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ANFRAGE ZUR AKTUELLEN FRAGESTUNDE.

Vor mehr als einem Jahr hat Südtirol eine Machbarkeitsstudie für ein so genanntes „Slot-System“ – ein digitales Buchungssystem für LKW entlang der Autobahn – in Auftrag gegeben und die Fertigstellung für Mitte 2022 angekündigt.

Daher richten wir folgende Fragen an die Landesregierung:

  1. An welchem Punkt befindet sich die Ausarbeitung der Machbarkeitsstudie bezüglich des „Slot-Systems“ für LKW auf der Brennerautobahn?
  2. Falls die Studie bereits fertiggestellt wurde: Warum wurde sie noch nicht veröffentlicht?
  3. Wann wird die Machbarkeitsstudie veröffentlicht bzw. vorgestellt werden?
  4. Falls die Studie bereits fertiggestellt wurde: Welches sind die Kernpunkte der Ergebnisse?
  5. Wie steht die italienische Regierung bzw. das Verkehrsministerium zur Idee des Slot-Systems?
  6. Hat die Landesregierung sich darüber schon mit Verkehrsminister Salvini ausgetauscht? Mit welchem Ergebnis? Falls nicht, wann wird es dazu kommen?
  7. Hat die Landesregierung Kenntnis über die Vorschläge von Verkehrsminister Salvini, die er am 5. Dezember in Brüssel bzgl. Transitverkehr auf der Brennerroute einbringen wird?
  8. Welche Pläne hat der neue Verkehrsminister bezüglich Entlastung der Brennerautobahn?

Bozen, 21.11.2022

 

Landtagsabgeordnete

Hanspeter Staffler

Brigitte Foppa

Riccardo Dello Sbarba

PRESSEMITTEILUNG.

Für die Sitzung des Landtages in dieser Woche werden die Grünen einen Beschlussantrag zur Jagd behandeln. Denn jedes Jahr landen 21.000 Tonnen Bleimunition in der Natur. Diese verursachen Bleivergiftungen. Davon betroffen sind vor allem Vögel, darunter Bartgeier und Steinadler. Mitten in den Alpen gelegen ist Südtirol eines der am stärksten von dieser Plage betroffenen Gebiete. Doch es gibt ungiftige Alternativen, welche im Nationalpark Stilfserjoch bereits verpflichtend verwendet werden. Die Grünen fordern ein Verbot der Bleimunition in ganz Südtirol.

Jährlich gelangen während der Jagdsaison 21.000 Tonnen Bleimunition in der Natur. Diese Art von Munition tötet nicht nur, wenn die Beute mit einer Kugel getroffen wird, sondern auch dann, wenn die mit Blei geschossenen Kadaver von anderen Tieren gefressen werden, die dann einer tödliche Bleivergiftung erliegen. In Europa fallen jedes Jahr schätzungsweise 1,3 Millionen Tiere einer Bleivergiftung zum Opfer, vor allem Greifvögel.

Die ersten Alarmsignale gab es im Jahr 2008, als im Nationalpark Stilfserjoch einer der wiederangesiedelten Bartgeier, dessen Freisetzung im Martelltal mit einem großen Festakt begangen wurde, vier Monate später in der Schweiz tot aufgefunden wurde. Untersuchungen des Ornithologen Enrico Bassi, wissenschaftlicher Leiter der Überwachung von Steinadler und Bartgeier im Nationalpark Stilfserjoch, haben daraufhin ergeben, dass sich der Großteil der kontaminierten Raubvögel in den Alpen im sogenannten „Viereck des Todes“, zwischen den Provinzen Trient, Bozen, Brescia und Sondrio aufhalten. Dieses „Viereck“ ist zusammen mit Österreich das am stärksten von Bleivergiftung betroffene Gebiet in Europa. „Welchen Sinn hat es, Bartgeier wieder anzusiedeln, wenn sie nach wenigen Jahren sterben, weil sie von ebenjenem Menschen vergiftet wurden, der sie in ihren natürlichen Lebensraum zurückgebracht hat?“, fragt sich Erstunterzeichner Riccardo Dello Sbarba.

Denn es gibt Alternativen: Nicht giftige Munition ist schon länger auf dem Markt und leicht erhältlich. Sie wurde bereits ausgiebig getestet – beispielsweise im Nationalpark Stilfersjoch, wo wie in den Natura-2000-Feuchtgebieten bleihaltige Munition per Gesetz verboten ist. Aber offenbar reicht diese Einschränkung nicht aus. Mit einem Beschlussantrag fordern wir daher ein Verbot der Verwendung von Bleimunition in der gesamten Provinz Bozen. Das Gesetz erlaubt es uns, dies zu tun. Worauf warten wir noch?

Bozen, 28.11.2022

Landtagsabgeordnete

Riccardo Dello Sbarba

Brigitte Foppa

Hanspeter Staffler

PRESSEMITTEILUNG.

Der 25. November ist der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, wo sexuelle Gewalt beginnt. Beginnt sie schon beim vermeintlichen „Kompliment“, das einer jungen Frau auf der Straße hinterhergerufen wird? Diese Woche bringt die Grüne Fraktion das Phänomen des „Catcalling“ mit einem Beschlussantrag in den Landtag. Denn hierzu gibt es Redebedarf.

Der Begriff „Catcalling“ definiert eine Form der sexuellen Belästigung im öffentlichen Raum durch anzügliches Anreden, Nachrufen, Nachpfeifen oder sonstige Geräusche. Catcalling wird oft als banales Kompliment abgetan. In Wirklichkeit fühlen sich viele Frauen und Mädchen durch diese Praxis eingeschüchtert. Und sie sind in ihren täglichen Bewegungen eingeschränkt. Eine Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen etwa ergab, dass eine große Mehrheit der Betroffenen nach Catcalling-Vorfällen ängstlicher wurde. So mieden 40% der Befragten danach bestimmte öffentliche Orte, während 8% sogar ihren Kleidungsstil änderten.

