PRESSEMITTEILUNG.

Für einen gemeinsamen europäischen Umgang mit der Corona-Krise, bei dem auch der Wiederherstellung der Reisefreiheit höchste Priorität einzuräumen ist, plädieren heute die Grünen in Tirol und Südtirol. „Für uns ist klar, dass die Grenze zwischen Tirol und Südtirol so bald wie möglich wieder geöffnet werden muss. Jeden Tag leiden unzählige Menschen in Tirol und Südtirol unter den heruntergefahrenen Grenzbalken, weil sie ihre Familie nicht besuchen können, der Wochenendausflug unmöglich wird oder nahegelegene Infrastruktur unerreichbar wird. Es wirkt schon absurd, wenn Österreich ausländische Touristen nach Österreich locken will, aber selbst eine Grenzöffnung zu Italien nicht in Betracht zu ziehen scheint. Ein gemeinsames Europa darf auch in Zeiten der Corona-Krise nicht auf der Strecke bleiben,“ so die Grüne Fraktionssprecherin in Südtirol, Brigitte Foppa, und der Europasprecher der Tiroler Grünen, Michael Mingler, unisono.
Gleichzeitig verwehren sich die Grünen diesseits und jenseits des Brenners gegen einen Wettlauf des Populismus. „Wir müssen den Schutz der Gesundheit und die weitere Eindämmung des Virus auf jeden Fall voranstellen. Es ist ein Fakt, dass es in Italien nach wie vor sensible Regionen gibt, wie z.B. Lombardei oder Piemont. Wie es aussieht, wird vor allem die Lombardei nicht so schnell aufgehen, weil es immer noch Infektionsherde gibt. Hier gilt es genau zu beobachten, wie sich die Dinge entwickeln“, plädieren Foppa und Mingler im Sinne einer Grenzöffnung unter Bedingungen.

Sie wollen auf intensive Gespräche statt auf Medieninszenierungen setzen. „Dass die Grenzöffnung ein zentrales Anliegen der Nord- und Südtiroler Bevölkerung ist, ist dem österreichischen Gesundheitsministerium bekannt. Wir vertrauen und appellieren, dass es bald eine gute Lösung geben wird, mit der sowohl Reisefreiheit als auch Gesundheit in Einklang gebracht werden“, schließen die beiden Grünpolitiker*innen und zeigen auch in diesen Zeiten Einigkeit: „Eng verbunden bleiben wir in der Europaregion allemal. In ein paar Wochen werden wir uns jedenfalls wieder persönlich sehen.“

Michael Mingler – Landtagsabgeordneter – DIE GRÜNEN TIROL
Brigitte Foppa – Landtagsabgeordnete – Verdi Grüne Vërc

Im Foto: Michael Mingler und Brigitte Foppa beim Dreier Landtag

GREEN MEETING POINT.

Wie bereits im Mai zum ersten Mal erprobt, haben wir auch in dieser Landtagswoche unseren Green Meeting Point den aktuellen politischen Fragen gewidmet.
Am Donnerstag, den 11. Mai, am Ende der Sitzungswoche, haben uns die Grünen Landtagsabgeordneten Brigitte, Riccardo und Hanspeter direkt im Anschluss der Landtagssitzung erzählt, was dort vor sich gegangen ist. Kommentare, Fragen und Überlegungen sind wertvoller denn je, um die Arbeit und das Engagement der Grünen im Landtag bereichern zu können.

Dieses Mal laden wir euch anstatt der Ernte Zur Nachlese unsere „News aus dem Landtag“ ein.

Das Projekt Green Meeting Point wird von der Sozialgenossenschaft Blufink begleitet und im Prozess unterstützt und am Ende jedes Dialogs in der “Ernte” für uns die Inputs, Fragen und Erkenntnisse der TeilnehmerInnen sammelt.

KOMMENTAR VON HANSPETER STAFFLER.

Der vergangene Mittwoch, 27. Mai 2020 war ein besonderer Tag für die EU: Die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen stellte ihren Plan für den Wiederaufbau vor. 750 Milliarden Euro sollen es werden, davon 500 Milliarden als nichtrückzahlbare Zuschüsse und 250 Milliarden als praktisch zinslose Kredite.

Das könnte nach zweimonatigem Tauziehen die Wende für Europa sein. Ursprünglich waren es Italien und Spanien, die auf solidarische Finanzinstrumente pochten. Viele Nordländer zeigten damals den in Not geratenen Südländern die kalte Schulter und es hatte kurzzeitig den Anschein, Europa würde an den unüberwindbaren Gegensätzen zerbrechen.

