Offensive gegen Herbizide auf Landes- und Gemeindeebene

Die Grünen legen einen Landesgesetzentwurf und einen Musterbeschlussantrag für GemeindevertreterInnen vor, um die Verwendung von Herbiziden einzuschränken.
Es ist schon mancherorts zu Konflikten gekommen. BürgerInnen sehen zunehmend die Verwendung von chemischen Herbiziden in ihren Dörfern und Städten mit Besorgnis und möchten davor geschützt werden. Andererseits erlaubt die derzeitige Rechtslage die Verwendung von chemischen Herbiziden in den Ortskernen. Das Naturschutzgesetz (LG vom 12. Mai 2010, Nr. 6) verbietet Unkrautbekämpfungsmittel einzig für „Vegetationsdecken jeglicher Art (…), insbesondere Hecken, Flurgehölze, Bäume und Vegetationsdecken im Bereich von Feldrainen und Dämmen sowie Böschungen von Straßen, Bahnlinien, Fließgewässern und Gräben“. Entsprechend wird den Gräsern und Kräutern landauf landab mit chemischen Herbiziden zu Leibe gerückt.
In den letzten Jahren hat sich jedoch über die Bestandteile der verwendeten Herbizide eine größere Debatte entwickelt. Studien, die die Schädlichkeit der Herbizide für Flora, Fauna und für den Menschen bescheinigen, finden zunehmend Gehör.
Der am häufigsten verwendete Bestandteil in Herbiziden ist Glyphosat. In Südtirol wurden im Jahr 2012 gut 11.000 Liter flüssiges und 11 Kilogramm festes Glyphosat verkauft. Es ist Bestandteil des beliebten „Unkrautvernichtungsklassikers“ Roundup. Allein im Südtiroler Straßendienst werden jährlich 1500 Liter davon eingesetzt, wie aus der Antwort auf unsere entsprechende Landtagsanfrage hervorgeht.
Dabei wurde Glyphosat von der IARC (Internationale Krebsforschungsagentur) als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Auch wenn Auswirkungen und langfristige Folgen des Herbizideinsatzes nicht gänzlich geklärt sind, so sind viele Menschen europaweit in Sorge über die Gefahren für Lebewesen, die biologische Vielfalt und ihre eigene Gesundheit. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union konnten sich jedoch bisher nicht zu einem einheitlichen Verbot von Glyphosat durchringen. Im Jahr 2016 stimmten von 28 Mitgliedsstaaten 19 für eine Verlängerung, sieben enthielten sich, Frankreich und Malta stimmten dagegen. Der Ball ging zurück an die Europäische Kommission, die eine Verlängerung der Zulassung um 18 Monate veranlasst hat. Die Verhandlungen beginnen nun wieder von vorne. Am 17. Mai 2017 hat die Kommission den Mitgliedsstaaten vorgeschlagen, Glyphosat für weitere zehn Jahr zuzulassen. Den Staaten wird freigestellt, ein Verbot zu erlassen. Die Kommission beruft sich auf Studien, die Glyphosat als nicht krebserregend, nicht genverändernd und nicht gefährlich für die Fortpflanzung einstufen.
Erste Reaktionen der Glyphosat-GegnerInnen fielen hart aus und das vollkommen zu Recht. Während die Verhandlungen vollkommen intransparent unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden, sammelt seit Anfang 2017 eine Europäische BürgerInneninitiative Unterschriften gegen Glyphosat, um ein endgültiges Verbot des Herbizids zu erreichen. Nach nur vier Monaten hat die Initiative bereits in acht Ländern 750.000 der notwendigen 1 Millionen Unterschriften gesammelt. Jede Unterschrift ist eine Stimme gegen das Unkrautbekämpfungsmittel und zeigt, dass es den europäischen Bürgerinnen und Bürgern ernst ist. Sie verweisen auf das Vorsorgeprinzip der Europäischen Union. Es gebietet bei fehlender Gewissheit über möglicherweise schädliche (Langzeit-)Auswirkungen für Mensch und Umwelt vorbeugend zu handeln, damit eventuelle Schäden gar nicht erst eintreten können.
Unabhängig von den Entscheidungen auf EU-Ebene aber können Gemeinden aktiv werden und sich für einen schonenderen Umgang mit dem Straßenunkraut einsetzen. Denn meistens wird die Chemiekeule gegen Gras, Moos, Kräuter, usw., die aus Asphalt und Pflaster sprießen, aus ästhetischen Gründen geschwungen. Für ein wenig „Entkrautung“ mit dem Ziel einer „gepflegten“ grauen Pflaster- oder Asphaltfläche die Verunreinigung von Grundwasser, das Sterben von Lebewesen oder die menschliche Gesundheit aufs Spiel zu setzen, erscheint keinesfalls angemessen.
Anders als oft angenommen, ist der Wildwuchs nicht für Schäden in den Bodenbelägen verantwortlich. Vielmehr sprießt das Grün im bereits beschädigten Belag, in dem sich nährstoffreiche Sedimente ablagern können, einfach besser.
Außer Frage steht die Tatsache, dass Sicherheit Vorrang hat: Dementsprechend dürfen Wege nicht rutschig und komplett uneben sein; Regenwasser muss ablaufen können. Um notwendige Maßnahmen durchzuführen, müssen jedoch nicht chemische Mittel zum Einsatz kommen.
Eine Vielzahl an schonenderen Möglichkeiten der Unkrautbeseitigung steht zur Verfügung. Diese thermischen und mechanischen Methoden wurden in Südtirol bereits erfolgreich getestet: Sie reichen vom Bürsten über das Mähen, Jäten, Abschaben bis hin zum Einsatz von Hochdruckreinigern, Abflammgeräten und den Einsatz von Heißwasserdampf. Die Gemeinde Bozen etwa verzichtet seit 2016 auf das Ausbringen von chemischen Herbiziden.
Um vorbeugende und bekämpfende Maßnahmen durchführen und die notwendige Arbeitskraft dafür bereit stellen zu können, hat sich zum Beispiel die Anstellung von PraktikantInnen, die Ausschreibung von Sommerjobs oder der Freiwilligeneinsatz von Flüchtlingen als gute Option erwiesen.
Diese guten Lösungen brauchen rechtliche und politische Anschubser. Die grüne Landtagsfraktion legt hierzu zwei Initiativen vor, nämlich einen Landesgesetzentwurf (LGE Nr. 120/17) und die Vorlage für einen Beschlussantrag, der von GemeinderätInnen übernommen und in der eigenen Gemeinde so oder in ähnlicher Form vorgelegt werden kann.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass in geschlossenen Ortschaften und in unmittelbarer Umgebung von Schulen, Kindergärten und Spielplätzen keine Unkrautbekämpfungsmittel ausgebracht werden dürfen. Dazu soll das Naturschutzgesetz abgeändert bzw. ergänzt werden.
Der Musterbeschlussantrag für die Gemeinden hingegen fordert den jeweiligen Gemeindeausschuss zur Beschlussfassung auf, damit

