HomeCovid-19MINDERHEITENBERICHT ZU DEN LANDESGESETZENTWÜRFEN Nr. 65/20 und Nr. 66/20

MINDERHEITENBERICHT ZU DEN LANDESGESETZENTWÜRFEN Nr. 65/20 und Nr. 66/20

Die ungewöhnliche Entstehungsgeschichte des Landeshaushalts 2021-2023

Das Corona-Jahr 2020 hat vieles durcheinander gewirbelt, so auch den zeitlichen Ablauf der Haushaltsgesetzgebung 2021-2023. Mit etwas Verspätung hatte die Landesregierung Ende Oktober die mit Spannung erwarteten Beschlüsse über den Haushaltsvoranschlag und über das Stabilitätsgesetz der Periode 2021-2023 gefasst.

Es stellte sich aber sogleich heraus, dass es sich nicht um einen operativen Haushalt mit neuen politischen Schwerpunkten handelt, sondern um eine Fortschreibung des Haushaltes 2020 wenngleich auf wesentlich niedrigerem Niveau. Die Kompetenzveranschlagung des Jahres 2020 wird ausgabenseitig auf rund 6,9 Milliarden geschätzt, jene des Jahres 2021 wurde im ersten Entwurf auf gut 6,1 Milliarden Euro veranschlagt. Damit hätten für das Jahr2021 800 Millionen Euro gefehlt, was einem Erdrutsch gleichkäme.

Mit diesen Zahlen fand am 20. November 2020 die Sitzung des 3. Gesetzgebungsausschusses statt, wo Landeshauptmann Kompatscher das Haushalts-Provisorium zu erklären versuchte. Ende Oktober, als der Entwurf in der Landesregierung beschlossen wurde, habe es noch wenig Klarheit über die Einnahmen des Jahres 2021
gegeben. Laut Kompatscher kämen auf der Seite der Einnahmen noch der Verwaltungsüberschuss, offene Nachzahlungen aus Akzisen, eine staatliche Abfederung der Mindereinnahmen und vielleicht sogar eine Stundung unseres jährlichen Anteils an den Staatsschulden hinzu. All diese Punkte zusammengenommen würden schätzungsweise 600 Millionen einbringen, sodass die negative Haushaltsdifferenz zum Jahr 2020 bei rund 200 Millionen liegen würde.

In der Sitzung des 3. Gesetzgebungsausschusses (20.11.2020) konnten keine realistischen Zahlen zu den geplanten Ausgaben vorgestellt werden und somit ergab sich im Ausschuss die sonderbare Situation, dass über eine unfertige Gesetzesvorlage beraten und abgestimmt hätte werden sollen. Einige Mitglieder des Ausschusses fühlten sich nicht in der Lage, das Provisorium überhaupt zu behandeln. Dieses Dilemma konnte überwunden werden, indem auf Vorschlag einiger Vertreter der Opposition Landeshauptmann Kompatscher einen informellen Zusatztermin mit den echten Haushaltszahlen zusagte.

Das informelle Treffen fand dann am 30.11.2020 in Form einer Videokonferenz statt, wo die Bereitstellung der Geldmittel auf Ressortebene tabellarisch
vorgestellt wurde. Die Ausgaben nach Titeln und nach Aufgabenbereichen konnten aus technischen Gründen nicht geliefert werden. Landeshauptmann Kompatscher bestätigte, dass es in Verhandlungen mit dem Staat gelungen sei, für die krisenbedingten Mindereinnahmen Kompensationszahlungen zu erhalten. Diese Kompensation
richte sich allerdings am Durchschnitt der Einnahmen der Jahre 2017, 2018 und 2019 aus. Zusätzlich hätten auch noch Rückflüsse aus dem Rotationsfonds einnahmenseitig verbucht werden können. Somit standen am 30.11.2020 insgesamt 6.419.810.933,87 Euro für das Haushaltsjahr 2021 und damit rund 468 Millionen weniger als im Jahr 2020 zur Verfügung.

Möglicherweise könnte sich laut Kompatscher die Differenz noch verringern, sofern mit dem Staat eine Einigung über die Stundung unseres jährlichen Anteils an den Staatschulden gefunden würde. Im Frühjahr 2020 kündigte Landeshauptmann Kompatscher an, das Land wolle sich mit einer guten Milliarde verschulden, um der Corona-Krise mit „Südtirolbonds“ zu begegnen. Wie sich schon bald herausstellte, gab es dafür keine rechtliche Basis, es hätte dafür eine Änderung der Verfassung benötigt. Einen Ausweg aus der Zwickmühle habe die Landesregierung jetzt gefunden, indem das Wohnbauinstitut und die Südtiroler Transportstrukturen AG (STA) ermächtigt wurden, Schulden für Investitionen aufzunehmen: das Wohnbauinstitut würde für die kommenden drei Jahre rund 100 und die STA rund 20 Millionen Euro benötigen.