Und wieder einmal war es Angela Merkel, die das Ruder herumriss. Anfangs verfolgte sie schweigend die hitzigen Diskussionen zwischen den Süd- und Nordländern. Bei ihr zuhause sprachen sich die Spitzen der CDU/CSU strikt gegen solidarische Finanzinstrumente aus. Kanzlerin Merkel schwieg. Mehrere Verhandlungen auf EU-Ebene verliefen ergebnislos, die Kanzlerin schwieg weiterhin.

Dann ging es aber Schlag auf Schlag: Ursula von der Leyen entschuldigte sich in aller Form bei den Italienern für die zögerliche Haltung der EU. Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron steckten die Köpfe zusammen und zauberten einen Vorschlag hervor: 500 Milliarden Euro als nichtrückzahlbare Zuschüsse für die besonders betroffenen Länder.

Dieser Vorschlag rief die auf Sparsamkeit bedachten Länder Österreich, Dänemark, Niederlande und Schweden auf den Plan. Sie lehnten das Paket ab. Die EU konterte am vergangen Mittwoch mit dem 750 Milliarden Euro schweren Recovery Fund. Die Sparmeister zeigten finstere Miene, aber es macht den Anschein, dass sie einlenken werden.

Das Schönste aus grüner Sicht ist aber, dass die EU die enormen Geldmittel nicht für den spröden Wiederaufbau sondern für den europäischen Green Deal einsetzen will. Das ist grandios und das gibt Hoffnung für Klima- und Naturschutz.

Italien wird voraussichtlich 172 Milliarden Euro erhalten und mit dieser „Sauerstoffspende“ durchstarten können. Für Südtirol wird es auch Gelder geben und damit ist endlich die Zeit für die Ökowende reif: Landwirtschaft, Tourismus und Mobilität müssen ökologischer, sozialer und regionaler werden. Die Weichen dafür wurden am vergangenen Mittwoch in Brüssel gestellt.

Hanspeter Staffler

Der Stadtrat von Brixen hat beschlossen, einen Teil des Auftrags zur Gestaltung des Hofburggartens für 1,2 Mio. € an André Heller zu vergeben.

„Diese Mittelvergabe inmitten der pandemischen Ausnahmesituation erscheint nicht nur fragwürdig, sondern bedeutet auch einen Tourismus-Hotspot Mitten im Stadtkern zu schaffen und somit den Bürger*innen einen freien, offenen Garten abzusprechen. Wollen wir eine lebenswerte Stadt oder den Massentourismus ankurbeln? In der bevorstehenden wirtschaftlichen Krise sollten wir unsere Ressourcen der Bekämpfung der Ursachen und Auswirkungen der Pandemie widmen. Ein Umdenken in Bezug auf Tourismus kann damit auch einhergehen, wie etwa der Kapuzinergarten in Meran gezeigt hat“, sagt Leonie Wimmer, Aktivistin der Ortsgruppe Brixen der Young Greens Southtyrol.

Der Hofburggarten sollte jetzt für alle geöffnet und zum Ort der Erholung werden, insbesondere im heurigen heißen Sommer, in dem viele Menschen nicht die Möglichkeit haben werden, auf Urlaub zu gehen. Die 1,2 Millionen € wären anderswo besser investiert, etwa in der Förderung der lokalen Kunst und der Kulturschaffenden, welche die Aktivitäten im Hofburggarten planen und künstlerisch untermalen könnten.

Kein Heller für den Heller!

Young Greens Southtyrol
Alex Guglielmo – Co-speaker

PRESSEMITTEILUNG.

Lange Jahre hatte es gebraucht, bis die Gefahr, die von Stickoxiden ausgeht, an die Öffentlichkeit dringen konnte. Stickoxide (NOx), hauptsächlich ausgehend vom Straßenverkehr, belasten bekanntlich die Gesundheit, insbesondere der Atemwege,. In den letzten Jahren war gerade die Brennerachse im Visier, da die Grenzwerte entlang der Brennerautobahn immer wieder überschritten wurden. Die Gefahr für die Gesundheit der AnwohnerInnen war das Eine, die Androhung von Strafzahlungen seitens der EU wohl der Hauptgrund, dass die Landesregierung aktiv wurde und 2018 das „Programm zur Reduzierung der NO2-Belastung 2018-2023″genehmigte. Damit sollte eine Senkung der Stickstoffdioxid-Emissionen und die Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerts von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresdurchschnitt innerhalb 2023 erreicht werden.

