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Wohnen in Not – Mieten fördern

BESCHLUSSANTRAG.

In der aktuellen Zeit der Krisen auf mehreren Ebenen nimmt das Thema Wohnen eine immer dramatischere Rolle ein. Gibt man die Stichwortreihe „Wohnen in Südtirol“ in die Google-Suchmaschine ein, öffnen sich gar einige Immobilienportale – Zeichen, eines reichen Wohnungsmarkts im Lande. Dies bestätigte auch Landesrat Schuler kürzlich bei einer Podiumsdiskussion, als er vorbrachte, dass es in Südtirol ca. 60-70.000 Wohnungen mehr gebe als es Haushalte gibt. Von den 239.000 Wohnungen stehen 29.000 überhaupt leer, das sind 12%.

Trotz dieses Bestandes an Wohnungen ist das Wohnen in Südtirol unverhältnismäßig teuer, ja auf absurde Weise überteuert. Der Anteil des Wohnens im Verhältnis zu den Familienausgaben betrug in Südtirol laut ASTAT 2020 sagenhafte 41%. Dieser Wert ist in den letzten zwanzig Jahren um 11% angestiegen. Rechnet man den Anstieg von Strom- und Heizkosten in den Jahren 2022/23 dazu, dürfte man bald bei einem Wert sein, der dazu führt, dass eine normale Südtiroler Familie die Hälfte ihrer Ausgaben für die Wohnkosten einrechnen muss. Das ist eine Zahl, die von keinem Land in Südtirols Nachbarschaft erreicht wird.

Das Wohnen in Südtirol ist nicht mehr erschwinglich.

Neue und erschreckende Erkenntnisse kommen auch aus der Studie der italienischen Plattform Ener2crowd: Demnach brauchen junge Menschen in Bozen nahezu ein ganzes Leben – 63,1 Jahre -, um ein Darlehen für das Eigenheim abzubezahlen. So viel wie sonst nirgends in Italien. Auf die Daten machte jüngst der Präsident des Unternehmerverbandes Südtirol, Heiner Oberrauch, aufmerksam.

Auch empirische Berichte sprechen von beinahe epischen Zahlen für den Wohnungskauf: Es heißt, ein Reihenhaus in einer mittleren Gemeinde Südtirols (weder in den Städten, noch im „Speckgürtel“ rund um Bozen oder Meran) koste inzwischen 6-800.000 Euro. Die Quadratmeterpreise erreichen in einigen Gemeinden (am betroffensten sind die Gemeinden mit höchster Dichte an Hotelbetten) auch Durchschnittspreise über 8.500 Euro (Quelle: AFI). Das sind natürlich für die Familie Normalverbraucher:innen völlig unerreichbare Zahlen.

Bliebt die Miete. Der Eigentumsanteil in Südtirol ist mit 70% sehr hoch, das wird auch so von der Wohnbaupolitik des Landes seit Jahrzehnten forciert.

Die rund 51.000 vermieteten Wohnungen sind in folgende Typologien aufgeteilt (Daten der Abt. Wohnbau):

  • 400 im Eigentum des WOBI
  • 000 in anderem öffentlichen Eigentum (Gemeinden etc.)
  • 200 werden mit Landesmietzins vermietet
  • 350 werden privat vermietet.

Das bedeutet, dass die Hälfte der vermieteten Wohnungen auf dem freien Markt vermietet wird, also zu Mietpreisen, die in den allermeisten Fällen über dem Landesmietzins liegen dürften. Die 13.000 WOBI-Wohnungen werden seit der Gesetzesnovelle 2023 auch für den Mittelstand zugänglich gemacht, allerdings ohne Klarheit darüber, ob der Bestand ausreichen wird. Wir gehen eher davon aus, dass es zum Verteilungskampf zwischen sozial bedürftigen und finanziell weniger schlecht gestellten Familien kommen wird – bereits vor der Gesetzesänderung waren in den letzten Jahren nur für Bozen und Meran Hunderte Gesuche offen geblieben.

Der Mietmarkt in Südtirol ist also äußerst komprimiert. Dabei ist die Situation der Miete sehr unterschiedlich und in erster Linie ein urbanes Phänomen. Während in Städten wie Bozen und Meran die Mietwohnungen 31,4 % ausmachen, sind es in den mittleren Zentren 21,1% und in ländlichen Gemeinden gar nur 12% (AFI).

2017 hat das AFI eine Befragung zum Wohnen und zum Status des Mietens in Südtirol gemacht. Auf die Frage, welche die Faktoren für die hohen Wohnungspreise in Südtirol seien, antworteten 89 Prozent der Befragten, dass der allgemein hohe Lebensstandard in Südtirol einen großen Einfluss auf die Wohnungspreise hat. 83 Prozent sehen auch die hohen Ansprüche an die Bauqualität als wesentlichen Faktor. Weitere gefühlte Einflüsse für die hohen Preise: Unterschiede zwischen Stadt und Land (80% Zustimmung), öffentliche Förderungen (77%), Tourismus und Zweitwohnungsmarkt (74%), geringe Verfügbarkeit von Baugrund (73%), Angebotskonzentration (67%) und morphologische Gegebenheiten (64%). Das geringe Wohnungsangebot hat laut den Arbeitnehmer:innen einen geringeren Einfluss (47%).