  1. auf das Ausbringen von chemischen Herbiziden auf den öffentlichen Flächen verzichtet wird.
  2. das Ausbringen von chemischen Herbiziden jedenfalls im Ortskern und in der unmittelbaren Umgebung von Schulen, Kindergärten und Spielplätzen untersagt wird.
  3. die zuständigen Ämter bzw. die Gemeindebeschäftigten und die Bevölkerung über Gefahren und Alternativen von chemischen Unkrautbekämpfungsmitteln informiert werden.

Wir hoffen damit einen Beitrag zu einem gesünderen, umweltfreundlicheren und den Bedürfnissen der BürgerInnen entgegenkommenden Südtirol zu leisten. Der Landesgesetzentwurf wird am kommenden Mittwoch, 24.05.17, im 2. Gesetzgebungsausschuss des Landtags behandelt.
Bozen, 22. Mai 2017
Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba
Hans Heiss

Ulrike und Ingrid – ein starkes Duo an der Spitze der österreichischen Grünen. Wir gratulieren!

Der erweiterte Bundesvorstand der österreichischen Grünen hat heute beschlossen, wer die Nachfolge von Eva Glawischnig an der Spitze der Partei antreten wird. Die Entscheidung ist auf Ingrid Felipe als Parteichefin und Ulrike Lunacek als Spitzenkandidatin für die Nationalratswahlen gefallen. Der Bundeskongress im Juni wird dann die Wahl treffen.
Wir finden: eine sehr gute Entscheidung!
Mit der Tiroler Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe sind wir seit Langem in Freundschaft verbunden und beobachten und schätzen ihr politisches Geschick und ihr Engagement. Ulrike Lunacek kennen wir als Europaparlamentarierin und EP-Vizepräsidentin in besonderem Einsatz für BürgerInnenrechte und Frauenpolitik.
Wir gratulieren Ingrid und Ulrike und freuen uns über diese Besetzung. Sie werden Eva Glawischnigs erfolgreiche Umwelt- und Gerechtigkeitspolitik fortsetzen, dessen sind wir uns gewiss. Und sie werden in den anstehenden Wahlen sicher einen engagierten und sachlichen Kontrapunkt im zu erwartenden Tanz der Eitelkeiten zu setzen wissen.
Toi toi toi für Euer Tandem, Ingrid und Ulrike!