Nun passiert das, was wir Grüne befürchtet haben, nämlich dass die Coronakrise die umwelt- und klimapolitischen Zielsetzungen hintanstellt und einseitig der Wirtschaft der Vorrang gegeben wird. Gesehen gestern in der Sitzung der Landesregierung. Da der entsprechende Beschluss noch nicht online abrufbar ist, können wir nur zur Pressemitteilung der Landesregierung Stellung nehmen.

Wir lesen darin, dass das 2018 beschlossene Programm überarbeitet wird und Einschränkungen jener Anteile des Verkehrs, die am meisten belasten, vorerst aufgeschoben werden. „In den 2 Monaten Stillstands sind die Stickoxidwerte stark gesunken, zeitweise fast auf Null. Luft, Natur und Gesundheit der AnwohnerInnen hatten in diesem Sinne eine Art Verschnaufpause. Über die Jahresmittelwerte braucht man sich momentan deshalb mal keine Sorgen zu machen. Ein zwar bequemer Ansatz, aber halt ganz und gar nicht nachhaltig“, kommentiert die Landtagsabgeordnete Brigitte Foppa. „Umwelt“-Landesrat Vettorato sagte zu den Medien, man müsse nach Corona „den Menschen helfen“.

Dass dazu der Schutz ihrer Autos gehört, nicht aber der Schutz der Gesundheit, sollte ehrlichkeitshalber dazugesagt werden.

Bozen, 27.05.2020

Landtagsabgeordnete
Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba
Hanspeter Staffler

Es ist heute notwendiger denn je, dass Europa die vor allem durch Frankreich und Deutschland ausgearbeitete Vereinbarung über einen gemeinsamen Fonds in Höhe von 500 Milliarden Euro zur Unterstützung der von der Covid-19-Krise am stärksten betroffenen Mitgliedstaaten gemeinsam verfolgt und umsetzt.

Der so genannte „Recovery Fund“ ist ein Schlüsselinstrument zur Überwindung der Krise, und in diesem Zusammenhang haben wir, die italienischen und Südtiroler Grünen am vergangenen Freitag einen Appell lanciert, der auch von den deutschen, französischen, spanischen, belgischen und luxemburgischen Grünen geteilt und unterzeichnet wurde.

Der Appell richtet sich an unsere Grünen Freunde – seien sie an der Regierung oder in der Opposition – jener Staaten Europas, die sich derzeit gegen Recovery Funds positioniert haben: Österreich, Holland, Finnland, Schweden und Dänemark.

In diesen Tagen waren wir Zeugen einer sehr entschiedenen Haltung der österreichischen Grünen, die den Gegenentwurf von Bundeskanzler Sebastian Kurz zum Recovery Fund gebremst haben. Auch in Schweden steht die Miljöpartiet de Gröna ihren Regierungsverbündeten kritisch gegenüber. Jetzt geht es darum, keine Rückschritte zu machen und weiterhin Druck auf konservative Regierungen auszuüben.

Wir glauben, dass wir nur durch Zusammenhalt und die gemeinsame Verfolgung gemeinsamer Ziele durch alle Mitgliedstaaten zusammen eine Zukunft aufbauen können, die für Wohlstand, Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit sowie für das Recht auf Arbeit und Gesundheit für alle Menschen in ganz Europa steht.

Marlene Pernstich und Felix von Wohlgemuth, Co-Sprecher der Verdi Grüne Vërc, Südtirol
Brigitte Foppa, Fraktionssprecherin Verdi Grüne Vërc im Südtiroler Landtag
Elena Grandi und Matteo Badiali, Co-Sprecher der italienischen Grünen Europa Verde
Angelo Bonelli, Koordinator der italienischen Grünen Europa Verde

PRESSEMITTEILUNG.

Heute, am 22. Mai ist Tag der Artenvielfalt. Gerade in Covid-Zeiten dürfen wir unsere Umwelt und die Natur nicht vergessen. Nicht zufällig hat die Grüne Fraktion genau diesen Tag gewählt, um einen Gesetzentwurf für den besseren Erhalt der Artenvielfalt in Südtirol einzureichen. Denn die Zeit drängt.

Der Weltbiodiversitätsbericht warnt nämlich, dass ein Weitermachen wie bisher eine ökologische Krise gigantischen Ausmaßes zur Folge haben wird. Aber es sei noch nicht zu spät, wenn wir auf allen institutionellen Ebenen und in allen Ländern ab sofort neue Wege beschreiten. Zuwarten können wir uns nicht mehr leisten.

