Stop Catcalling

BESCHLUSSANTRAG.

Der Begriff Catcalling, der sich mit „Katzengejammer“ übersetzen lässt und ursprünglich die Buhrufe im Theater bezeichnete, ist weit weniger harmlos als dieser Anglizismus vermuten lässt. Gemeint ist damit sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum durch anzügliches Anreden, Nachrufen, Nachpfeifen oder sonstige Geräusche. Diese Art der sexuellen Belästigung ist für viele Frauen Alltag, auch minderjährige Personen sind davon stark betroffen. Es passiert auf viel frequentierten Straßen und Plätzen genauso wie in öffentlichen Verkehrsmitteln und auf dem Dorffest.

Sexuelle Belästigung ist allgegenwärtig, die Anzahl an Erfahrungen mit Nachpfeifen oder sexuell expliziten Aufforderungen ist hoch. In Deutschland etwa geben 63% der Frauen an, schon einmal sexuell belästigt worden zu sein. In Frankreich sind es sogar 86%. Ein Großteil dieser Belästigungen geschieht verbal und/oder durch Gesten und auf öffentlichen Plätzen. Darunter leiden besonders junge Frauen, in Deutschland waren 2 von 3 Betroffenen unter 25 Jahren.

Oft als Kavaliersdelikt bagatellisiert, oder schlimmer noch als Kompliment abgetan, traumatisiert Catcalling Betroffene, schüchtert und schränkt sie in ihrem Alltagsleben ein. Eine Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen etwa ergab, dass eine große Mehrheit der Betroffenen nach Catcalling-Vorfällen ängstlicher wurde. So mieden 40% der Befragten danach bestimmte öffentliche Orte, während 8% sogar ihren Kleidungsstil änderten.

Catcalling ist eine Form verbaler sexueller Gewalt. Die Istanbul Konvention ordnet verbale sexuelle Gewalt als geschlechtsspezifische Gewalt ein, da sich die Vorfälle überwiegend gegen Frauen richten.

In den meisten europäischen Ländern ist Catcalling nicht strafbar. In Frankreich, Portugal, Belgien und in den Niederlanden hingegen ist der Tatbestand von Catcalling strafbar und wird entweder mit Geldstrafen, aber auch mit Gefängnis sanktioniert.

In Italien regelt der Artikel 660 des Strafgesetzes den Tatbestand der Belästigung oder Störung von Personen (reato di molestia o disturbo alle persone) und wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe von bis zu 516 Euro geahndet. Catcalling fällt aktuell nicht in diesen Tatbestand.

Dabei wäre besonders die Signalwirkung wichtig: Die klare Aussage des Gesetzgebers, dass dieses Verhalten inakzeptabel ist. Denn sexuelle Gewalt beginnt oft unbemerkt, mit einer degradierenden Bemerkung, einem objektivierenden Kommentar. Catcalling ist Einschüchterung und Machtspiel und zieht Victim-Blaming mit sich. Damit ist die Opfer-Täter-Umkehr gemeint, eine Frau (die meisten Betroffenen sind Frauen) habe es durch ihre Kleidung oder ihr Verhalten „herausgefordert“. Wird Catcalling verharmlost und von einer Mehrheitsgesellschaft toleriert, kann dies schnell in einer Gewaltspirale enden – auf verbale Gewalt folgt oft physische.

In der Diskussion um Catcalling geht es nicht um ein „Flirtverbot“ auf öffentlichen Straßen, sondern darum Bewusstsein zu schaffen, wie es ist, wenn frau sich im öffentlichen Raum nicht sicher fühlt. Wichtig ist vor allem, hier eine gesellschaftspolitische Debatte anzustoßen, damit Bewusstseinsbildung zu diesem Phänomen entstehen kann.

Daher beauftragt der Südtiroler Landtag die Landesregierung:

  1. Das Phänomen „Catcalling“ als Form verbaler sexuellen Gewalt anzuerkennen, gegen das es gezielt vorzugehen gilt und verstärkt auf das Problem aufmerksam zu machen.
  2. Den Internetauftritt „Gewalt hat viele Gesichter“ um das Thema Catcalling als eine Form der verbalen sexuellen Gewalt zu ergänzen.
  3. Gemeinsam mit Kooperationspartner:innen (Gleichstellungsbüro, Frauenorganisationen, Polizei, Justiz….) Schulungen, Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagnen zu starten.
  4. In allen Schulstufen das Thema Catcalling in themenspezifische Workshops bzw. in den regulären Unterricht zu integrieren. Körperliche Autonomie und heteronormative Männlichkeitsbilder sollen dabei besonders im Fokus stehen.

Bozen, 25.10.2022

Landtagsabgeordnete

Brigitte Foppa

Riccardo Dello Sbarba

Hanspeter Staffler

 

Foto: American Girl in Italy, 1951, Ruth Orkin

Author: Heidi

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