Brigitte Foppa, Hans Heiss, Riccardo Dello Sbarba
Evelyn Gruber-Fischnaller und Ulrike Spitaler, Grüne Frauen

Der neue Gesetzentwurf zur Führungsstruktur der Landesverwaltung setzt auf die Spitzenbeamten. Auf Kosten von Know-How und sozialer Gerechtigkeit – und mit Spitzengehältern bis zu 240.000 Euro!
Am 18.5. hat die Landesregierung den Gesetzentwurf zur Führungsstruktur der Landesverwaltung beschlossen. Damit schließt sich die erste, von vielen Stolpersteinen und ersten Opfern gekennzeichnete Phase dieses „Reformgesetzes“. Die Öffentlichkeit konnte mitverfolgen oder erahnen, welche Auseinandersetzungen sich in den Chefetagen von Verwaltung und Politik abspielten. Verschiedene Ansätze standen sich gegenüber: Die Frage, ob es die unterste Führungsebene zu stärken gälte (AmtsdirektorInnen, KoordinatorInnen) – oder aber ob die höchste (insbesondere die RessortdirektorInnen) weiter aufgewertet werden sollte.
Die Grüne Fraktion weist seit Langem darauf hin, dass die Ressortdirektionen, von der politischen Mehrheit ernannt, die „goldene Spitze der Pyramide“ darstellen (s. Anfrage in der Aktuellen Fragestunde vom 12.01.2016, und Antwort).
Die 23 Spitzenpositionen in den Ressortdirektionen kosten über 2 Millionen im Jahr. Die acht RessortchefInnen und drei SchulamtsleiterInnen verdienten im Jahr 2015 zwischen 77.000 und 142.700 Euro, dazu kommen Generaldirektor (128.700 Euro) und Generalsekretär (158.200 Euro) [alle Angaben sind Bruttogehälter, ohne allfällige Ergebniszulagen].
Es handelt sich um Personen (bis auf den Generaldirektor, der mit Auswahlverfahren ernannt wurde) aus dem Umfeld der LandesrätInnen, oft auch aus dem engsten politischen Vertrauenskreis, die für die Dauer der Legislaturperiode an die Spitze der Beamtenschaft gesetzt werden. Auf sie setzen heißt, die politische Ebene zu stärken. Der von der Landesregierung beschlossene LGE wertet diese Ebene auf, etwa dadurch, dass eine theoretische Gehaltsobergrenze eingeführt wird, die weit über den derzeitigen Gehältern liegt, nämlich bei 240.000 Euro. Eine gefährliche Entwicklung: Bekanntlich werden Höchstgrenzen schnell zu Normalgrenzen. Wie man diese Spitzengehälter politisch ernannter Führungskräfte den Normalverdienenden verständlich machen soll, ist schleierhaft.
Unserer Meinung nach sind die AmtsdirektorInnen, die Führungskräfte der untersten Verwaltungseinheiten, ernannt mit Wettbewerben oder anderen Auswahlverfahren, wesentliche Trägerinnen und Träger des Managements des Landes. Daneben arbeiten die KoordinatorInnen in inhaltlicher Nähe zu ihren Projekten und leisten wertvolle Arbeit. Während mit dem neuen Gesetz die Führungskräftezulage durch ein teureres, dem gesamtstaatlichen Muster folgendes System ersetzt wird, droht der Koordinierungszulage der KoordinatorInnen die ersatzlose Streichung. Dadurch werden die untersten Führungsebenen benachteiligt, das Wissen und die Kompetenzen, die die KoordinatorInnen im Lauf der Zeit erwerben, werden nicht gewürdigt.
Die Entmachtung der untersten Ebenen mit Aufwertung der obersten zieht sich durch den Entwurf, etwa wenn die Delegierung nach unten begründet werden muss, während es dem Ressortdirektor frei steht, „den Erlass von Verwaltungsakten an sich zu ziehen“.
Weitere Aspekte des Gesetzentwurfs werden im Laufe der Debatte im Ausschuss zutage treten und sicher auf Kritik stoßen.
Ein erstes Fazit unsererseits: Von Demokratisierungs- und Transparenzoffensive oder wenigstens einem Schub in diese Richtung ist bis auf Weiteres keine Rede. Ein weiteres Mal enttäuscht die Landesregierung genau in dem Bereich, in dem sie 2013 die größten Versprechen getätigt hatte – in der Trennung von Politik und Verwaltung, die immer mehr auf dem Spiele steht.
Bozen, 19.05.2017
Landtagsabgeordnete
Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba
Hans Heiss