Analyse der vorliegenden Haushaltszahlen

Ausgabenseitig fallen drei Ressorts auf, die gut aussteigen und drei Ressorts, die ordentlich Federn lassen müssen. Zu denen, die glimpflich davonkommen werden, zählen das Ressort von Landeshauptmann Kompatscher (Personal, Finanzen, Örtliche Körperschaften), das Ressort von Landesrätin Deeg (Soziales, Wohnungsbau
und Familie) sowie das Gesundheitsressort von Landesrat Widmann. Wesentlich schlechter schaut es aber für die Ressorts von Landesrat Achammer (Bildung, Arbeit, Wirtschaft), Landesrat Schuler (Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Tourismus) und Landesrat Vettorato (Bildung, Umwelt) aus. Die Ressorts der Landesräte Alfreider, Bessone und jenes der Landesrätin Hochgruber Kuenzer müssen weniger schmerzhafte Abstriche in Kauf nehmen.

Die Geldmittel für Forschung liegen im Trend der letzten Jahre, die fetten Jahre für die Informatik scheinen vorläufig vorbei zu sein und die Finanzen verfügen im Jahr 2021 über herausragende 1,2 Milliarden Euro, wozu derzeit detaillierte Informationen fehlen. Besonders kurz gehalten werden vorerst die Gemeinden und Bezirksgemeinschaften, für die bisher im mehrjährigen Durchschnitt knapp 700 Millionen Euro zur Verfügung standen. Für das Jahr 2021 sind vorerst lediglich
gut 400 Millionen Euro vorgesehen, hier wird eine Nachbesserung wohl unumgänglich sein. Die Geldmittel für Forschung liegen im Trend der letzten Jahre, die fetten Jahre für die Informatik scheinen vorläufig vorbei zu sein und die Finanzen verfügen im Jahr 2021 über herausragende 1,2 Milliarden Euro, wozu derzeit detaillierte Informationen fehlen. Besonders kurz gehalten werden vorerst die Gemeinden und Bezirksgemeinschaften, für die bisher im mehrjährigen Durchschnitt
knapp 700 Millionen Euro zur Verfügung standen. Für das Jahr 2021 sind vorerst lediglich gut 400 Millionen Euro vorgesehen, hier wird eine Nachbesserung wohl unumgänglich sein.

Für Sozial- und Familienpolitik sind insgesamt rund 680 Mio. Euro vorgesehen, das sind 16 Mio. Euro weniger als im Jahr 2020. Hier könnte sich im Laufe des Jahres 2021 eine größere Kluft ergeben, weil vor allem der Bedarf an Sozialleistungen anwachsen wird. Der Wohnungsbau hingegen wird mit etwas über 100 Mio. Euro bedacht,
was insgesamt viel zu wenig wäre. Sollte es jedoch dem Wohnbauinstitut gelingen, Schulden aufzunehmen, dann würde sich die Lage im sozialen Wohnungsbau für das nächste Jahr entspannen.

Das Das Gesundheitswesen kann mit 1,4 Mrd. Euro rechnen, was rund 100 Mio. Euro mehr sind als im Vergleichsjahr 2019. Das Corona-Jahr 2020 eignet sich nicht als Referenzjahr. Diese Aufwertung ist insofern positiv, wenn damit die öffentlichenGesundheitswesen kann mit 1,4 Mrd. Euro rechnen, was rund 100 Mio. Euro mehr sind als im Vergleichsjahr 2019. Das Corona-Jahr 2020 eignet sich nicht als Referenzjahr. Diese Aufwertung ist insofern positiv, wenn damit die öffentlichen Sanitätsstrukturen gestärkt werden. Werden die zusätzlichen Geldmittel hingegen in die Privatmedizin gesteckt, ein Trend, der sich seit ein paar Jahren beobachten lässt, dann wäre das eine weitere Schwächung der öffentlichen Gesundheitsversorgung.
Am stärksten leidet das Gesundheitspersonal unter den derzeitigen Rahmenbedingungen, zumal es bisher nicht gelungen ist, für das nichtärztliche Personal einen Bereichsvertrag abzuschließen. Es sind zwar für 2021 10 Mio. Eurovorgesehen, was aber angesichts der prekären Gesamtsituation beim Pflegepersonal viel zu wenig
ist. Um den Lohnrückstand und die permanente Mehrbelastung einigermaßen ausgleichen zu können, wären mehr als 20 Mio. Euro dringend notwendig.

