HomeDeutschWohnbaureform: Chronik einer „Schwergeburt“

Wohnbaureform: Chronik einer „Schwergeburt“

Minderheitenbericht zum Landesgesetzentwurf Nr. 116/22 „Änderungen des Landesgesetzes Nr. 13/1998 – Wohnbauförderungsgesetz“.

Seit mindestens 10 Jahren, wenn nicht schon seit noch länger, gilt im Hinblick auf das Wohnen in Südtirol das Mantra: „Es braucht eine Wohnbaureform“. Von Seiten der Regierungsmehrheit lautet dieses Mantra leicht abgewandelt: „Nächstes Jahr kommt die Wohnbaureform“.

Die Gründe für diese Notwendigkeit liegen auf der Hand. Während genanntes Mantra heruntergebetet wird, steigen die Preise der Wohnungen in Südtirol ins Endlose. Mietwohnungen sind im Lande, vor allem in der Landeshauptstadt Bozen, kaum zu finden, und wenn ja, dann nur zu horrenden Preisen. Junge Menschen können es sich meist schlicht nicht leisten von zu Hause auszuziehen. Wenn überhaupt, dann ist das meist nur in Form von Wohn- oder Lebensgemeinschaften möglich. Wer allein ist, muss einen Großteil des Lohnes für Miete oder Kreditrückzahlung im Falle eines Wohnungskaufs aufwenden.
Eine Zahl für alle: laut ASTAT muss eine Familie (vor der Energiepreissteigerung von 2022) 41% ihrer Ausgaben für das Wohnen kalkulieren. Im Wohnen liegt also ein wesentlicher Wohlstandsfaktor (oder, anders gesagt, ein wesentlicher Verarmungsfaktor). Wohnen ist die soziale Frage schlechthin in unserem Wohlstandsland Südtirol.

Das alles hat dazu geführt, dass das eingangs genannte Mantra sämtliche Aussagen der jeweils zuständigen Landespolitiker:innen geprägt hat. Im Jahr 2022 sollte die Reform nun endlich kommen. Und sie ist gekommen. Sie ist einerseits ein Beispiel für nicht gelingende politische Prozesse. Zugleich ist das Ergebnis mager, die Auswirkungen werden minimal sein – ob positiv oder negativ, das wird sich erst noch zu zeigen haben.

Die Reform: Ein politischer Pannenstreifen

Ausgangspunkt der Reform ist das Landesgesetz Nr.13 von 1998 (Wohnbauförderungsgesetz). Ein Gesetzesmonstrum mit 151 Artikeln, das nur für Expert:innen wirklich erschließbar ist. In seiner Form und in seiner Wortwahl ist es heute klar überaltert. Außerdem hatte das (ebenfalls unter einem schlechten Stern geborene) Gesetz „Raum und Landschaft“ von 2018 einige Rahmenbedingungen geändert, was seinerseits zu Anpassungen nötigte.

Das Wohnbaugesetz von 1998 umfasste die gesamte Materie des sozialen Wohnbaus (also des WOBI, das Wohnungen an Bedürftige vermietet) und des geförderten Wohnbaus (also die Bezuschussung für Private oder Genossenschaften, die Wohnungen bauen, kaufen oder sanieren). Das ist das Gerüst des Wohnbaus in Südtirol jenseits des freien Marktes, der sich natürlich in einer Wechselwirkung zum geförderten Markt entwickelt hat und dies auch weiterhin tun wird.