Mattarellum, Porcellum, Italicum und jetzt Rosatellum – Italiens Wahlgesetze ändern sich mit jeder Wahl. Was immer gleich bleibt, sind das schrille Latinorum ihrer Namen und die darin schamlos enthaltenen Gefälligkeitsausnahmen für die Südtiroler Volkspartei. Seit gestern liegt der Entwurf für das Wahlgesetz vor, mit dem nach der gescheiterten Verfassungsreform das nächste Parlament gewählt werden soll. Es heißt nach dem Gruppensprecher des Partito democratico in der Abgeordnetenkammer, Ettore Rosato, „Rosatellum“, ist jedoch das Werk von PD-Chef  Matteo Renzi, der damit wieder an die Macht im Staat zurück will.
So wie bereits beim verfassungswidrigen Italicum hat Renzi auch in dem gestern vorgelegten Wahlgesetzentwurf für Kammer und Senat Südtirols Wahl-Landkarte wieder ausschließlich der SVP auf den Leib geschneidert. Der Staat bekäme demnach ein völlig neues Wahlsystem, nur für Südtirol bliebe alles gleich wie beim Italicum. „Südtirol ist nicht Italien“ – am Wahlgesetz ist dieser Kampfspruch der Südtiroler Rechten bereits verwirklicht. Freilich nur zugunsten einer Partei und auf Kosten von Demokratie und Chancengleichheit. Einzige Richtschnur des Wahlgesetz-Schneiders für Südtirol scheint zu sein,  sich die Stimmen der SVP und der von dieser gegängelten Gemischten Fraktion zuerst für die Annahme des Wahlgesetzes und später für seine (erhoffte) Regierung zu sichern. Der Erreichung dieses machtpolitischen Ziels opfern Renzi und seine Partei sämtliche andere Prinzipien. Voran das eines demokratischen Pluralismus innerhalb des Autonomie-Systems so wie das eines gleichwertigen Zusammenlebens zwischen den Sprachgruppen.
Weiterhin im Wahlgesetzentwurf enthalten ist die Klausel, wonach eine Sprachminderheitenpartei innerhalb ihrer Region 20 Prozent erreichen muss, um ins Parlament zu kommen. 20 Prozent auf Regionalebene heißt angewandt auf die Region Trentino-Südtirol 40 Prozent in Südtirol allein. Realpolitisch ausgedrückt bedeutet das: Die parlamentarische Vertretung wird per Gesetz der Südtiroler Volkspartei vorbehalten. Das ist die Legalisierung des Einparteiensystems und das De-facto-Verbot jedes Pluralismus’. Die Beibehaltung der SVP-Exklusiv-Klausel bedeutet außerdem einen Wortbruch hoher SVP-Politiker, voran ihres Autonomiewärters Karl Zeller. Dieser hat im vergangenen Wahlkampf die Fragwürdigkeit der 20-Prozent-Klausel selber zugegeben undversprochen, sie zu überwinden. Dies damals unter dem Eindruck der Sorge, dass die Volkspartei selber an der als Oppositionskiller gedachten Hürde scheitern könnte.
Unverändert verblieben sind im neuen „Rosatelum“-Entwurf ebenso die fragwürdige Einteilung Südtirols in vier Wahlkreise (gedacht: drei sicher für die SVP und einer namentlich für einen Italiener, der allerdings immer ein Italiener von SVPs Gnaden sein muss) sowie der schamlos SVP-genehme Zählmodus für die drei Sitze gemäß Proportionalsystem. Damit wird eindeutig das Prinzip verletzt, wonach jede Stimme gleich viel zählt.
Wird das „Rosatellum“ in vorliegender Fassung das nächste Wahlgesetz, so ist der SVP-Wahlsieg bereits gesetzlich abgesichert. Die finanziell klamme Partei braucht dafür keinen Wahlkampf zu führen. Der SVP in ihrem Selbstverständnis als Partei der Südtiroler sollte es zu minder sein, sich einen Wahlsieg per Wahlgesetz zu sichern anstatt ihn im fairen Wettstreit mit ihren politischen Mitbewerbern zu erringen. Allen Südtiroler Demokraten muss es ein Anliegen sein, parteiübergreifend dafür einzutreten, dass der Südtiroler Sonderweg in diesem Wahlgesetz-Entwurf als Abweg erkannt und davon abgegangen wird. Das so genannten Ladiner-Gesetz von neulich war ein Beweis dafür, dass geschlossener Widerstand erfolgreich sein kann.
Florian Kronbichler, Abgeordneter     Rom, 18. Mai 2017