Auch Südtirol bleibt von dieser Krise nicht verschont. Der Verlust der Artenvielfalt in Südtirols Pflanzenwelt wird in einer Publikation aus dem Jahr 2006 dokumentiert: Laut der sogenannten „Roten Listen“ sind hierzulande 27% der wild lebenden Pflanzenarten in irgendeiner Form gefährdet. Da seit dem Erscheinungsdatum dieser Publikation 14 Jahre vergangen sind ist zu befürchten, dass sich die Situation weiter verschlechtert hat. Noch dramatischer schaut es bei den Tierarten aus, wo mit Stand 1994 (!) 41% der untersuchten Tiere als gefährdet eingestuft wurden. Besonders dürfte das Insektenreich gelitten haben, das europaweite Bienen- und Insektensterben ist mittlerweile allgemein anerkannt.

„Aus diesem Grund – erklärt der Erstunterzeichner Hanspeter Staffler – fordern wir mit diesem Gesetzesentwurf die Aktualisierung der „Roten Liste“, die dem Naturschutzgesetz als Anhaltspunkt dienen soll. Wir brauchen mehr Engagement für den Schutz der Biodiversität im Allgemeinen und im Besonders für die Biodiversität jener Gebiete, die wie Südtirols Hochgebirge einen besonderen Reichtum aufweisen. Schauen wir gemeinsam auf unser Landl“.

LANDESGESETZENTWURF Nr. 54/20-XVI.

Gesetzesänderung des Landesgesetzes vom 12. Mai 2010, Nr. 6: „Naturschutzgesetz und andere Bestimmungen“

Im vergangenen Jahr 2019 ist erstmals der Weltbiodiverstitätsbericht[1] erschienen und hat dem Zustand unserer belebten Umwelt kein gutes Zeugnis ausgestellt. Weltweit werden natürliche Lebensräume zurückgedrängt und oftmals zerstört, sodass wildlebende Tiere und Pflanzen ihrer Heimat beraubt werden und somit untergehen. Der weltweite Rückgang der Artenvielfalt ist dramatisch und das Artensterben hat gewaltige Dimensionen erreicht: Der Bericht schätzt, dass rund eine Million Pflanzen- und Tierarten in den nächsten Jahren und Jahrzehnten vom Aussterben bedroht sind.

Der Bericht zählt die fünf wichtigsten Treiber für den Verlust der Biodiversität auf:

  1. Veränderung der Land- und Meeresnutzung
  2. Direkte Ausrottung von Arten
  3. Klimawandel
  4. Umweltverschmutzung
  5. Ausbreitung invasiver Arten

In der deutschsprachigen Zusammenfassung [2] für politische EntscheidungsträgerInnen wird auch auf die Änderung der Landnutzung in Europa eingegangen. Intensivierungsstrategien in der Land- und Forstwirtschaft haben zusammen mit der Stadtentwicklung zu einer Verarmung der biologischen Vielfalt geführt. Naturnahe Lebensräume von hohem Erhaltungswert wurden reduziert und damit sind auch die dort beheimateten Tier- und Pflanzenarten gefährdet.

Neben der intensiven Landnutzung machen in Europa vor allem der Klimawandel, die Umweltverschmutzung und die Ausbreitung invasiver Arten den terrestrischen Ökosystemen zu schaffen. Die Weltmeere leiden unter massiver Überfischung und Verschmutzung durch Plastik. Artenreiche Urwälder in Südamerika, Afrika und Südostasien fallen Brandrodungen und kompromissloser Ausbeutung anheim. Teilweise stellt der Mensch vielen Tieren gezielt nach und droht sie wegen Geschäftemacherei und durch Wilderei auszulöschen.

Der Weltbiodiversitätsbericht warnt daher eindringlich und meint, dass ein Weitermachen wie bisher eine ökologische Krise gigantischen Ausmaßes erzeugen wird. Aber es sei noch nicht zu spät, wenn auf allen institutionellen Ebenen und in allen Ländern sofort neue Wege beschritten würden. Aber Zuwarten ist nicht mehr drinnen.

Neben den vielen von Naturwissenschaftlern vorgebrachten Argumenten leihen auch hochrangige Vertreter der Kirche dem Verlust an Artenvielfalt und der Zerstörung von Lebensräumen ihre Stimme.