Die Reformierung der Materie führte in einem ersten Schritt dazu, die Materie des WOBI aus dem Gesetz zu nehmen und in einem eigenen LGE (104/21) zu bündeln. Mit dem WOBI-Gesetzentwurf hat sich der zuständige Gesetzgebungsausschuss in mehreren Sitzungen befasst. Dabei musste dieser erst regelrecht darum kämpfen, sich fundiert damit auseinandersetzen zu können. Es gab Beschleunigungsversuche und Interventionen. Die Landesrätin wollte sogar mitbestimmen, wer im Gesetzgebungsausschuss anzuhören sei und versuchte gar, „oppositionelle Vertretungen“ in der Anhörung zu verhindern.
Unbeirrt gingen die Ausschussmitglieder ihren Weg, informierten sich auch in einer Studienreise nach Wien über andere Formen des öffentlichen Wohnbaus – Formen, die zu wesentlich günstigeren Mieten und zu mehr Sicherheit über dauerhaftes Wohnen für die Bürger:innen führen, als es in Südtirol der Fall ist. Im Juli 2022 wurde das Landesgesetz zum öffentlichen und sozialen Wohnbau (LG Nr. 5/22) schließlich vom Südtiroler Landtag verabschiedet.

Nach dem holprigen Beginn der Arbeiten im Ausschuss waren einige kleine Verbesserungen möglich gewesen. Die „Ursünde“ des Gesetzes, nämlich dass fast alle Regelungen zum WOBI allein von der Landesregierung beschlossen werden, blieb bestehen. Nur die wichtigsten Durchführungsverordnungen, vor allem jene zu den Kriterien der Zuweisung und zum Landesmietzins (!), werden künftig nach Anhörung der Sozialpartner erstellt werden. Der Landtag wird zumindest durch ein Gutachten des für den Wohnbau zuständigen Gesetzgebungsausschusses in die Erstellung der DfO eingebunden werden. Und eine Gewerkschaftsvertretung im WOBI-Verwaltungsrat konnte gesichert werden.

Die Grundprobleme des Gesetzes blieben aber bestehen, die da waren und sind:

  • die fehlende Anbindung an das Gesetz „Raum und Landschaft“
  • die genannte Delegierung fast aller wichtigen Regelungen an die Landesregierung
  • die bislang fehlende Klarheit über den Landesmietzins
  • den Zugang auch der Mittelschicht zu den WOBI-Wohnungen, von denen es bereits jetzt zu wenig gibt
  • das „Enger-Stellen“ der Schraube durch Befristung der Mietverträge und Vorweisungszwang der Besitzdokumentation für ausländische Antragsteller:innen (auch für jene, die an diese Dokumente nicht heran kommen).

Insgesamt wurden mit dem WOBI-Gesetz über 50 Artikel aus dem Wohnbaugesetz entnommen. Sie werden großteils durch Durchführungsverordnungen ersetzt.

Damit begann Teil 2 der Stolperstrecke zur Wohnbaureform.

Im Sommer 2022 wurde dem Landtag ein Omnibusgesetz mit 24 Artikeln übermittelt, die die unterschiedlichsten Bereiche betrafen. Der letzte dieser Artikel bestand aus sage und schreibe 53 Absätzen, die die Neuregelung des geförderten Wohnbaus in einem einzigen Artikel vorsah.
Ein nie gesehener Vorgang. Als Vertreter:innen der politischen Minderheit verweigerten wir die Behandlung im Gesetzgebungsausschuss.
Erstens weil es undenkbar war, sich in kürzester Zeit und angesichts der Notwendigkeiten von Aussprachen und Anhörungen auf das Thema vorzubereiten. Vor allem aber wäre es durch die Geschäftsordnung des Landtags praktisch unmöglich gewesen, den Artikel fachgerecht zu behandeln. Laut Geschäftsordnung des Landtages müssen nämlich die Änderungsanträge der Abgeordneten „nach Artikeln“ (nicht nach Absätzen) behandelt werden. Das hätte geheißen, dass man sämtliche Änderungsanträge in einer einzigen Wortmeldung innerhalb 15 Minuten hätte erläutern müssen. Wenn man sich vorstellte, 2 Änderunganträge pro Absatz (dabei war ja jeder Absatz in Wirklichkeit ein Artikel) zu verfassen, dann hätte man 106 Anträge in 15 Minuten erläutern müssen.
Ein unvorstellbares Chaos. Es verwundert bis heute, dass das bei der Einreichung des Artikels nicht bedacht wurde – und es zeugt auch ein wenig von der Vergessenheit des Landtags in den Regierungsreihen.
Wie auch immer, nach Androhung, die Arbeiten im Ausschuss zu blockieren, wurde der LGE auf September vertagt.