„Man fragt sich oft, wann die Gewalt beginnt. Fängt es schon mit einem vermeintlichen Kompliment an? Einem Nachpfeifen auf offener Straße? Einer „Wertschätzung“ für Beine, Hintern und Brüste? Wir denken ja, und dies wird durch Statistiken und Erfahrungsberichte von Mädchen bestätigt, die ihr Selbstvertrauen verlieren und anfangen, aus Angst vor solchen Vorfällen gewisse Straßen zu vermeiden und andere Kleidung zu tragen. Der öffentliche Raum gehört allen in gleichem Maße. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass es für eine Frau umständlicher oder gar gefährlicher ist, sich auf der Straße zu bewegen“, ist die Erstunterzeichnerin des Beschlussantrags, Landtagsabgeordnete Brigitte Foppa, überzeugt.

Vor kurzem hatte die als Musikerin Camilla Cristofoletti die bei der Pressekonferenz anwesend war, das Thema in den sozialen Medien angesprochen: „Es handelt sich um eine Form der Belästigung, die meiner Meinung nach noch nicht die notwendige öffentliche Aufmerksamkeit erhält. Als ich einmal laut auf einem Angriff reagiert habe, zog nicht er, sondern ich die verärgerten Blicke der Passant:innen auf mich. Ich erinnere mich, dass ich mich sicherer gefühlt hätte, wenn all diese Menschen ihren verurteilenden Blick auf ihn gerichtet hätten, und er hätte vielleicht sein Verhalten geändert. Information ist meiner Meinung nach ein wichtiger erster Schritt, um das Bewusstsein der Gesellschaft zu schärfen.“

Die Istanbul-Konvention ordnet verbale sexuelle Gewalt als geschlechtsspezifische Gewalt ein, da sich die Vorfälle überwiegend gegen Frauen richten. Catcalling ist eine Form der verbalen sexuellen Gewalt. Im Gegensatz zu anderen EU-Staaten wurde dieser Art der sexuellen Gewalt jedoch in Italien bisher noch nicht in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Dennoch wäre es wichtig, dies zu tun. Tatsächlich ist Catcalling sowohl ein Akt der Einschüchterung als auch ein Machtspiel, das zu so genanntem „Victim Blaming“ führt, einem Begriff, der die Opfer-Täter-Umkehr beschreibt, wonach es das Opfer ist, das es „herausfordert“.

Es geht nicht darum, das Flirten zu verbieten. Wenn wir aber anfangen, über diese Dynamik zu sprechen, wird uns bewusst, wie unterschiedlich sicher sich Frauen und Männer im öffentlichen Raum fühlen. „Ich bin mir sicher, dass den Männern, die sich so verhalten, bewusst ist, dass sie dabei Macht ausüben“, kommentiert Riccardo Dello Sbarba. Die Erkenntnis, dass es sich um eine Form der verbalen sexuellen Gewalt handelt, ist der erste Schritt. Sensibilisierung, Information und Erziehung innerhalb und außerhalb der Schulen durch Kommunikationskampagnen und Workshops können zu einer stärkeren Sensibilisierung der Gesellschaft insgesamt und zur Entwicklung eines korrekteren und respektvolleren Verhaltens führen.

 

Bozen, 24.11.2022

Landtagabgeordnete

Brigitte Foppa

Riccardo Dello Sbarba

Hanspeter Staffler

Minderheitenbericht zum Landesgesetzentwurf Nr. 116/22 „Änderungen des Landesgesetzes Nr. 13/1998 – Wohnbauförderungsgesetz“.

Seit mindestens 10 Jahren, wenn nicht schon seit noch länger, gilt im Hinblick auf das Wohnen in Südtirol das Mantra: „Es braucht eine Wohnbaureform“. Von Seiten der Regierungsmehrheit lautet dieses Mantra leicht abgewandelt: „Nächstes Jahr kommt die Wohnbaureform“.

Die Gründe für diese Notwendigkeit liegen auf der Hand. Während genanntes Mantra heruntergebetet wird, steigen die Preise der Wohnungen in Südtirol ins Endlose. Mietwohnungen sind im Lande, vor allem in der Landeshauptstadt Bozen, kaum zu finden, und wenn ja, dann nur zu horrenden Preisen. Junge Menschen können es sich meist schlicht nicht leisten von zu Hause auszuziehen. Wenn überhaupt, dann ist das meist nur in Form von Wohn- oder Lebensgemeinschaften möglich. Wer allein ist, muss einen Großteil des Lohnes für Miete oder Kreditrückzahlung im Falle eines Wohnungskaufs aufwenden.
Eine Zahl für alle: laut ASTAT muss eine Familie (vor der Energiepreissteigerung von 2022) 41% ihrer Ausgaben für das Wohnen kalkulieren. Im Wohnen liegt also ein wesentlicher Wohlstandsfaktor (oder, anders gesagt, ein wesentlicher Verarmungsfaktor). Wohnen ist die soziale Frage schlechthin in unserem Wohlstandsland Südtirol.

Das alles hat dazu geführt, dass das eingangs genannte Mantra sämtliche Aussagen der jeweils zuständigen Landespolitiker:innen geprägt hat. Im Jahr 2022 sollte die Reform nun endlich kommen. Und sie ist gekommen. Sie ist einerseits ein Beispiel für nicht gelingende politische Prozesse. Zugleich ist das Ergebnis mager, die Auswirkungen werden minimal sein – ob positiv oder negativ, das wird sich erst noch zu zeigen haben.

Die Reform: Ein politischer Pannenstreifen

Ausgangspunkt der Reform ist das Landesgesetz Nr.13 von 1998 (Wohnbauförderungsgesetz). Ein Gesetzesmonstrum mit 151 Artikeln, das nur für Expert:innen wirklich erschließbar ist. In seiner Form und in seiner Wortwahl ist es heute klar überaltert. Außerdem hatte das (ebenfalls unter einem schlechten Stern geborene) Gesetz „Raum und Landschaft“ von 2018 einige Rahmenbedingungen geändert, was seinerseits zu Anpassungen nötigte.