Die Fülle und Schönheit der Natur und die damit zusammenhängenden ökologischen Leistungen zu erhalten und zu bewahren, ist eine zentrale Aufgabe der Menschen. Wir brauchen die mannigfaltigen Angebote der Natur als Lebensgrundlage für ein glückliches und sinnerfülltes Dasein.“[3] sagt Bischof Felix Gmür des Bistums Basel.

Und Papst Franziskus schreibt in seiner Enzyklika Laudato si[4]: „Da alle Geschöpfe miteinander verbunden sind, muss jedes mit Liebe und Bewunderung gewürdigt werden, und alle sind wir aufeinander angewiesen.

Naturwissenschaft, Naturschutz und Religion sind sich also einig: es liegt in der Verantwortung von uns Menschen, alles zu tun, damit natürliche Lebensräume mit wild lebenden Tier- und Pflanzenarten gut gedeihen können. Die erbrachten Ökosystemleistungen wie Bestäubungsarbeit von Nutzpflanzen, saubere Luft oder sauberes Wasser sind unentbehrlich für den Menschen und haben eine ungemein wichtige Bedeutung für Gesundheit, Lebensqualität und Wirtschaft. Darüber hinaus aber haben wir Menschen auch einen spirituellen und moralischen Auftrag und müssen als stärkste Spezies auf alle anderen Geschöpfe achten.

Gesetzlicher Rahmen

Auf europäischer Ebene bilden die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie[5] und die Vogelschutzrichtlinie[6] das Grundgerüst der heutigen Naturschutzpolitik. Erstere baut auf zwei Säulen auf: Einerseits geht es um den strengen Schutz von wild lebenden Tier- und Pflanzenarten und andererseits wird der Aufbau des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura-2000 geregelt. In Südtirol wurden bislang rund 40 Gebiete gemeinschaftlicher Bedeutung ausgewiesen. Als Ergebnis der Vogelschutzrichtlinie werden Besondere Schutzgebiete definiert, wofür eigene Erhaltungs- und Managementmaßnahmen gelten.

Im Jahr 2010 hat das Land Südtirol mit dem Naturschutzgesetz[7] die EU-Richtlinien übernommen und sich dezidiert für einen nachhaltigen Schutz artenreicher Lebensräume sowie seltener Pflanzen- und Tierarten ausgesprochen. Sowohl für die per Dekret ausgewiesenen Schutzgebiete als auch für die nicht expressis verbis ausgewiesenen Lebensräume gilt ein Verschlechterungs- und Störungsverbot. Beispielsweise dürfen artenreich Bergwiesen weiterhin traditionell bewirtschaftet werden. Planierungen, Drainagen oder Überdüngung, welche die angestammte Tier- und Pflanzenwelt stören oder gar schädigen, sind nicht erlaubt. Dasselbe gilt für Feuchtlebensräume wie Auwälder, Moore, Feucht- und Nasswiesen.

Am 20. Mai 2020 hat die Europäische Kommission die Biodiversitäts-Strategie 2030 vorgestellt, welche noch vom Europäischen Parlament und vom Europäischen Rat zu begutachten ist. Inhaltlich gibt es eine klare Bekenntnis für die Ausweitung von Schutzgebieten und für einen wirksameren Schutz von artenreichen Lebensräumen. Für die Umsetzung der Ziele möchte die Kommission jährlich 20 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. In Südtirol würde dies zu einer Vervielfachung des zurzeit mehr als bescheidenen Naturschutzbudgets führen.

Spezielle Situation in Südtirol

Der Verlust der Artenvielfalt in Südtirols Tier- und Pflanzenwelt wird in sogenannten „Roten Listen“ dokumentiert. Die Roten Listen geben den Grad an Gefährdung für Pflanzen- und Tierarten bezogen auf ein definiertes Einzugsgebiet an. Sie werden nach internationalen Richtlinien erstellt und sind somit über die Einzugsgebiete hinaus vergleichbar. Die Roten Listen sind eine unentbehrliche Grundlage für naturschutzfachliche Entscheidungen bei Eingriffen in artenreiche Lebensräume. Sollten Lebensräume eingeengt, verändert oder gar zerstört werden, so betrifft dies gleichermaßen die dort lebenden Pflanzen- und Tierarten. Zerstörung des Lebensraumes bedeutet auch Zerstörung der dort vorkommenden Tiere und Pflanzen.