Anfrage zur aktuellen Fragestunde.
Jüngste Interviews der Obfrau der Südtiroler Notfallpsychologie beim Weißen Kreuz und stv. Schulleiterin, Marlene Kranebitter, machen betroffen: Die erfahrene, nicht zum Alarmismus neigende Psychologin hat nach mehreren Selbstmorden Jugendlicher in ihrem Einzugsgebiet im Eisack- bzw. Pustertal dringend zu neuen Wegen der Ursachenforschung und Prävention aufgerufen. Diskretes Schweigen helfe nicht mehr, die Omnipräsenz sozialer Medien mache Fälle rasch bekannt, mit unabsehbaren Folgen und Nachahm-Effekten. Zudem habe sich die soziale und existenzielle Situation Jugendlicher, zumal von Burschen, gegenüber jener vor 10-15 Jahren stark gewandelt. Neben der Gefährdung Jugendlicher sind aber auch nicht ältere Personen außer acht zu lassen, die aufgrund stetig erhöhten Lebensalters und damit verbundener Beschwerden und Minderung von Lebensqualität gleichfalls wachsenden Risiken unterliegen.
Daher richten wir folgende Anfrage an die Südtiroler Landesregierung:

  1. Haben inzwischen Experten und soziale Organisationen in einem Hearing oder Informationsaustausch erste Diagnosen der Gesamtsituation erhoben?
  2. Wie lassen sich bislang bewährte Netzwerke und Strategien auf die neue Lage umstellen?

Hier 2 weitere Anfragen der Grünen zum Thema Suizide in Südtirol und die (ebenso aufschlussreichen wie ratlosen) Antworten der Landesregierung dazu:
Selbstmordversuche: eine schrillende Alarmglocke
Selbstmorde in Südtirol
Di seguito due ulteriori interrogazioni dei Verdi sul tema dei suicidi in Alto Adige e le rispettive risposte (allo stesso tempo informative e perplesse):
Tentati suicidi: un campanello d’allarme da non ingnorare.
Suicidi in Alto Adige
Bozen, 17. 05. 2017
Hans Heiss
Riccardo Dello Sbarba
Brigitte Foppa

Die Landesregierung will den Zugang zu „zusätzlichen“ Leistungen strenger regeln: Diese werden von jetzt an nur den Personen vorbehalten, die sich „integrationswillig zeigen“. Die Aussage bezieht sich auf Artikel 18 des Omnibusgesetzes Nr. 125/2017, das am Montag, den 22. Mai, im vierten Gesetzgebungsausschuss behandelt wird.
Wir werden sehen, ob es sich dabei um eine vorgezogene Wahlkampagne handelt, um einen starken Auftritt zu Lasten der schwächsten Personen (ohne Wahlrecht). Die Grüne Fraktion im Landtag hat bereits eine Anfrage eingereicht, die sämtliche Widersprüche der neuen Bestimmung aufführt:

  1. Zu dieser neuen Regelung über die Leistungen wurde der Landesintegrationsbeirat nicht angehört, obwohl vom Gesetz vorgeschrieben.
  2. In den dürftigen 16 Zeilen des Artikels 18 sind weder die Leistungen, die allenfalls verweigert werden würden, noch gültige Kriterien festgeschrieben, um zu entscheiden, ob eine Person integrationswillig ist oder nicht.
  3. Die neue Bestimmung verfügt über keine wissenschaftliche Grundlage zum komplexen Thema des „Integrationswillens“ und die entsprechenden Folgen, weder auf lokaler noch auf europäischer Ebene.
  4. Der Gesetzesartikel geht an keiner Stelle auf die schon gültigen rechtlichen Rahmenbedingungen ein. Diese sehen bereits Einschränkungen vor (5-jähriger Wohnsitz und Arbeit im Land), die von italienischen und europäischen Gerichten bereits als ausreichend eingestuft wurden.
  5. Das Land selbst hat gegen sein Integrationsgesetz verstoßen, da es das im Landesgesetz Nr. 12/2011 vorgesehene „Antidiskriminierungszentrum“ nie ins Leben gerufen hat. Bevor das Land also den MigrantInnen Auflagen erteilt, sollte es seine eigenen Hausaufgaben machen, und dadurch die Integration fördern.
  6. Die Landesregierung schaltet auf einen harten Kurs mit den MigrantInnen, aber uns ist noch nicht zu Ohren gekommen, dass auch Kampagnen gegen Diskriminierung, Rassismus, Xenophobie und Islamophobie geplant wären. All diese Phänomene gibt es auch bei „Einheimischen“, von Mietwohnungen, die nur „für unsere Leute“ bestimmt sind, bis zu rassistischen Äußerungen im Internet, verfasst von Personen, die in unserem Land leben.