Das Wohnbaugesetz von 1998 umfasste die gesamte Materie des sozialen Wohnbaus (also des WOBI, das Wohnungen an Bedürftige vermietet) und des geförderten Wohnbaus (also die Bezuschussung für Private oder Genossenschaften, die Wohnungen bauen, kaufen oder sanieren). Das ist das Gerüst des Wohnbaus in Südtirol jenseits des freien Marktes, der sich natürlich in einer Wechselwirkung zum geförderten Markt entwickelt hat und dies auch weiterhin tun wird.

Die Reformierung der Materie führte in einem ersten Schritt dazu, die Materie des WOBI aus dem Gesetz zu nehmen und in einem eigenen LGE (104/21) zu bündeln. Mit dem WOBI-Gesetzentwurf hat sich der zuständige Gesetzgebungsausschuss in mehreren Sitzungen befasst. Dabei musste dieser erst regelrecht darum kämpfen, sich fundiert damit auseinandersetzen zu können. Es gab Beschleunigungsversuche und Interventionen. Die Landesrätin wollte sogar mitbestimmen, wer im Gesetzgebungsausschuss anzuhören sei und versuchte gar, „oppositionelle Vertretungen“ in der Anhörung zu verhindern.
Unbeirrt gingen die Ausschussmitglieder ihren Weg, informierten sich auch in einer Studienreise nach Wien über andere Formen des öffentlichen Wohnbaus – Formen, die zu wesentlich günstigeren Mieten und zu mehr Sicherheit über dauerhaftes Wohnen für die Bürger:innen führen, als es in Südtirol der Fall ist. Im Juli 2022 wurde das Landesgesetz zum öffentlichen und sozialen Wohnbau (LG Nr. 5/22) schließlich vom Südtiroler Landtag verabschiedet.

Nach dem holprigen Beginn der Arbeiten im Ausschuss waren einige kleine Verbesserungen möglich gewesen. Die „Ursünde“ des Gesetzes, nämlich dass fast alle Regelungen zum WOBI allein von der Landesregierung beschlossen werden, blieb bestehen. Nur die wichtigsten Durchführungsverordnungen, vor allem jene zu den Kriterien der Zuweisung und zum Landesmietzins (!), werden künftig nach Anhörung der Sozialpartner erstellt werden. Der Landtag wird zumindest durch ein Gutachten des für den Wohnbau zuständigen Gesetzgebungsausschusses in die Erstellung der DfO eingebunden werden. Und eine Gewerkschaftsvertretung im WOBI-Verwaltungsrat konnte gesichert werden.

Die Grundprobleme des Gesetzes blieben aber bestehen, die da waren und sind:

  • die fehlende Anbindung an das Gesetz „Raum und Landschaft“
  • die genannte Delegierung fast aller wichtigen Regelungen an die Landesregierung
  • die bislang fehlende Klarheit über den Landesmietzins
  • den Zugang auch der Mittelschicht zu den WOBI-Wohnungen, von denen es bereits jetzt zu wenig gibt
  • das „Enger-Stellen“ der Schraube durch Befristung der Mietverträge und Vorweisungszwang der Besitzdokumentation für ausländische Antragsteller:innen (auch für jene, die an diese Dokumente nicht heran kommen).

Insgesamt wurden mit dem WOBI-Gesetz über 50 Artikel aus dem Wohnbaugesetz entnommen. Sie werden großteils durch Durchführungsverordnungen ersetzt.

Damit begann Teil 2 der Stolperstrecke zur Wohnbaureform.

Im Sommer 2022 wurde dem Landtag ein Omnibusgesetz mit 24 Artikeln übermittelt, die die unterschiedlichsten Bereiche betrafen. Der letzte dieser Artikel bestand aus sage und schreibe 53 Absätzen, die die Neuregelung des geförderten Wohnbaus in einem einzigen Artikel vorsah.
Ein nie gesehener Vorgang. Als Vertreter:innen der politischen Minderheit verweigerten wir die Behandlung im Gesetzgebungsausschuss.
Erstens weil es undenkbar war, sich in kürzester Zeit und angesichts der Notwendigkeiten von Aussprachen und Anhörungen auf das Thema vorzubereiten. Vor allem aber wäre es durch die Geschäftsordnung des Landtags praktisch unmöglich gewesen, den Artikel fachgerecht zu behandeln. Laut Geschäftsordnung des Landtages müssen nämlich die Änderungsanträge der Abgeordneten „nach Artikeln“ (nicht nach Absätzen) behandelt werden. Das hätte geheißen, dass man sämtliche Änderungsanträge in einer einzigen Wortmeldung innerhalb 15 Minuten hätte erläutern müssen. Wenn man sich vorstellte, 2 Änderunganträge pro Absatz (dabei war ja jeder Absatz in Wirklichkeit ein Artikel) zu verfassen, dann hätte man 106 Anträge in 15 Minuten erläutern müssen.
Ein unvorstellbares Chaos. Es verwundert bis heute, dass das bei der Einreichung des Artikels nicht bedacht wurde – und es zeugt auch ein wenig von der Vergessenheit des Landtags in den Regierungsreihen.
Wie auch immer, nach Androhung, die Arbeiten im Ausschuss zu blockieren, wurde der LGE auf September vertagt.

Er wurde in einer informellen Anhörung im Landtag im August unter allgemeinem Desinteresse vorgestellt und nach einigen Auseinandersetzungen im Oktober im Gesetzgebungsausschuss behandelt. Der eine Artikel mit 53 Absätzen war nun in ein eigenes LGE mit 8 Artikeln gefasst worden, und die Einreichung war dem Abg. Renzler übertragen worden. Die etwas eigenartige Begründung lautete, dass der Weg über die Landesregierung „zu langwierig“ sei. Wir lassen dies unkommentiert.