Rote Listen werden nach wissenschaftlichen Kriterien von Expertinnen und Experten erstellt und sollten in die Naturschutzarbeit einfließen. Damit sie aber rechtliche Relevanz haben, ist es sinnvoll die Roten Listen regelmäßig durch einen Rechtsakt zu bestimmen. Die Arbeit an den Roten Listen hört auch niemals auf, denn das Werden und Vergehen von Arten ist ein immer wiederkehrender Prozess.

In der Roten Liste der gefährdeten Gefäßpflanzen Südtirols[8] scheint auf, dass 27% der wild lebenden Pflanzenarten in irgendeiner Form gefährdet sind. Da diese Publikation auf das Jahr 2006 zurückgeht, ist zu befürchten, dass sich die Situation bis dato verschlechtert hat. Noch dramatischer schaut es bei den Tierarten aus, wo mit Stand 1994 (!) 41% der untersuchten Tiere[9] als gefährdet eingestuft wurden. Auch hier liegt die Vermutung nahe, dass sich die Situation seit den Neunziger Jahren wesentlich verschlechtert haben dürfte. Besonders dürfte das Insektenreich gelitten haben, das europaweite Bienen- und Insektensterben ist mittlerweile allgemein anerkannt.

Wie bereits beschrieben, gibt es für den Rückgang der Artenvielfalt eine Reihe von Ursachen. Das soll aber nicht davon ablenken, wo es möglich ist, gezielte Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt zu setzen. Im vergangenen Jahr wurden beispielsweise in der Gemeinde Graun extrem artenreiche Bergwiesen mit Gülle gedüngt. Diese Praxis verändert in kürzester Zeit die Artenzusammensetzung einer Bergwiese und führt eindeutig zur Verschlechterung der Situation, obwohl es für diese artenreichen Lebensräume eindeutig ein gesetzliches Verschlechterungsverbot gibt. Ehemals artenreiche Bergwiesen wurden durch Überdüngung zu eintönigen Mähwiesen, wie es am Beispiel der Seiser Alm[10] bereits vor Jahrzehnten nachgewiesen wurde. Vergleichbare Entwicklungen gab es auch auf dem Salten.

Artenreiche Bergwiesen, Mager- und Trockenrasen sowie Feuchtflächen und Moore vertragen keine stickstoffreiche Düngung durch Gülle oder Jauche. Solche Lebensräume dürfen höchstens mit gut verrottetem Stallmist gedüngt werden. In Natura 2000 Gebieten hat sich die Landesregierung darauf verständigt, artenreiche Wiesen und extensiv genutzte Magerrasen nur mit gut kompostiertem Mist zu düngen. Da es aber auch außerhalb der Natura 2000 Gebiete gesetzlich geschützte artenreichen Lebensräume gibt, müssen dort in Analogie dieselben Bedingungen gelten. Um der Zerstörung der letzten artenreichen Bergwiesen zuvorzukommen und um im Geiste der europäischen Biodiversitäts-Strategie 2030 zu handeln, sind die artenreiche Lebensräume gesetzlich besser zu schützen.

Maßnahmen

Die Roten Listen der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten in Südtirol sollen zukünftig als Referenz für Naturschutzarbeit gelten und werden daher mit einem Beschluss der Landesregierung genehmigt. Das ermöglicht den Sachverständigen, bei der Begutachtung von Eingriffen auf ein rechtlich und wissenschaftlich abgesichertes Instrumentarium zurückzugreifen. Jene Tier- und Pflanzenarten, die in den Roten Listen den Kategorien „Vom Aussterben bedroht“ und „Stark gefährdet“ zugeordnet sind, gelten fortan als vollkommen geschützt.

Die Überdüngung von artenreichen Lebensräumen wie Wiesen, extensiv genutzte Magerrasen, Trockenrasen, Moore und Feuchtflächen, bestocktes Grasland, alpines Grün und Weiden ist bereits innerhalb der Natura 2000 Gebiete untersagt. Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf wird derselbe Schutz auch auf jene artenreichen Lebensräume, die außerhalb der Natura 2000 Gebiete liegen, übertragen. Die Praxis beweist, dass der Schutz für diese Lebensräume zurzeit nicht ausreichend gegeben ist und es daher ein besseres und stärkeres Rechtsmittel braucht.

 

Bozen, 22.05.2020

Landtagsabgeordneter

Hanspeter Staffler

 

[1] IPBES, Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services, (2019): The global Assessment Report on Biodiversity and Ecosystem Services.