In dieser Form ist die neue Bestimmung inakzeptabel. Sollte sie angenommen werden, wird sie den sicherlich folgenden Anfechtungen nicht standhalten.
Landtagsabgeordnete
Riccardo Dello Sbarba
Brigitte Foppa
Hans Heiss
Anfrage

Kein Geplänkel der Opposition, sondern demokratische Wachsamkeit.

In gewohnt sanfter Tonlage, dafür aber in umso gröberer Argumentation hat Daniel Alfreider, On.le und Landesrat in spe zum „Ladinerpassus“ im Wahlgesetz Stellung genommen und dabei den Protest der politischen Minderheit als inhaltsarmes Geplänkel abgetan.
Die Aussage kann nicht unwidersprochen bleiben. Das neue Wahlgesetz war in einem beispielgebenden Prozess der Zusammenarbeit zwischen Mehrheit und Opposition entstanden. Insbesondere zur Vertretung der LadinerInnen hatte man im Gesetzgebungsausschuss lange um eine Lösung gerungen. Diese wurde auch in einem sehr akzeptablen Kompromiss gefunden.
Im Plenum des Landtages wurde dann der Passus, völlig verändert, in letzter Sekunde vorgelegt und von SVP-Fraktionssprecher Steger lapidar als technische Anpassung abgetan, im Versuch, den Landtag damit zu übertölpeln – freilich ein misslungener Coup. Der gewunden formulierte Passus wurde entschlüsselt und bleibt als dunkler Fleck auf diesem Wahlgesetz.
Dabei war sich der Landtag einig, dass dem Autonomiestatut durch eine Vertretung der ladinischen Sprachgruppe Rechnung zu tragen sei. Das Statut spricht aber keineswegs vom „meistgewählten“ Ladiner. Die Kategorie des „richtigen“ Ladiners wurde erst mit diesem Passus geschaffen. Und mit ihr eine Vorzugsschiene für eine bestimmte Gruppenzugehörigkeit.
Der Wählerwillen, auf den sonst immer hartnäckig hingewiesen wird, hat das Nachsehen gegenüber den inneren Gleichgewichten innerhalb der SVP.
Dass die SVP ihre internen Probleme und Verteilungskämpfe über das Wahlgesetz zu lösen versucht (ein SVP-interner Verhaltenskodex wäre treffender gewesen), ist zwar eine altbekannte Tatsache, aber eine gravierende demokratische Verzerrung.
Ein Zeichen, dass der regierenden Mehrheitspartei der politische Realitätssinn angesichts ihrer Vision eines Rückgewinns der absoluten Mehrheit zunehmend abhanden kommt.
Bozen, 16.05.2017
Brigitte Foppa, Riccardo Dello Sbarba, Hans Heiss

Ein grüner Hoffnungsschimmer an Italiens Energie-Horizont: Wirtschaftsminister Carlo Calenda hat diesen Mittwoch im Umwelt-Ausschuss der Kammer den Ausstieg Italiens von der Kohle als Energieträger „definitiv“ für die Zeit von 2025 bis 2030 angekündigt. Das wäre 10 bis 15 Jahre früher, als bisher versprochen. Kohle gilt als die umweltbelastendste aller gängigen Energiequellen. Italien hat derzeit 12 Kohlekraftwerke in Betrieb und liefert damit etwas über 13 Prozent seiner Stromerzeugung. Dabei werden freilich im Jahr 39 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen, was 40 Prozent des CO2-Ausstoßes durch die Energie-Erzeugung insgesamt ausmacht. Italienweit sterben laut amtlicher Statistik jährlich 520 Personen an den Folgen des Kohle-Verbrennens.
Mit seinen Kohle-Ausstiegplänen übertrifft Italien das sonst einschlägig ehrgeizigere Deutschland. Dieses hat in seinem geltenden Klimaschutzplan den Abschied von der Dreckschleuder Kohle für 2050 vorgesehen. Jedoch hat das Wirtschaftsministerium dieses Ziel erst jüngst relativiert. Es werde länger noch mit Kohle Strom erzeugt werden müssen. Sowohl Wirtschaftsminister Calenda als auch Umweltminister Galletti verwiesen nicht ohne Stolz auf den Vergleich mit dem „säumigeren“ und gern als Öko-Lehrmeister auftretenden Nachbar. Dabei ist der Vergleich zumindest unfair. Italien hat wohl 12 Kohlekraftwerke, aber so gut wie keine Kohle. 90 Prozent der Kohle wird importiert. Deutschland produziert bei aller effektiven wie propagierten „Energiewende“ immer noch 40 Prozent seines Stroms aus Braun- und Steinkohle. Das sagten die italienischen Minister bei ihrer Anhörung nicht.