Der LGE 116/22, der Gegenstand dieses Minderheitenberichtes ist, hat das Wichtigste versäumt, nämlich die überaus komplexe Materie zu ordnen, zu klären und zu reformieren – am sich gesteckten Ziel ist man also in weitem Bogen vorbeigefahren.
Man hätte die Materie des geförderten Wohnbaus in ein eigenes, neues Gesetz gießen können – wie es auch in mehreren Vorstufen des Gesetzes sowohl dieser Regierung als auch der Vorgängerregierungen geplant gewesen war. Man hätte die Begriffe ordentlich, verständlich und zeitgemäß definieren können. Man hätte auch Hand anlegen können an der Gesamtarchitektur der Förderung. Das alles wurde aufgegeben. Auf meine Nachfrage zu dieser Selbstaufgabe hieß es im Ausschuss, dass man das Risiko von Anfechtungen seitens der römischen Regierung minimieren wollte, was durch die Beibehaltung des bestehenden Gesetzes besser garantiert sei.
Aus welchem Grund auch immer, nun ist es so, dass der geförderte Wohnbau weiterhin mit dem LG 13 von 1998 geregelt bleibt. Diesem sind wie beschrieben die WOBI-Artikel ausgeklammert. Der LGE 116 legt nur in kleinen Teilen Hand an und berührt nur Randbereiche. Die wesentlichste Neuerung war im LGE, wie er vorgelegt wurde, nicht einmal enthalten. Dazu komme ich noch.

Bevor ich inhaltlich auf den LGE eingehe, möchte ich noch das blamable Finale dieses von A-Z verunglückten Gesetzgebungsprozesses beschreiben. Denn als nach mehreren Sitzungen, die zum Teil auch mehrmals für Besprechungen der Mehrheit unterbrochen werden mussten, schließlich die Behandlung des Art. 7 (Finanzbestimmung) anstand, passierte wiederum Nie Gesehenes: Die Finanzabteilung bzw. der Landesrat für Finanzen beanstandete in einem Schreiben den Gesetzestext:

Es muss festgestellt werden, dass unter Anderem noch etliche Elemente fehlen:

  • dem Gesetzentwurf wurde kein finanztechnischer Begleitbericht beigefügt. Somit kann die Angemessenheit der entsprechenden finanziellen Deckung nicht überprüft werden;
  •  eine Zuordnung der Mehrausgaben auf Artikelebene ist nicht erfolgt;
  •  eine klare finanzielle Beschreibung des Garantiefonds ist nicht vorhanden;
  • eine Anpassung der finanziellen Deckung an den zeitlichen Moment des Inkrafttretens ist zumindest laut der mit dem Ansuchen übermittelten Fassung des Gesetzentwurfes ebenfalls nicht erfolgt;
  • einige neue Artikel/Absätze scheinen sehr wohl Mehrausgaben mit sich zu bringen, die Deckung des Gesetzes wurde nicht geändert: o der in Art. 1 eingefügte Absatz 01, betreffend die Beiträge für den Erwerb von Flächen für den geförderten Wohnbau mittels Kaufvertrag gemäß Artikel 19 Absatz 3 des Landesgesetzes vom 10. Juli 2018, Nr. 9 in geltender Fassung;
  • der in Art. 6, eingefügte Absatz 03 mit dem die Mindestpunktezahl für den Bau und Kauf auf 20 Punkte gesenkt und vereinheitlicht werden (Erweiterung der Anzahl der Beitragsempfänger);
  • Art. 6, Absatz 3-bis, mit dem die Prozente für die einmaligen Beiträge um bis zu 5 Prozentpunkte erhöht werden können.

Aus diesen Gründen kann im Moment noch kein Gutachten erteilt werden.

Der Finanzlandesrat lehnte es ab, ein Gutachten zu erteilen – eine, sagen wir, ungewohnte Vorgangsweise, wird doch im Normalfall im Vorfeld um eine Einigung gerungen. Fanden die Auseinandersetzungen bisher außerhalb des Gesetzgebungsausschusses statt, so waren diesmal die Ausschussmitglieder Zeug:innen großer Peinlichkeit. Es gibt nur zwei Erklärungen für diesen Vorfall: Entweder das Wohnbauressort hat tatsächlich ein völlig mangelhaftes Gesetz auf den Weg gebracht. Oder das LH-Ressort verweigert die Finanzierung der Vorhaben auf diese Weise, die die Wohnbaulandesrätin offen blamiert. Der wahre Hintergrund bleibe hier dahingestellt.

Interessanterweise gab es im Anschluss an diesen Eklat einen, sagen wir in diesem Fall, unkonventionellen „Ausweg“. Der Abg. Renzler, Erstunterzeichner des LGE tat das, wovon alle Einbringer:innen von Gesetzesvorhaben nur träumen können – er bedient sich in der von ihm daraufhin vorgelegten Finanzbestimmung großzügig aus dem Sammelfonds für neue Gesetzesvorhaben: im Ausmaß von 3,5 Millionen für 2023 und 7,8 Mio. für 2024. Ja, wenn das immer so einfach ist, wäre man geneigt zu sagen.

Der entsprechende Artikel wurde mit 4:3 Stimmen im Ausschuss angenommen. Es wirkte, als ob man ein einstürzendes Haus mit Klebestreifen zusammenhalten wollte.