Er wurde in einer informellen Anhörung im Landtag im August unter allgemeinem Desinteresse vorgestellt und nach einigen Auseinandersetzungen im Oktober im Gesetzgebungsausschuss behandelt. Der eine Artikel mit 53 Absätzen war nun in ein eigenes LGE mit 8 Artikeln gefasst worden, und die Einreichung war dem Abg. Renzler übertragen worden. Die etwas eigenartige Begründung lautete, dass der Weg über die Landesregierung „zu langwierig“ sei. Wir lassen dies unkommentiert.

Der LGE 116/22, der Gegenstand dieses Minderheitenberichtes ist, hat das Wichtigste versäumt, nämlich die überaus komplexe Materie zu ordnen, zu klären und zu reformieren – am sich gesteckten Ziel ist man also in weitem Bogen vorbeigefahren.
Man hätte die Materie des geförderten Wohnbaus in ein eigenes, neues Gesetz gießen können – wie es auch in mehreren Vorstufen des Gesetzes sowohl dieser Regierung als auch der Vorgängerregierungen geplant gewesen war. Man hätte die Begriffe ordentlich, verständlich und zeitgemäß definieren können. Man hätte auch Hand anlegen können an der Gesamtarchitektur der Förderung. Das alles wurde aufgegeben. Auf meine Nachfrage zu dieser Selbstaufgabe hieß es im Ausschuss, dass man das Risiko von Anfechtungen seitens der römischen Regierung minimieren wollte, was durch die Beibehaltung des bestehenden Gesetzes besser garantiert sei.
Aus welchem Grund auch immer, nun ist es so, dass der geförderte Wohnbau weiterhin mit dem LG 13 von 1998 geregelt bleibt. Diesem sind wie beschrieben die WOBI-Artikel ausgeklammert. Der LGE 116 legt nur in kleinen Teilen Hand an und berührt nur Randbereiche. Die wesentlichste Neuerung war im LGE, wie er vorgelegt wurde, nicht einmal enthalten. Dazu komme ich noch.

Bevor ich inhaltlich auf den LGE eingehe, möchte ich noch das blamable Finale dieses von A-Z verunglückten Gesetzgebungsprozesses beschreiben. Denn als nach mehreren Sitzungen, die zum Teil auch mehrmals für Besprechungen der Mehrheit unterbrochen werden mussten, schließlich die Behandlung des Art. 7 (Finanzbestimmung) anstand, passierte wiederum Nie Gesehenes: Die Finanzabteilung bzw. der Landesrat für Finanzen beanstandete in einem Schreiben den Gesetzestext:

Es muss festgestellt werden, dass unter Anderem noch etliche Elemente fehlen:

  • dem Gesetzentwurf wurde kein finanztechnischer Begleitbericht beigefügt. Somit kann die Angemessenheit der entsprechenden finanziellen Deckung nicht überprüft werden;
  •  eine Zuordnung der Mehrausgaben auf Artikelebene ist nicht erfolgt;
  •  eine klare finanzielle Beschreibung des Garantiefonds ist nicht vorhanden;
  • eine Anpassung der finanziellen Deckung an den zeitlichen Moment des Inkrafttretens ist zumindest laut der mit dem Ansuchen übermittelten Fassung des Gesetzentwurfes ebenfalls nicht erfolgt;
  • einige neue Artikel/Absätze scheinen sehr wohl Mehrausgaben mit sich zu bringen, die Deckung des Gesetzes wurde nicht geändert: o der in Art. 1 eingefügte Absatz 01, betreffend die Beiträge für den Erwerb von Flächen für den geförderten Wohnbau mittels Kaufvertrag gemäß Artikel 19 Absatz 3 des Landesgesetzes vom 10. Juli 2018, Nr. 9 in geltender Fassung;
  • der in Art. 6, eingefügte Absatz 03 mit dem die Mindestpunktezahl für den Bau und Kauf auf 20 Punkte gesenkt und vereinheitlicht werden (Erweiterung der Anzahl der Beitragsempfänger);
  • Art. 6, Absatz 3-bis, mit dem die Prozente für die einmaligen Beiträge um bis zu 5 Prozentpunkte erhöht werden können.

