Landesgesetz „Raum und Landschaft“: Abschied vom Gemeinwohl?
PRESSEMITTEILUNG.
Ein neuer Rückschritt für die Landesregierung: Morgen wird die x-te Änderung des Raumordnungsgesetzes im zweiten Gesetzgebungsausschuss des Landtags diskutiert. An mehreren Stellen gleicht der Landesgesetzentwurf Nr. 63/2020 einer Bankrotterklärung.
Hier nur zwei Beispiele:
TOURISMUS OHNE LIMIT: Wie bereits bekannt, kam es im neuen Gesetz „Raum und Landschaft“ zur Streichung der alte Höchstgrenze von 229.088 Betten auf Landesebene, welche ein unhaltbares Überangebot im Tourismussektor vermeiden sollte.
Im neuen Gesetz aus dem Jahr 2018 blieb zumindest eine moderate Einschränkung: Die Tourismusentwicklungskonzepte der einzelnen Gemeinden sollten auch die „Festlegung der Höchstbettenzahl“ angegeben.
Im jetzigen Gesetzentwurf, den der Gesetzgebungsausschuss morgen diskutiert, wird nun auch diese letzte Obergrenze auf Gemeindeebene gestrichen.
Die Anzahl der Betten kann so unkontrolliert vervielfacht werden, wodurch die bereits aufgeblähte „Bettenblase“ weiterwachsen wird. Gerade in Zeiten einer Pandemie ist dies enorm gefährlich für die wirtschaftliche Stabilität des Sektors.
ABSCHIED VON DER RAUMPLANUNG? Die Gemeindeplanung mit Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern ist die einzige Möglichkeit, das Gemeinwohl über Einzelinteressen zu stellen. Dies war die eigentliche Neuheit im neuen Gesetz „Raum und Landschaft“, welche den Gemeinden 24 Monate Zeit gab, um ihr Gemeindeentwicklungsprogramm vorzulegen.
Leider enthielt dieses Gesetzes (2018) bereits einen Ausweg, um die Planung zu umgehen: Selbst wenn kein Gemeindeentwicklungsprogramm vorliegt, kann eine Gemeinde bei der Landesregierung die Genehmigung neuer Bauzonen beantragen, wenn diese an bereits bestehende Zonen angrenzen (eingenommen verteilter Gebäudeansammlungen mit nur 10 Gebäuden).
Das Chaos, das mit dem Inkrafttreten des Gesetzes im vergangenen Juli einherging (fehlende Durchführungsbestimmungen, unvorbereitete Gemeinden, mangelhafte Verzeichnisse der Sachverständigen…) hat leider den Druck verstärkt, die Raumplanung auf Gemeindeebene zu vermeiden.
Das Ergebnis: Der morgen diskutierte Gesetzentwurf sieht vor, dass Gemeinden ohne Raumplanung beim Land nicht nur die Ausweisung neuer Bauzonen anfragen können, sondern auch den Bau neuer Infrastruktur und die Änderung der Bauvorschriften ganzer Zonen. Das Aussehen dieser Zonen kann sich so radikal ändern.
Darüber hinaus können die Gemeinden die Zweckbestimmungen und Bauvorschriften für bereits bebaute Gebiete ändern und müssen das Land nur dann um grünes Licht bitten, wenn sich die Änderungen auf landschaftlich geschützte Güter auswirken.
Im neuen Gesetzentwurf erden sowohl die ersten als auch die endgültigen Entscheidungen über diese Änderungen ausschließlich dem Gemeindeausschuss vorbehalten sein, während das geltende Gesetz vorsieht, dass zumindest die letzte Genehmigung durch den Gemeinderat erfolgen muss.
Gemeindeausschüsse und BürgermeisterInnen werden praktisch auf ihrem Gebiet freie Hand bekommen, indem sie sowohl Planung als auch Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger überspringen können. Viele Gemeinden werden versucht sein, ihre Pläne auf den St. Nimmerleinstag aufzuschieben, indem sie mit Teiländerungen am Gemeindegebiet weitermachen können.
Morgen im Gesetzgebungsausschuss wird die Grüne Fraktion Landesrätin Kuenzer fragen, ob sie wirklich beabsichtigt, die Urbanistik den Einzelinteressen auszuliefern und den Weg des Gemeinwohls aufzugeben, denn dieses kann nur durch eine transparente und partizipative Raumplanung garantiert werden.
BZ, 20.10.2020
Landtagsabgeordnete
Riccardo Dello Sbarba (Mitglied des 2. Gesetzgebungsausschusses)
Brigitte Foppa
Hanspeter Staffler