Angesichts dieses wirklich verunfallten Prozesses wirkten die Ausschussmitglieder und auch die begleitenden Beamt:innen am Ende der Arbeiten sichtlich gerädert. Man sprach von „Qualen“, von durchlittenen Stunden, ja von einer „Schwergeburt“.
Diese Bilder beschreiben gut, wie die Arbeit am LGE 116 erlebt wurde. In diesen Beschreibungen liegt auch der Grund, warum die Unterzeichnende beschlossen hat, den Prozess in einem Minderheitenbericht für die Außen- und Nachwelt aufzuzeichnen.
Denn in den beschriebenen Phasen, Abläufen und Auseinandersetzungen spiegelt sich sehr prägnant die Stimmung der XVI. Legislaturperiode des Südtiroler Landtags, insbesondere in ihrer Endphase. Die Bruchlinien sind aufgeworfen und treten nunmehr offen zutage.
Während sich die Minderheit zunehmend solidarisiert und zusammenarbeitet, scheint die Loyalität innerhalb der Mehrheit gebrochen. Man hat keine Hemmung, sich gegenseitig zu behindern und zu blamieren. Die Dinge scheinen oft nicht abgesprochen und meistens auch nicht ausgehandelt. Für die Themen, die einer guten Verwaltung und einer fundierten Weiterentwicklung harren würden, ist das eine sehr schlechte Voraussetzung. Dass sich ein Land inmitten derartiger Krisen ein derartiges politisches Missmanagement leistet, ist fahrlässig.

Und was wurde letztlich „geboren“?

Der LGE 116 ist keineswegs eine Vereinfachung oder Neuausrichtung der gesamten Materie.

Er beinhaltet zunächst einige kleine Anpassungen an das neue Raumordnungsgesetz.

Eine bürokratische Erleichterung stellt sicher die neue Auflösung der Sozialbindung dar. Sie ist, daran sei in diesem Zusammenhang erinnert, seit 2016 auf 10 Jahre begrenzt, was nicht im Sinne des Gemeinwohls sein kann. Eine Förderung, die unter gewissen Bedingungen erfolgt, geht nach nur zehn Jahren in das Eigentum der Besitzerin oder des Besitzers über, die Wohnung kann in der Folge bedingungslos verkauft werden. Wir finden das nicht richtig. Dass aber die Löschung der Bindung, bisher eine langwierige und auch für die Verwaltung aufwändige Operation, künftig rein über einen Antrag an das Grundbuchamt erfolgen soll, ist zu befürworten.

Ebenso kann die Aufnahme von innovativen Wohnmodellen wie generationenübergreifendes Wohnen oder Co-Housing sowie die Aufmerksamkeit auf Menschen mit Beeinträchtigung für die Wohnbauförderung gutgeheißen werden.

Unterstützenswert ist ebenfalls die „zwangsweise“ Ausweisung von Bauland für den geförderten Wohnbau, wie in Art. 6 gefordert. Bei Untätigkeit der Gemeinde kann künftig von Amts wegen von der Landesregierung Bauland für den geförderten Wohnbau ausgewiesen werden. Vom Rat der Gemeinden kam scharfer Gegenwind. Es werde hier die Autonomie der Gemeinden verletzt, so das Gutachten des Rates. Indessen ist diese Maßnahme sehr wichtig, angesichts der dramatischen Lage des zugänglichen Wohnens in Südtirol bietet sich hier Handlungsspielraum.

Völlig die Zielrichtung verfehlt wird indessen mit der geplanten Einrichtung eines – seit Langem geforderten – Garantiefonds für Vermieter:innen.
Der vom LGE vorgeschlagene Fonds soll von den Vermieter:innen selbst eingerichtet werden, mit dem Ziel eventuelle Zahlungsausfälle von säumigen Miter:innen rückzuerstatten. Die Landesregierung unterstützt die Einrichtung und Führung des Fonds mit öffentlichen Mitteln. Dieser Fonds ist rein auf die Vermieter:innen fokussiert, die Mieter:innen sind aus dem Blickfeld.
Dabei wäre es ein weit besserer Ansatz, den Mieter:innen, die unverschuldet zahlungsunfähig werden, unter die Arme zu greifen. Ein entsprechender Änderungsantrag der grünen Fraktion wurde abgelehnt.
Interessant ist, dass im Nachfeld der Sitzung im Gesetzgebungsausschuss sowohl die Mieter- als auch die Vermietervertretungen darauf hingewiesen haben, dass die Einbindung der Mieter:innen in den Fonds (wie auch auf staatlicher Ebene vorgesehen) weit sinnvoller wäre. Es wird zu sehen sein, ob diese Anregungen in der Debatte im Landtagsplenum aufgenommen werden. Es wäre wünschenswert.

An der „Lex Anti-Vallazza“ arbeitete sich die Mehrheit intern auch im Laufe der Sitzung ab, nicht ohne Konflikte. Auch der Rat der Gemeinden erhob seine Stimme zur Sache. In der ursprünglichen Version war vorgesehen, dass die Zuweisung eines geförderten Baugrundes „an die vorigen Eigentümer der enteigneten Flächen oder deren Verwandte und Verschwägerte“ nicht mehr zulässig sein sollte.
Damit wollte man weitere Fälle des Ausreizens der Regelung verhindern. Der Präsident des Rates der Gemeinden gab vehement zu bedenken, dass mit diesem Vorschlag ganze Weiler „aussterben“ würden.
Der Ausweg aus dem Dilemma wurde nach längeren „Beratungen“ von den Abg. Locher und Bacher vorgelegt. Sie schlagen vor, dass die Zuweisung von enteigneten Baugründen an die vorigen Besitzer:innen bzw. deren Verwandte zulässig ist, allerdings ohne dass ein Beitrag ausgezahlt wird (was an und für sich logisch sein müsste). Dies immer dann (und nur dann), wenn die Aufteilung 60:40 (60% des Grundes vorbehalten für den geförderten Wohnbau) und wenn der vormalige Eigentümer auf 40% der Fläche eine Wohnung von 495 Kubikmetern hätte errichten können.
Dieser Vermittlungsvorschlag erhielt im Ausschuss nur die 4 Stimmen der Mehrheit. Die Minderheitsverteter:innen stimmten für den ursprünglichen Vorschlag, der dieser Praxis grundsätzlich ein Ende bereitet hätte.

