dass die Landesrätin mit der Betreuung der Flüchtlingsagenden überfordert und/oder eindeutig schlecht beraten ist. Mit Defensivhaltung und bürokratischem Zynismus kann dieses komplexe gesellschaftliche Phänomen nicht angegangen werden. Landesrätin Stocker sollte besser nach Oben delegieren, als nach Unten abwälzen (wie wir es derzeit erleben) – und die Flüchtlingsagenda direkt an Landeshauptmann abgeben. Die Zeit ist eindeutig reif dafür.
Riccardo Dello Sbarba, Brigitte Foppa, Hans Heiss

In Anbetracht des tragischen Todes des kurdisch-irakischen Flüchtlingsjungen in Bozen, hat die Grüne Landtagsfraktion unten stehende dringende Anfrage an die Landesregierung gestellt. Diese soll den Tatsachenhergang sowie die Verantwortlichkeiten klären. Vor allem gilt es herauszufinden, warum eine Familie mit einem behinderten Kind von den zuständigen Einrichtungen nicht aufgenommen worden ist. Steht dies im Zusammenhang mit den restriktiven Rundschreiben aus dem Jahr 2016, welche die Aufnahme von Menschen verbieten, die humanitären Schutz beantragen? Wird die Landesregierung diese Tragödie nun zum Anlass nehmen, um ihre Flüchtlingspolitik zu überdenken?

INTERROGAZIONE D’ATTUALITÁ
L’ennesimo dramma dell’accoglienza negata
Nella notte tra sabato 7 e domenica 8 ottobre un minore disabile curdo-irakeno è morto dopo aver riportato delle fratture dovute alla caduta a causa di una barriera architettonica e dopo aver passato insieme alla famiglia (genitori con altri 3 fratellini più piccoli) diverse notti all’addiaccio o in sistemazioni precarie, senza avere mai avuto possibilità di accesso alle strutture di accoglienza.
 
Si chiede alla Giunta:

  1. Quando, in che forma e in quali termini la Provincia è venuta a conoscenza del caso di questa famiglia e del minore disabile?
  2. Qual è la ricostruzione dei fatti da parte della Provincia?
  3. Quali e di chi sono le responsabilità politiche e amministrative delle decisioni prese per questo caso specifico, in particolare della non accoglienza in strutture pubbliche?
  4. Perché il minore disabile, i suoi genitori e i fratellini non sono stati accolti, pur risultando tra i soggetti vulnerabili con diritto alla piena accoglienza? La negazione all’accoglienza è stata determinata dalle circolari della Ripartizione politiche sociali della Provincia del 29 settembre e 3 ottobre 2016 sui soggetti vulnerabili?
  5. Se sì, la Provincia ha intenzione di ritirarle?
  6. Non ritiene la Giunta che come indirizzo politico sia da adottare il principio che il soccorso umanitario debba avere la precedenza rispetto a tutti gli aspetti e cavilli burocratici?
  7. Che misure verranno prese ora per la famiglia del minore morto? E per tutti i soggetti vulnerabili ancora esclusi dalle strutture di accoglienza e costretti a dormire al freddo?

 
Bolzano, 9 ottobre 2017
Cons. prov.
 
Riccardo Dello Sbarba
Brigitte Foppa
Hans Heiss