Aus diesen Gründen kann im Moment noch kein Gutachten erteilt werden.

Der Finanzlandesrat lehnte es ab, ein Gutachten zu erteilen – eine, sagen wir, ungewohnte Vorgangsweise, wird doch im Normalfall im Vorfeld um eine Einigung gerungen. Fanden die Auseinandersetzungen bisher außerhalb des Gesetzgebungsausschusses statt, so waren diesmal die Ausschussmitglieder Zeug:innen großer Peinlichkeit. Es gibt nur zwei Erklärungen für diesen Vorfall: Entweder das Wohnbauressort hat tatsächlich ein völlig mangelhaftes Gesetz auf den Weg gebracht. Oder das LH-Ressort verweigert die Finanzierung der Vorhaben auf diese Weise, die die Wohnbaulandesrätin offen blamiert. Der wahre Hintergrund bleibe hier dahingestellt.

Interessanterweise gab es im Anschluss an diesen Eklat einen, sagen wir in diesem Fall, unkonventionellen „Ausweg“. Der Abg. Renzler, Erstunterzeichner des LGE tat das, wovon alle Einbringer:innen von Gesetzesvorhaben nur träumen können – er bedient sich in der von ihm daraufhin vorgelegten Finanzbestimmung großzügig aus dem Sammelfonds für neue Gesetzesvorhaben: im Ausmaß von 3,5 Millionen für 2023 und 7,8 Mio. für 2024. Ja, wenn das immer so einfach ist, wäre man geneigt zu sagen.

Der entsprechende Artikel wurde mit 4:3 Stimmen im Ausschuss angenommen. Es wirkte, als ob man ein einstürzendes Haus mit Klebestreifen zusammenhalten wollte.

Angesichts dieses wirklich verunfallten Prozesses wirkten die Ausschussmitglieder und auch die begleitenden Beamt:innen am Ende der Arbeiten sichtlich gerädert. Man sprach von „Qualen“, von durchlittenen Stunden, ja von einer „Schwergeburt“.
Diese Bilder beschreiben gut, wie die Arbeit am LGE 116 erlebt wurde. In diesen Beschreibungen liegt auch der Grund, warum die Unterzeichnende beschlossen hat, den Prozess in einem Minderheitenbericht für die Außen- und Nachwelt aufzuzeichnen.
Denn in den beschriebenen Phasen, Abläufen und Auseinandersetzungen spiegelt sich sehr prägnant die Stimmung der XVI. Legislaturperiode des Südtiroler Landtags, insbesondere in ihrer Endphase. Die Bruchlinien sind aufgeworfen und treten nunmehr offen zutage.
Während sich die Minderheit zunehmend solidarisiert und zusammenarbeitet, scheint die Loyalität innerhalb der Mehrheit gebrochen. Man hat keine Hemmung, sich gegenseitig zu behindern und zu blamieren. Die Dinge scheinen oft nicht abgesprochen und meistens auch nicht ausgehandelt. Für die Themen, die einer guten Verwaltung und einer fundierten Weiterentwicklung harren würden, ist das eine sehr schlechte Voraussetzung. Dass sich ein Land inmitten derartiger Krisen ein derartiges politisches Missmanagement leistet, ist fahrlässig.