Schließlich ist noch auf den vielleicht bedeutsamsten Teil der Wohnbaureform zu kommen. Er war im vorgelegten Text gar nicht vorhanden, sondern entstand erst aus der Debatte im Ausschuss. Auslöser war ein Änderungsantrag der Freiheitlichen Fraktion mit dem Vorschlag, die Mindestpunktezahl zum Zugang zur Wohnbauförderung von derzeit 23 Punkten auf 20 Punkte zu senken.
Dieser Vorschlag griff eine alte (mindestens 9 Jahre, wie Abg. Renzler bei seiner Stimmabgabeerklärung sagte) Forderung auch der Arbeitnehmerinnen-Vertretungen auf, da das Erreichen der 23 Punkte für viele, junge Ansuchende, aber nicht nur, eine zu hohe Hürde darstellt. Bisher war es nie möglich gewesen, diese Punktezahl zu senken.
Der Druck muss groß gewesen sein. Denn im Zuge der Debatte im Ausschuss war es nun möglich, die Punktezahl herabzusetzen. Nicht, indem der Änderungsantrag der Freiheitlichen angenommen wurde, das nicht. Aber indem derselbe Grundsatz in einen Antrag an anderer Stelle ins Gesetz geschrieben wurde. Vom Abg. Locher natürlich. Auch diese „Spielchen“ sind Teil der Orientierungslosigkeit, die wohl auf der Angst vor Machtverlust gründen. Kein Moment der Größe.

Insgesamt ist die Überarbeitung der Materie des geförderten Wohnbaus nicht gelungen. Die Wohnbaureform in Südtirol bleibt auch nach diesem Gesetz eine lange Ankündigungsgeschichte ohne Lösung. Auch künftig werden sich die Bürger:innen Südtirols, die auf einen Beitrag zum Wohnen hoffen, durch ein weitgehend unlesbares Gesetz mit über 150 Artikeln quälen müssen. Es wird einige Erleichterungen geben, vor allem was die Aufhebung der Sozialbindung betrifft. Die Wohnbauförderung wird zugänglicher werden. Wie die Finanzierung hierfür (wenn mehr Menschen Zugang zur Förderung haben, braucht es auch mehr Geld) gesichert wird, ist bis dato unklar.

Aus dem großen Dilemma des Wohnens in Südtirol (zusammenfassbar wie folgt: „Das Kaufen ist zu teuer, das Mieten unmöglich“) führt auch dieses Gesetz nicht heraus. Wenn heutzutage die (geförderte) Wohnung in einem Reihenhaus in einer mittleren Gemeinde 600.000 Euro kostet, dann ist ziemlich viel schief gelaufen. Und daran wird sich nicht so schnell etwas ändern.

 

Bozen, 14.11.2022

Landtagsabgeordnete

Brigitte Foppa

 

 

ANFRAGE ZUR AKTUELLEN FRAGESTUNDE.

Am 22.09.2022 berichtete das Wochenmagazin ff über eine eventuell geplante Trassen- und Bahnhofsverlegung im Raum von Terlan. Probebohrungen hätten Grundeigentümer und Bürger:innen auf das Thema aufmerksam gemacht. Aus dieser Mitteilung leiten wir ab, dass erste planerische Schritte laufen, um den dringend notwendigen Ausbau der Bahnstrecke von Bozen und Meran anzugehen.

Daher richten wir folgende Fragen an die Landesregierung:

  1. Welche Planungsschritte sind in welchen Zeiträumen geplant?
  2. Gibt es bereits ein Variantenstudium über den Verlauf der neuen Bahntrasse?
  3. Falls ja, ersuchen wir um Aushändigung der entsprechenden Planunterlagen.
  4. Welche Bahnhöfe müssen voraussichtlich verlegt werden?

 

Bozen, 26.09.2022

Landtagsabgeordnete

Hanspeter Staffler

Brigitte Foppa

Riccardo Dello Sbarba

 

Hier die Antwort der Landesregierung und der Anhang dazu.

ANFRAGE ZUR SHCRIFTLICHEN BEANTWORTUNG.

In der vergangenen Woche sorgte ein „Kunst-Ereignis“ für Schlagzeilen. Wo? Im Nachbarland Österreich, die Nachrichten erreichten jedoch auch Südtirol. Hauptdarsteller der Causa: Der Multi-Media-Künstler André Heller, der auch in Südtirol bekannt ist, vor allem in Brixen, da er den dortigen Hofburggarten neu gestalten soll. Ein Projekt, das bei der Brixner Bevölkerung nicht durchwegs auf Zustimmung – bei der Brixner Verwaltung hingegen auf große – Gegenliebe stößt. Und so sieht es derzeit ganz danach aus, als käme Herr Heller im Hofburggarten als Projektant zum Zuge.

Kürzlich kam André Heller jedoch nicht wegen des Brixner Hofburggartens in den medialen Fokus, sondern weil er einen Rahmen des US-amerikanischen Künstlers Jean-Michel Basquiat gefälscht und diesen als Original für 800.000 Dollar verkauft hat. Herr Heller gibt die Tatsache unumwunden zu.

Die Initiativgruppe für einen offenen Hofburggarten versandte Anfang November eine Pressemitteilung, in der sie die berechtigte Frage stellte, ob die Gemeinde Brixen Heller nach den jüngsten Ereignissen mit der Neugestaltung des Brixner Hofburggartens beauftragen wolle. Zumal in der Vergangenheit des Öfteren Zweifel aufkamen, ob das spektakuläre und wohl vor allem dem Massentourismus dienliche Projekt von einer Mehrheit der Brixner:innen mitgetragen wird.

Daher richten wir folgende Fragen an die Landesregierung:

  1. Wie beurteilt die Landesregierung, die mit rund 8 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt zur Finanzierung des Brixner Hofburggartens beiträgt, den „Kunstskandal Heller“?
  2. Wird die Landesregierung die Auftragsvergabe an André Heller für die Gestaltung des Hofburggartens zusammen mit der Gemeinde Brixen im Auge behalten bzw. neu bewerten?
  3. Wie wird die Landesregierung im Einvernehmen mit der Gemeinde Brixen im Falle von Ermittlungen in Österreich den Auftrag an Heller überprüfen lassen?
    1. Wird man in diesem Fall der Gemeinde Brixen eine Stornierung des Auftrags nahelegen?
  4. Wie wird die Abteilung Denkmalpflege im Lichte dieser bedenklichen Praktiken André Hellers dessen Vorlage zum Hofburggarten überprüfen?