Eine zweite Frage der AFI-Befragung war, warum man sich anstelle einer Eigentumswohnung für eine Mietwohnung entscheiden würde. Am ehesten würde man sich für die Miete anstatt Eigentumswohnung entscheiden, um mobiler zu sein und neuen Job-Angeboten folgen zu können (49% Zustimmung). Für 48% wären familiäre Bedürfnisse – etwa Nachwuchs oder Pflege von Verwandten – ein Grund. Vom Vermieter:in schwer kündbare Mietverträge sehen 42% der Befragten als bedeutend an. Am ehesten würden junge Menschen das Mieten dem Kauf einer Eigentumswohnung vorziehen.

Gerade auf Letzteres weist auch der Südtiroler Jugendring immer wieder und schon seit Jahren hin, wenn er sagt, dass es für viele junge Menschen äußerst schwierig ist, eine Wohnung zu einem gerechten und leistbaren Preis zu bekommen – und das sowohl am Mietmarkt als auch in Bezug auf Bau, Kauf oder Sanierung. Vorsitzende Tanja Rainer hat erst kürzlich (Februar 2023) wieder gemahnt: „Von Bedeutung für junge Menschen ist insbesondere der Mietmarkt. Es muss möglich sein, eine Wohnung zu einem fairen Preis zu mieten. Ohne leistbares Wohnen ist der Schritt in die Selbständigkeit für junge Menschen nicht möglich. Außerdem verlieren wir immer mehr junge Menschen ans Ausland, wo es leichter ist, Wohnungen zu einem angemessenen Preis zu mieten und die Lebenshaltungskosten niedriger sind. Wir werden uns auch schwerer tun, dringend benötigte Arbeitskräfte aus dem Ausland zu bekommen, da diese ebenso in der Regel auf leistbare Mietwohnungen angewiesen sind.“ Zudem müsse auch darauf geachtet werden, dass für Student*innen genügend leistbarer Wohnraum vorhanden ist, etwa für Wohngemeinschaften.

Die „Reformen“ des Wohnbausektors und die unzähligen Raumordnungsnovellen haben in dieser gesamten Thematik keine Entspannung gebracht und werden sie auch nicht dauerhaft einer Lösung zuführen. Ebenso ist die Einführung der „Super-GIS“ für nicht vermietete Wohnungen absehbar wenig einschneidend. Nur ein winziger Teil der freistehenden Wohnungen wird durch diese Maßnahme tatsächlich dem Mietmarkt verfügbar gemacht werden. Von einem erschwinglichen Wohnen jenseits von Slogans wie „leistbares Wohnen“ bleiben wir weit entfernt.

 

All dies vorausgeschickt, beauftragt der Südtiroler Landtag die Landesregierung:

  1. Sich dezidiert dem Grundsatz „Allen Menschen, die in Südtirol leben bzw. arbeiten, ein Dach über dem Kopf“ zu verschreiben.
  2. Sich als Ziel für das „Leistbare Wohnen“ zu setzen, dass in Südtirol durchschnittlich nicht mehr als 33% der Familienausgaben für die Wohnkosten anfallen dürfen.
  3. Die zunehmende Verwischung zwischen gefördertem Sektor und freiem Markt konsequent rückgängig zu machen und alle Bindungen, die durch Wohnbauförderung entstehen, auf mindestens 20 Jahre festzulegen und keinerlei vorzeitige Löschungsmöglichkeiten vorzusehen.
  4. Eine Beobachtungsstelle für den Leerstand und gezielt für die Entwicklung des Mietmarkts einzusetzen, die in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern Strategien für Leistbares Mieten entwickelt und die Umsetzung monitoriert.
  5. Die Entwicklung der Kurzzeitvermietung (airbnb etc) speziell zu monitorieren und dem zuständigen Gesetzgebungsausschuss darüber Bericht zu erstatten. Zu diesem Thema soll auch ein Bericht über die verschiedenen Lösungen erarbeitet werden, die in den diversen Ländern angewandt werden, um das Phänomen der Kurzzeitmieten im Verhältnis zu den Langzeitmieten für Ansässige in den Griff zu bekommen. Auf dieser Grundlage sind Vorschläge für Südtirol auszuarbeiten.
  6. Mit dem Rat der Gemeinden eine Strategie zu entwickeln, wie der kommunale Wohnungsbau implementiert und ausgebaut werden kann.
  7. Für alle Neubauten von privaten Bauträgern, die auf der Basis von Raumordnungsverträgen genehmigt werden, vorzusehen, dass eine Quote von 20% für den Mietmarkt reserviert wird, für den der Landesmietzins angewandt wird.
  8. Für den Bedarf an Unterkünften für Studierende eine spezielle Task-Force einzusetzen, die mit maximaler Geschwindigkeit für die Bereitstellung von Studentenwohnungen sorgt und Wege erarbeitet, damit Studierende auch bei der Entscheidung für das private Wohnen und in Wohngemeinschaften unterstützt werden.

Bozen, 14.06.2023

 

Landtagsabgeordnete

Brigitte Foppa

Riccardo Dello Sbarba

Hanspeter Staffler

 

Author: Heidi

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