source: http://www.buergernetz.bz.it/vote/landtag2013/pre/downloads/mod12-StimmzetteFacsimile.pdf


In dieser Woche behandelt der Landtag den Landesgesetzentwurf der SVP- Abgeordneten zu den Wahlen des Landtages. Im Vorfeld der Arbeiten im Gesetzgebungsausschuss im Februar hatten wir Grüne auf die zum Teil gravierenden Mängel des Entwurfes mehrfach hingewiesen. In zwar langwierigen, aber konstruktiven Arbeiten, auch dank der Vorschläge unserer Fraktion, wurde der Gesetzentwurf im Ausschuss deutlich verbessert.
Wir erinnern an die wesentlichen Änderungen, die damals erwirkt wurden:

1. Keine geschenkten „Ladinersitze!“
Der von allen Oppositionsparteien scharf kritisierte „Ladinerpassus“ wurde stark verbessert. Nun ist vorgesehen, dass der oder die meistgewählte Ladiner/in, sollte er oder sie nicht unter den 35 Gewählten sein, nachrückt, indem die letztgewählte Person der eigenen Liste den Platz frei machen muss (und nicht, wie im Entwurf vorgesehen, eines der Restmandate).
2. Demokratische Vielfalt leicht(er) gemacht
Für die Hinterlegung der Listen sind nun doch nicht mehr Unterschriften als bisher erforderlich, es bleibt bei den jetzt üblichen 400 (der Entwurf wollte auf 500 aufstocken). Auch wurde die Mindestanzahl der KandidatInnen pro Liste auf 12 eingeschränkt (statt, wie vorgesehen, auf 24 angehoben).
3. Platz für Frauen
Die Aufweichung der Frauenquote wurde im Ausschuss, mit vereinten Kräften und viel „Ach und Weh“ verhindert. Es bleibt also bei der bisherigen Quote, die besagt, dass kein Geschlecht mehr als 2/3 der effektiven KandidatInnen einer Liste ausmachen darf. Die diabolisch ähnlich klingende Formulierung, derzufolge es nicht mehr als 2/3 der LISTENPLÄTZE sein dürfen, wurde abgewendet. Sie hätte eine absurde Situation von 23 Männern und 1 Frau auf einer Liste möglich gemacht.
Trotzdem gibt es bei der Verbesserung des Entwurfs noch Luft nach oben. Entsprechend haben wir noch Anträge vorbereitet, die die demokratische Qualität des Wahlgesetzes deutlich wirksamer werden ließen. Es sind dies:
1. Verbot für Wahlwerbung durch Vereine, Verbände und Gewerkschaften
Wir wollten erreichen, dass das Regionalgesetz Nr. 7/1998, das dieses Verbot schon vorsieht, endlich umgesetzt wird. In unserem Änderungsantrag wird der Text des Regionalgesetzes auf die Landtagswahlen übertragen und Sanktionen und Veröffentlichungspflicht vorgesehen. Obwohl es im Ausschuss dazu von SVP-Seite hieß: „typisch grüne Verpetzpolitik!“ werden wir den Vorschlag noch einmal im Plenum vorbringen – sie würde dem ungeliebten Usus der Ungleichbehandlung endlich einen Riegel vorschieben. Übrigens liegt hierzu auch im Regionalrat bereits seit 2015 ein Gesetzentwurf unserer Fraktion vor.
2. Echte Beschränkung der Wahlspesen
Wir unterstützen den Vorschlag, die Höhe der Wahlkosten auf maximal 30.000 Euro pro KandidatIn zu beschränken. Unser Vorschlag sieht vor, Wahlwerbespesen, die in „Seilschaften“ getätigt werden, aufzuteilen und einzurechnen. Ansonsten wird es weiterhin Schlupflöcher über Verrechnung durch die Partei geben und die Einschränkung des persönlichen Wahlbudgets bleibt eine wirkungslose Formalie.
3. Und die Frauen an der Spitze?
Unser Vorschlag, endlich auch eine Vertretung des „anderen“ Geschlechtes an der Spitze des Landes vorzusehen (eine der beiden LH-Vertretungen sollte eine Frau sein – oder natürlich ein Mann, wenn es dereinst eine LH-Frau geben sollte), erhielt im Ausschuss nur 1 Stimme, jene der Einbringerin. Wir sind gespannt auf die Debatte im Plenum hierzu. Denn die Mehrheit zeigte schließlich ja etwa mit dem „Landinergesetz“ ganz deutlich, dass sie nichts gegen Quoten hat, wurde doch die ladinische Vertretung in der LH-Stellvertretung per Quote gesichert. Mal sehen, ob Frauen in Südtirol in ihrem Recht auf Quoten den Status von Ladinern erreichen.
Bozen, 10.05.2017
Landtagsabgeordnete
Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba
Hans Heiss
Minderheitenbericht:
[gview file=“http://www.verdi.bz.it/wp-content/uploads/2017/05/Minderheitenbericht_Relazione-di-minoranza.pdf“]