Auf den ersten Blick kommt die Wirtschaftsförderung mit 26 Mio. Euro besonders stark unter die Räder, weil dafür gut 100 Mio. Euro weniger zur Verfügung stehen als im Jahr 2020. Auf den zweiten Blick hingegen stellt sich heraus, dass die Wirtschaft im Corona-Jahr 2020 eine gewaltige Finanzspritze von knapp 100 Mio. erhalten hat und deshalb relativiert sich dieser massive Einbruch. Sowohl die Deutsche Kultur als auch die Bildungsförderungen machen einen scharfen Knick von minus 25 % nach unten. Die Ausgaben für die Bildungsverwaltung fallen auch schwächer aus, aber wirklich schlimm schaut es für das unterrichtende Personal aus, welches seit Jahren auf den Landeszusatzvertrag wartet. Es sind zwar 15 Mio. Euro für Kollektivverhandlungen vorgesehen, was aber für einen fairen Ausgleich des erlittenen Reallohnverlustes viel zu wenig ist: dafür bräuchte es zwischen 25 und 30 Mio. Euro allein für das Jahr 2021.

Der Tourismussektor dürfte im Jahr 2020 ebenso eine außerordentliche Zuwendung von bis zu 90 Mio. Euro erhalten haben, die nun in der Bereitstellung für das Jahr 2021 fehlen. Im Vergleich mit den Jahren 2018 und 2019 ist das Ressort Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Bevölkerungsschutz und Tourismus deutlich unterfinanziert. Ähnlich schaut es momentan im Umweltsektor aus, der auf rund 40 % der Normaldotierung verzichten muss. Innovative Klimapolitik braucht aber viel mehr Geld.

Ein unvollständiges Resümee

Voraussichtlich wird der Haushalt 2021 um 100 bis 200 Millionen Euro geringer ausfallen als der Haushalt 2020. Exakte Daten werden wir dazu erst im Laufe des ersten Halbjahres 2021 erhalten. Unter diesen Voraussetzungen und wohl auch Corona-bedingt haben die Gesundheits- und die Sozialpolitik relativ gut abgeschnitten. Dabei ist es unbedingt notwendig, dass zukünftig deutlich mehr Geldmittel in eine aktive Personalpolitik des Gesundheitsbetriebes fließen und dass endlich der ausständige Bereichsvertrag für das nichtärztliche Personal abgeschlossen wird.

Not macht erfinderisch und so wurde erstmals seit Jahren der soziale Wohnbau ordentlich dotiert: möglich gemacht wird dies durch Schulden, welche das
Wohnbauinstitut erstmals aufnehmen wird. Wie die Tilgung dieser Schulden erfolgen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar.

Die Bildungspolitik hingegen lässt weiterhin zu wünschen übrig: wiederum hat es den Anschein, dass das unterrichtende Personal der Grund-, Mittel- und Oberschulen durch die Finger schauen wird. Der Landeszusatzvertrag ist seit Jahren ausständig, die Lehrerinnen und Lehrer sind an der Grenze der Belastbarkeit angelangt. Die Geringschätzung dieses Berufsstandes erzeugt nicht nur Frust in den Reihen des Lehrpersonals, sondern gefährdet insgesamt den Bildungsbereich, weil junge Pädagoginnen und Pädagogen einen weiten Bogen um die Schulen machen werden.

Kein Ruhmesblatt verdient sich die Landesregierung in der Naturschutz- und Umweltpolitik. Während sich die Gelder für den Naturschutz auf niederen 7 Mio. Euro einzupendeln scheinen, wurde die Umweltpolitik von durchschnittlichen 60 auf magere 30 Mio. Euro gestutzt. Wie damit aktive und zukunftsweisende Klimapolitik erfolgen soll, bleibt ein Rätsel. Schwer werden es auch die Kulturschaffenden haben, denn die Geldmittel für Kulturarbeit sind ebenfalls um rund 20 % drastisch gesunken.

Der Denkmalschutz wird mit 7 Mio. Euro auch zukünftig ein Stiefmütterchendasein fristen und wir dürfen gespannt sein, wann sich bei den Gemeinden und Bezirksgemeinschaften die Schockstarre lösen wird? Denn dort tut sich momentan wohl das größte Loch auf, wie das gefüllt werden soll, ist schleierhaft. Vielleicht aber befindet sich die Antwort in der großen Black Box der Abteilung Finanzen, dort lagern nämlich 1,2 Milliarden Euro, deren Zweckbestimmung zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar ist. Es kann aber auch sein, dass mit den derzeit blockierten Mitteln des Recovery Fonds geliebäugelt wird und diese das eine oder andere Budgetloch stopfen werden.

Trotz Corona-Krise ist der Landeshaushalt 2021 mit einem blauen Auge davongekommen: üppige Verwaltungsüberschüsse, geschickte Verhandlungen mit Rom und eine neue Schuldenstrategie haben das Schlimmste verhindert. Damit dürften aber die Reserven aufgebraucht sein, was für die Haushalte 2022 und 2023 unangenehme Spätfolgen
haben könnte.

gez. Landtagsabgeordneter
Hanspeter Staffler

Author: Serena

Kommunikationsbeauftragte der Grüne Fraktion.

Minderheitenbericht
Landeshaushalt 2021
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