Bozen, 07.11.2022

 

Landtagsabgeordnete | Cons. prov.

Brigitte Foppa

Riccardo Dello Sbarba

Hanspeter Staffler

PRESSEMITTEILUNG.

Der Landeshaushalt 2023 beläuft sich auf 6,7 Mrd. Euro und liegt nominal leicht über dem Landeshaushalt des Jahres 2022. „Wegen der Inflation von rund 10% zwischen September 2021 und September 2022 ist die Kaufkraft des Haushaltes 2023 deutlich geringer“ sagt der Grüne Landtagsabgeordnete Hanspeter Staffler.
Es zeichnet sich jetzt schon klar ab, dass der Bereich Pflege, Soziales und Familie stark unterfinanziert ist und dass es laut Schätzung der Grünen Fraktion noch zusätzliche 100 Millionen Euro brauchen wird.
Abgelehnt wurde von der Mehrheit unser Änderungsantrag, Geldmittel für den Bereichsübergreifenden Kollektivvertrag vorzusehen. „Alles wird teurer und die öffentlich Bediensteten sollen zum x-ten Mal durch die Finger schauen!“ sagt Hanspeter Staffler. Ohne eine substantielle Anhebung des Grundlohnes wird der öffentliche Dienst immer unattraktiver und viele Dienste für die Bevölkerung drohen zusammenzubrechen.

BZ,18.11.2022

Landtagsabgeordnte

Hanspeter Staffler

Brigitte Foppa

Riccardo Dello Sbarba

PRESSEMITTEILUNG.

Die Grüne Fraktion wollte von der Landesregierung ein Update rund um den Neubau des überdimensionierten Schlachthofes Bozen erfahren. Doch der Aussagegehalt der Antwort war sehr karg.

Der geplante neue Schlachthof in Bozen und die Neuregelung der Privatschlachtungen haben die Grüne Fraktion dazu veranlasst, die Landesregierung um den neuesten Stand der Dinge zu bitten. Die Antwort war in ihrer Knappheit doch sehr aussagekräftig: Die längst fällige Überarbeitung der Neuregelung der Privatschlachtungen lässt auf sich warten. Mehr kann man aus der Antwort des Landesrates (siehe Anhang) nicht herauslesen. Dabei wäre eine rasche Neuregelung von immenser Wichtigkeit: Es geht um das Tierwohl und um mehr Transparenz in der Fleischproduktion in Südtirol.

Auch lesen wir, dass die Planung des Schlachthofs nicht vorangekommen sei und man zurzeit keine Auskunft zu möglichen Standorten oder anderem geben könne. In Anbetracht der immensen Förderungen von 8 Millionen Euro und der angeblichen Dringlichkeit des Projektes erstaunt dies doch etwas. Die Grünen möchten anregen, dies zum Anlass zu nehmen, den Neubau nochmals zu überdenken und das Geld in die dezentrale Schlachtung zu investieren. Somit wäre allen geholfen: Den Landwirt:innen, welche ihre Tiere nicht durch das ganze Land karren müssen und den Tieren, die nicht durch lange Transporte gestresst werden.

 

BZ. 19.11.2022

Landtagsabgeordnete
Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba
Hanspeter Staffler

PRESSEMITTEILUNG.

Per Beschluss vom 13. September 2022 hat die Landesregierung trotz zahlreicher Bedenken des Amtes für Umweltverträglichkeitsprüfung das Projekt zur Erneuerung der Aufstiegsanlage Sonnenlift mit Erweiterung der zugehörigen Skipisten in der Gemeinde Ahrntal genehmigt. Diese Erweiterung sieht einen massiven Eingriff in das Landschaftsbild durch hohe Kunstbauten vor. Das Skigebiet grenzt an ein Natura 2000-Gebiet, ein wichtiger Lebensraum für Auerwild. Zweifel stellen sich auch für die Wasserverfügbarkeit, für die Auswirkungen auf den Naturpark Rieserferner-Ahrn. Wie ist der vor kurzem genehmigte Klimaplan Südtirol und die Nachhaltigkeitspropaganda des Landes mit einer solchen Entscheidung gegen den Landschaft- und Umweltschutz vereinbar, fragen sich die Grünen.

Im delikaten Ökosystem der Alpen schreitet die Klimaerwärmung schneller voran als im globalen Durchschnitt. Die Alpen sind die wichtigste Süßwasserquelle Europas und ein Schatz an Biodiversität. Sie sind aber auch Lebensraum und Wirtschaftsraum, der vor allem durch den Tourismus geprägt ist. Die Tourismusfachfrau aus Abtei, Elide Mussner und der Landtagsabgeordnete der Grünen, Hanspeter Staffler fragen sich: „Wie soll der Tourismus in den Alpen zukunftsfähig gestaltet werden, wenn wir hier und jetzt nicht bereit sind, den Naturraum der Alpen zu schützen?“

Mit dem Projekt im Ahrntal würden nicht nur Fauna und Flora stark beeinträchtigt werden, auch der touristische Mehrwert erscheint durch den geplanten Eingriff fraglich, da Landschaft verbaut wird.

Im Umweltverträglichkeitsbericht stimmt man zwar der Verlegung der Talstation zu, aber weder der Verlegung der Bergstation nach oben, noch der gewünschten Pistenerweiterung. Die Pistenerweiterung bedeutet Waldrodungen (über 5 ha) und führt zu Lebensraumverlust von geschützter Flora und Fauna. Mehrere Arten der roten Listen, wie zum Beispiel das Auerhuhn, sind hier zuhause.

Nichts desto trotz, hat die Landesregierung einstimmig beschlossen, die Eingriffe zu genehmigen.