Bezüge von Landtagsorganen und Landesregierung: Grüne lehnen Zulagen für kleine Ämter strikt ab; die Bezüge der Landesregierung sind gesetzlichen Vorgaben anzupassen.

Der Südtiroler Landtag behandelt diese Woche endlich die seit langem anstehende Frage der Bezüge von Organen des Landtages und der Landesregierung.
Nachdem der Entwurf der Amtsentschädigungen für Regierung und Landtagsämter bereits im Dezember 2016 im Plenum des Landtags versuchsweise behandelt worden war, zog die Landesregierung angesichts der kontroversen und harten Diskussion die Notbremse und trat den Rückzug an. Das Gesetz wurde wieder der Gesetzgebungskommission übermittelt, worauf nach unzumutbarer Verzögerung nun ein neuer Anlauf erfolgt.
Hierzu in aller Deutlichkeit die Position der Grünen: Die Vorlage der vier Unterzeichner aus den Reihen des Präsidiums (Widmann, Bizzo, Tinkhauser und Renzler) ist in dieser Form nicht annehmbar. Der Entwurf sieht eine minimale Senkung der Zulagen der Landesregierung und Landtagsspitze vor, die über die Entschädigung als Abgeordnete hinaus für die Spitzenämter von Exekutive (Landeshauptmann und Landesräte) und Landtag (Präsident und Präsidium) zuerkannt werden.
Die vorgeschlagenen, steuerfreien Funktionszulagen zwischen 3300 und 4600 Euro (für LT-Präsident, Landesräte, LH) zum „normalen“ Abgeordnetengehalt entsprechen in dieser Höhe keinesfalls den gesetzlichen Vorgaben der Regierung Monti und den Vereinbarungen in der Staat-Regionen Konferenz, die in fast allen Regionen Italiens bereits umgesetzt wurden, im benachbarten Trentino bereits seit 2014. Auch wenn Verantwortung und Arbeitslast in der Landesregierung hoch sind, ist dennoch der gesetzliche Rahmen zu beachten, der deutliche Einschränkungen vorsieht.
Die Abgeordneten von Trentino und Südtirol haben die ihnen gleichfalls vorgeschriebene Absenkung seit 2013 vollzogen. Ihre Entschädigungen liegen um 8% unter der Marke von 2010 und deutlich unter jener der allermeisten Regionen Italiens. Fundierte Rechtsgutachten wie jenes von Giuseppe Caia weisen juristisch stichhaltig darauf hin, dass auch für Regierung und Landtagsspitze eine deutliche Absenkung zu erfolgen hat. Das Gegengutachten Falcon hat die Caia-Argumente nicht widerlegen können.
Die fortdauernde Erhöhung der Zulagen für die „hohen Ämter“ soll durch Boni für Fraktionssprecher und Präsidenten der Gesetzgebungskommissionen „versüßt“ und damit der Opposition schmackhaft gemacht werden. Die (bisher nicht bestehenden) Zulagen für die kleineren „Jobs“ weisen wir entschieden zurück und lehnen ihre Annahme für den Fall der Genehmigung des Gesetzes kategorisch ab. Die Grünen werden für die Tätigkeit als Fraktionssprecher keinen Euro annehmen; an der Spitze der Gesetzgebungskommissionen sitzen ohnedies nur Präsidenten der Mehrheit, deren Appetit unstillbar scheint.
Der vorliegende Gesetzesentwurf versucht, eine seit langem offene Frage kurz vor Ende der Legislatur zu klären, tut dies aber in unzumutbarer Form und widersprüchlicher Manier, der man das schlechte Gewissen von weitem ansieht. Wir Grüne werden uns auf diesen Handel weiterhin erhöhter Spitzenzulagen gegen Beruhigungs-Boni für die Opposition nicht einlassen.
Bozen, 09.05.2017
Hans Heiss
Riccardo Dello Sbarba
Brigitte Foppa