Und was wurde letztlich „geboren“?

Der LGE 116 ist keineswegs eine Vereinfachung oder Neuausrichtung der gesamten Materie.

Er beinhaltet zunächst einige kleine Anpassungen an das neue Raumordnungsgesetz.

Eine bürokratische Erleichterung stellt sicher die neue Auflösung der Sozialbindung dar. Sie ist, daran sei in diesem Zusammenhang erinnert, seit 2016 auf 10 Jahre begrenzt, was nicht im Sinne des Gemeinwohls sein kann. Eine Förderung, die unter gewissen Bedingungen erfolgt, geht nach nur zehn Jahren in das Eigentum der Besitzerin oder des Besitzers über, die Wohnung kann in der Folge bedingungslos verkauft werden. Wir finden das nicht richtig. Dass aber die Löschung der Bindung, bisher eine langwierige und auch für die Verwaltung aufwändige Operation, künftig rein über einen Antrag an das Grundbuchamt erfolgen soll, ist zu befürworten.

Ebenso kann die Aufnahme von innovativen Wohnmodellen wie generationenübergreifendes Wohnen oder Co-Housing sowie die Aufmerksamkeit auf Menschen mit Beeinträchtigung für die Wohnbauförderung gutgeheißen werden.

Unterstützenswert ist ebenfalls die „zwangsweise“ Ausweisung von Bauland für den geförderten Wohnbau, wie in Art. 6 gefordert. Bei Untätigkeit der Gemeinde kann künftig von Amts wegen von der Landesregierung Bauland für den geförderten Wohnbau ausgewiesen werden. Vom Rat der Gemeinden kam scharfer Gegenwind. Es werde hier die Autonomie der Gemeinden verletzt, so das Gutachten des Rates. Indessen ist diese Maßnahme sehr wichtig, angesichts der dramatischen Lage des zugänglichen Wohnens in Südtirol bietet sich hier Handlungsspielraum.

Völlig die Zielrichtung verfehlt wird indessen mit der geplanten Einrichtung eines – seit Langem geforderten – Garantiefonds für Vermieter:innen.
Der vom LGE vorgeschlagene Fonds soll von den Vermieter:innen selbst eingerichtet werden, mit dem Ziel eventuelle Zahlungsausfälle von säumigen Miter:innen rückzuerstatten. Die Landesregierung unterstützt die Einrichtung und Führung des Fonds mit öffentlichen Mitteln. Dieser Fonds ist rein auf die Vermieter:innen fokussiert, die Mieter:innen sind aus dem Blickfeld.
Dabei wäre es ein weit besserer Ansatz, den Mieter:innen, die unverschuldet zahlungsunfähig werden, unter die Arme zu greifen. Ein entsprechender Änderungsantrag der grünen Fraktion wurde abgelehnt.
Interessant ist, dass im Nachfeld der Sitzung im Gesetzgebungsausschuss sowohl die Mieter- als auch die Vermietervertretungen darauf hingewiesen haben, dass die Einbindung der Mieter:innen in den Fonds (wie auch auf staatlicher Ebene vorgesehen) weit sinnvoller wäre. Es wird zu sehen sein, ob diese Anregungen in der Debatte im Landtagsplenum aufgenommen werden. Es wäre wünschenswert.