„Das Gespenst, das dabei unvermeidlich mitschwebt, ist die Idee einer Zusammenschließung der beiden Skigebite Klausberg und Speikboden“, berichtet Elide Mussner nach einem Austausch mit Bürger*innen aus dem Ahrntal.

Wissenschaftliche Studien bezeugen, dass sich die klimatischen Bedingungen in den nächsten 15 bis 20 Jahren so stark verändern werden, dass viele Skigebiete nicht mehr rentabel betrieben werden können. Und obwohl die Wasserressourcen im heilen Südtirol langsam knapp werden, fördert die Landesregierung wasser- und stromfressende Pistenprojekte.

Der Appell der Grünen an die Landesregierung: Schluss mit Greenwashing! Es ist Zeit, die Klimakrise und unsere Zukunft ernstzunehmen – nicht nur durch schöne Worte, sondern auch durch kohärente Fakten.

Bozen, 18.11.2022

Elide Mussner, Tourismus Referentin Abtei
Cons. prov.
Verdi Grüne Vërc
Hanspeter Staffler
Riccardo Dello Sbarba
Brigitte Foppa

BESCHLUSSANTRAG.

Der Begriff Catcalling, der sich mit „Katzengejammer“ übersetzen lässt und ursprünglich die Buhrufe im Theater bezeichnete, ist weit weniger harmlos als dieser Anglizismus vermuten lässt. Gemeint ist damit sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum durch anzügliches Anreden, Nachrufen, Nachpfeifen oder sonstige Geräusche. Diese Art der sexuellen Belästigung ist für viele Frauen Alltag, auch minderjährige Personen sind davon stark betroffen. Es passiert auf viel frequentierten Straßen und Plätzen genauso wie in öffentlichen Verkehrsmitteln und auf dem Dorffest.

Sexuelle Belästigung ist allgegenwärtig, die Anzahl an Erfahrungen mit Nachpfeifen oder sexuell expliziten Aufforderungen ist hoch. In Deutschland etwa geben 63% der Frauen an, schon einmal sexuell belästigt worden zu sein. In Frankreich sind es sogar 86%. Ein Großteil dieser Belästigungen geschieht verbal und/oder durch Gesten und auf öffentlichen Plätzen. Darunter leiden besonders junge Frauen, in Deutschland waren 2 von 3 Betroffenen unter 25 Jahren.

Oft als Kavaliersdelikt bagatellisiert, oder schlimmer noch als Kompliment abgetan, traumatisiert Catcalling Betroffene, schüchtert und schränkt sie in ihrem Alltagsleben ein. Eine Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen etwa ergab, dass eine große Mehrheit der Betroffenen nach Catcalling-Vorfällen ängstlicher wurde. So mieden 40% der Befragten danach bestimmte öffentliche Orte, während 8% sogar ihren Kleidungsstil änderten.

Catcalling ist eine Form verbaler sexueller Gewalt. Die Istanbul Konvention ordnet verbale sexuelle Gewalt als geschlechtsspezifische Gewalt ein, da sich die Vorfälle überwiegend gegen Frauen richten.

In den meisten europäischen Ländern ist Catcalling nicht strafbar. In Frankreich, Portugal, Belgien und in den Niederlanden hingegen ist der Tatbestand von Catcalling strafbar und wird entweder mit Geldstrafen, aber auch mit Gefängnis sanktioniert.

In Italien regelt der Artikel 660 des Strafgesetzes den Tatbestand der Belästigung oder Störung von Personen (reato di molestia o disturbo alle persone) und wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe von bis zu 516 Euro geahndet. Catcalling fällt aktuell nicht in diesen Tatbestand.

Dabei wäre besonders die Signalwirkung wichtig: Die klare Aussage des Gesetzgebers, dass dieses Verhalten inakzeptabel ist. Denn sexuelle Gewalt beginnt oft unbemerkt, mit einer degradierenden Bemerkung, einem objektivierenden Kommentar. Catcalling ist Einschüchterung und Machtspiel und zieht Victim-Blaming mit sich. Damit ist die Opfer-Täter-Umkehr gemeint, eine Frau (die meisten Betroffenen sind Frauen) habe es durch ihre Kleidung oder ihr Verhalten „herausgefordert“. Wird Catcalling verharmlost und von einer Mehrheitsgesellschaft toleriert, kann dies schnell in einer Gewaltspirale enden – auf verbale Gewalt folgt oft physische.

In der Diskussion um Catcalling geht es nicht um ein „Flirtverbot“ auf öffentlichen Straßen, sondern darum Bewusstsein zu schaffen, wie es ist, wenn frau sich im öffentlichen Raum nicht sicher fühlt. Wichtig ist vor allem, hier eine gesellschaftspolitische Debatte anzustoßen, damit Bewusstseinsbildung zu diesem Phänomen entstehen kann.

Daher beauftragt der Südtiroler Landtag die Landesregierung:

  1. Das Phänomen „Catcalling“ als Form verbaler sexuellen Gewalt anzuerkennen, gegen das es gezielt vorzugehen gilt und verstärkt auf das Problem aufmerksam zu machen.
  2. Den Internetauftritt „Gewalt hat viele Gesichter“ um das Thema Catcalling als eine Form der verbalen sexuellen Gewalt zu ergänzen.
  3. Gemeinsam mit Kooperationspartner:innen (Gleichstellungsbüro, Frauenorganisationen, Polizei, Justiz….) Schulungen, Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagnen zu starten.
  4. In allen Schulstufen das Thema Catcalling in themenspezifische Workshops bzw. in den regulären Unterricht zu integrieren. Körperliche Autonomie und heteronormative Männlichkeitsbilder sollen dabei besonders im Fokus stehen.

Bozen, 25.10.2022

Landtagsabgeordnete

Brigitte Foppa

Riccardo Dello Sbarba

Hanspeter Staffler

 

Foto: American Girl in Italy, 1951, Ruth Orkin