[2] IPBES (2018): Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger des Regionalen Assessments zur biologischen Vielfalt und Ökosystemleistungen in Europa und Zentralasien der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services. M. Fischer, M. Rounsevell, A. Torre-Marin Rando, A. Mader, A. Church, M. Elbakidze, V. Elias, T. Hahn, P.A. Harrison, J. Hauck, B. Martín- López, I. Ring, C. Sandström, I. Sousa Pinto, P. Visconti, N.E. Zimmermann und M. Christie (Hrsg.). IPBES-Sekretariat, Bonn, Deutschland. 48 Seiten.

[3] Bischof Felix Gmür: Beitrag in oeku-Nr. 2/2019. Kirche und Umwelt, oeku.ch.

[4] Laudato si. 2015. Die Umwelt-Enzyklika das Papstes. Verlag Herder , Freiburg im Breisgau.

[5] Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21.05.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen.

[6] Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates am 30.11.2009 über die Erhaltung wild lebender Vogelarten.

[7] Landesgesetz vom 12. Mai 2010, Nr. 6 „Naturschutzgesetz und andere Bestimmungen“.

[8] Wilhalm Th., Hilpold A. (2000): Rote Liste der gefährdeten Gefäßpflanzen Südtirols. Gredleriana, Vol. 6/2006. Pp.115-198.

[9] Unsere Tiere in Gefahr. Informationsbroschüre der Abteilung Natur und Landschaft. 2009.

[10] Grabherr, G. (2009): Biodiversitätsverlust durch moderne Hochlagen-Landwirtschaft. Jahrbuch des Vereins zum Schutz der Bergwelt (München). 74./75. Jahrgang. S. 29-40.

Notdienst… Zu Hilfe! 

Donnerstag, 21. Mai haben wir unseren Green Meetingpoint dem Thema Kinderbetreuungs-Notdienst und den damit verbundenen Problemen gewidmet. Das Land hat einen Notdienst errichtet, zu dem jedoch nur sehr wenige Familien Zugang haben. Was tun? Und wie kann vermieden werden, dass die dies zu einem „Krieg unter den Armen“ führt?

Es war ein sehr reicher Austausch und wir bedanken uns bei allen, die teilgenommen- und dabei ihre Erfahrungen und ihre Vorschläge eingebracht haben.

Hier könnt ihr die Ernte und den Kommentar von anschauen.

Das Projekt Green Meeting Point wird von der Sozialgenossenschaft Blufink begleitet und im Prozess unterstützt und am Ende jedes Dialogs in der “Ernte” für uns die Inputs, Fragen und Erkenntnisse der TeilnehmerInnen sammelt.

BESCHLUSSANTRAG.

Mobilität ist auch in Zeiten ohne Pandemie eine Herausforderung. Weltweit müssen Menschen sich tagtäglich von A nach B bewegen. Ob zur Arbeit, zur Schule, in der Freizeit – wir sind in Bewegung. Zur logistischen Problematik in Großstädten, Ballungszentren und Industriegebieten gesellen sich urbanistische und umwelttechnische Herausforderungen: Vor der Corona-Krise war es (wenn auch oft nur theoretischer) Konsens, dass der öffentliche Verkehr dem Privatverkehr vorzuziehen ist. Wo immer möglich sollten Bus und Bahn das eigene Auto ersetzen.

Dann kam die Krise und mit ihr änderten sich auch die Umstände. Der öffentliche Nahverkehr läuft vielerorts nur langsam und mit Einschränkungen wieder an. Ein prominentes Beispiel hierfür sind die roten Doppeldeckerbusse in London. Bieten sie bei maximaler Auslastung in „normalen“ Zeiten 85 Fahrgästen Platz, dürfen sie seit Ausbruch der Krise maximal 15 Personen befördern. Weltweit gibt es hunderte ähnlicher Beispiele. Das hat Auswirkungen: Es ist wahrscheinlich, dass viele Berufspendler, die öffentliche Verkehrsmittel jetzt nicht mehr benutzen können oder wollen, auf ihr Privatauto zurückgreifen. Wir können uns denken, welch katastrophale Auswirkungen dies auf die Umwelt und die Verkehrsbelastung in den Städten, aber nicht nur, haben könnte.

Der Weg aus der Krise sollte daher auf jeden Fall in umwelt- und klimafreundlichen Bahnen verlaufen.