An der „Lex Anti-Vallazza“ arbeitete sich die Mehrheit intern auch im Laufe der Sitzung ab, nicht ohne Konflikte. Auch der Rat der Gemeinden erhob seine Stimme zur Sache. In der ursprünglichen Version war vorgesehen, dass die Zuweisung eines geförderten Baugrundes „an die vorigen Eigentümer der enteigneten Flächen oder deren Verwandte und Verschwägerte“ nicht mehr zulässig sein sollte.
Damit wollte man weitere Fälle des Ausreizens der Regelung verhindern. Der Präsident des Rates der Gemeinden gab vehement zu bedenken, dass mit diesem Vorschlag ganze Weiler „aussterben“ würden.
Der Ausweg aus dem Dilemma wurde nach längeren „Beratungen“ von den Abg. Locher und Bacher vorgelegt. Sie schlagen vor, dass die Zuweisung von enteigneten Baugründen an die vorigen Besitzer:innen bzw. deren Verwandte zulässig ist, allerdings ohne dass ein Beitrag ausgezahlt wird (was an und für sich logisch sein müsste). Dies immer dann (und nur dann), wenn die Aufteilung 60:40 (60% des Grundes vorbehalten für den geförderten Wohnbau) und wenn der vormalige Eigentümer auf 40% der Fläche eine Wohnung von 495 Kubikmetern hätte errichten können.
Dieser Vermittlungsvorschlag erhielt im Ausschuss nur die 4 Stimmen der Mehrheit. Die Minderheitsverteter:innen stimmten für den ursprünglichen Vorschlag, der dieser Praxis grundsätzlich ein Ende bereitet hätte.

Schließlich ist noch auf den vielleicht bedeutsamsten Teil der Wohnbaureform zu kommen. Er war im vorgelegten Text gar nicht vorhanden, sondern entstand erst aus der Debatte im Ausschuss. Auslöser war ein Änderungsantrag der Freiheitlichen Fraktion mit dem Vorschlag, die Mindestpunktezahl zum Zugang zur Wohnbauförderung von derzeit 23 Punkten auf 20 Punkte zu senken.
Dieser Vorschlag griff eine alte (mindestens 9 Jahre, wie Abg. Renzler bei seiner Stimmabgabeerklärung sagte) Forderung auch der Arbeitnehmerinnen-Vertretungen auf, da das Erreichen der 23 Punkte für viele, junge Ansuchende, aber nicht nur, eine zu hohe Hürde darstellt. Bisher war es nie möglich gewesen, diese Punktezahl zu senken.
Der Druck muss groß gewesen sein. Denn im Zuge der Debatte im Ausschuss war es nun möglich, die Punktezahl herabzusetzen. Nicht, indem der Änderungsantrag der Freiheitlichen angenommen wurde, das nicht. Aber indem derselbe Grundsatz in einen Antrag an anderer Stelle ins Gesetz geschrieben wurde. Vom Abg. Locher natürlich. Auch diese „Spielchen“ sind Teil der Orientierungslosigkeit, die wohl auf der Angst vor Machtverlust gründen. Kein Moment der Größe.

Insgesamt ist die Überarbeitung der Materie des geförderten Wohnbaus nicht gelungen. Die Wohnbaureform in Südtirol bleibt auch nach diesem Gesetz eine lange Ankündigungsgeschichte ohne Lösung. Auch künftig werden sich die Bürger:innen Südtirols, die auf einen Beitrag zum Wohnen hoffen, durch ein weitgehend unlesbares Gesetz mit über 150 Artikeln quälen müssen. Es wird einige Erleichterungen geben, vor allem was die Aufhebung der Sozialbindung betrifft. Die Wohnbauförderung wird zugänglicher werden. Wie die Finanzierung hierfür (wenn mehr Menschen Zugang zur Förderung haben, braucht es auch mehr Geld) gesichert wird, ist bis dato unklar.

Aus dem großen Dilemma des Wohnens in Südtirol (zusammenfassbar wie folgt: „Das Kaufen ist zu teuer, das Mieten unmöglich“) führt auch dieses Gesetz nicht heraus. Wenn heutzutage die (geförderte) Wohnung in einem Reihenhaus in einer mittleren Gemeinde 600.000 Euro kostet, dann ist ziemlich viel schief gelaufen. Und daran wird sich nicht so schnell etwas ändern.

 

Bozen, 14.11.2022

Landtagsabgeordnete

Brigitte Foppa

 

 

Author: Heidi

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