Mit dem Rad

Der von Staat und Land geplante „Fahrradbonus“ ist ein guter Ansatz, da Bürgerinnen und Bürger jetzt dazu ermutigt werden, ihre Angewohnheiten zu ändern und auf das Rad umzusteigen. Das E-Bike wird für viele weniger sportlich Ambitionierte einen guten Kompromiss darstellen. Daher sollen auch E-Bikes gefördert werden. In besonderem Maße gilt das für gebrauchte, umgerüstete, recycelte und upgecycelte E-Bikes. Sie stehen im Umweltranking gewissermaßen ganz oben, da sie neben der umweltfreundlichen Fortbewegungsart auch auf Ressourceneinsparung setzen. Außerdem belasten sie die Familienkasse in geringerem Maße. Bei den anstehenden Förderungen wurden gebrauchte, umgerüstete, recycelte und upgecycelte E-Bikes bisher nicht in Betracht gezogen. Dabei sollten gerade jene „belohnt“ werden, die auch (oder vor allem) in der Krise auf eine umweltbewusste Ressourcenverwendung achten.

Zu Fuß

Die einfachste, günstigste und gesündeste Art der Fortbewegung ist das Zu-Fuß-Gehen; trotz dieser Tatsache bilden Fußgängerinnen und Fußgänger im Verkehr das „Ende der Nahrungskette“. Sie stehen auf der untersten Stufe der Mobilitätshierarchie. Das zeigt sich etwa im Raum, der ihnen zur Verfügung gestellt wird oder an immer kürzer werdenden Grün-Intervallen für FußgängerInnen an den Ampeln. Auch die schmalen Gehsteige, die oft auch noch zugeparkt werden, sind ein klares Zeichen für die Geringschätzung der zu Fuß gehenden VerkehrsteilnehmerInnen. Das dürfte nun, wo „1-Meter-(bzw. 2-Meter)-Abstandsregelung“ und „physische Distanz“ Teil unseres Alltags geworden sind, vielen klar geworden sein.

Immerhin legen laut der 2018 vom Umweltbundesamt in Deutschland veröffentlichen Studie „Geht doch“ Städterinnen und Städter 27% ihrer Wege zu Fuß zurück. In Bozen sind die eigenen Füße seit jeher das beliebteste Verkehrsmittel, 29% gehen in der Landeshauptstadt zu Fuß Sie verdienen es, nicht an den Rand des Verkehrsgeschehens gedrängt zu werden.

Ein erster Schritt, der den Fußgängern und Fußgängerinnen ihre Wichtigkeit im Verkehr zugesteht, ist die Durchführung eines so genannten Fußverkehrs-Check. Dabei wird in einem partizipativen Prozess die Lage des Fußverkehrs gemeinsam von Bürgerinnen und Bürgern, Verwaltung und Politik evaluiert. Stärken und Schwächen sowie Verbesserungsvorschläge, die den Fußverkehr attraktiver gestalten könnten, werden dabei ausgearbeitet.

Die Corona-Krise zeigt uns, dass wir bei der Förderung von Rad- und Fußmobilität nicht auf langwierige, bauintensive und kostspielige Maßnahmen angewiesen sind. Viele Regionen haben unkomplizierte Konzepte ausgearbeitet. Ein Beispiel hierfür ist Brüssel, wo Radfahrerinnen und Fußgänger Vorfahrt bekommen – und zwar auf der Straße. Sie dürfen diese komplett nutzen, der motorisierte Verkehr darf sich in der Stadt mit höchstens 20 km/h fortbewegen. So wird leichter gemacht, den derzeit nötigen Sicherheitsabstand einzuhalten.

Solche Beispiele machen Mut und zeigen uns, dass es möglich ist, gerade jetzt viele Dinge neu zu denken. Wir haben die einmalige Gelegenheit, unsere Gewohnheiten und unsere Mobilität neu zu gestalten. Unsere Enkelkinder werden es uns danken.

Daher beauftragt der Südtiroler Landtag die Landesregierung

  1. Zusätzlich zum Neukauf auch die Reparatur von Fahrrädern und den Gebrauchtkauf zu fördern.
  2. Einen Sonderbeitrag für die Umrüstung von Fahrrädern zu E-Bikes und Cargo-Bikes vorzusehen, der mit anderen Beiträgen kumulierbar ist.
  3. Ein Projekt zu einem professionellen Fußverkehrs-Check in Zusammenarbeit mit Pilotgemeinden durchzuführen.
  4. Ebenfalls zusammen mit Pilotgemeinden, die sich dazu bereit erklären, die Einführung von Rad- und Fußgängerstraßen zu erproben.

Bozen, 21.05.2020

Landtagsabgeordnete
Brigitte Foppa
Hanspeter Staffler
Riccardo Dello Sbarba