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Minderheitenbericht zum Landeshaushalt 2023-2024. Mut- und kraftlos.

Landeshaushalt 2023-2024 – Mut- und kraftlos

Minderheitenbericht LGE 119/22-XVI, LGE 120/22-XVI, LGE 121/22-XVI

Der vorliegende Haushaltsentwurf 2023 wirkt eigenartig kraftlos. Kraftlos, weil er bis auf einige wenige Arbeitsbereiche eine schlichte Fortschreibung des Anfangshaushaltes 2022 ist. Und mutlos, weil sich keine besonderen politischen Schwerpunkte erkennen lassen, keine Neuausrichtung der Politik und schon gar keine Nachhaltigkeitswende für die Zukunft. Es bleibt geldmäßig alles beim Alten, Energiekrise, Klimakrise und Naturkrise wurden nicht in den Haushalt aufgenommen.

So wenig die bisherigen Anfangshaushalte der Regierung Kompatscher eine besonders große Aussagekraft hatten, so hat auch der vorliegende Anfangshaushalt eher den Charakter einer Beruhigungspille. Alle politischen Aufgabenbereiche und Ressorts haben 2023 eine Basisfinanzierung erhalten, sie könnten das kommende Jahr schon irgendwie überstehen, würde man meinen.

In Wirklichkeit werden die politischen Akzente – und diese waren in den vergangenen Jahren immer wirtschaftlicher Natur – durch nachfolgende Haushaltsänderungen und durch den Nachtragshaushalt 2023 gesetzt. Im Laufe des Jahres werden freie oder zusätzliche Geldmittel auf direktem Weg und immer häufiger auch indirekt über den Reservefonds in die Arbeitsbereiche Tourismus, Straßenbau und Wirtschaftliche Entwicklung gelenkt.

Als Beispiel ein kurzer Exkurs in das Haushaltsjahr 2021: Der Anfangshaushalt hatte 6,5 Mrd. Euro, im Laufe des Jahres wuchs der Betrag durch Haushaltsänderungen und Nachtragshaushalt auf 7,7 Mrd. Euro an und in der Rechnungslegung 2021 (Endabrechnung) wurden gar 8,8 Mrd. Euro abgerechnet. Während also zu Jahresbeginn 2021 der Haushalt einigermaßen ausgeglichen war, wenngleich Wirtschafts- und Investitionsschwerpunkte klar erkennbar waren, so erzeugte der üppige Geldfluss im Laufe des Jahres eine eklatante Wirtschafts- und Investitionslastigkeit. Die Investitionsquote stieg von anfangs 15 % auf schlussendliche 25 %, was angesichts der prekären Lohn- und Gehaltssituationen im öffentlichen Dienst geradezu obszön ist.

Die Investitionsquote eines öffentlichen Haushaltes ist der Gradmesser für freie Geldmittel, die für Infrastrukturen (Bruttoanlageinvestitionen) oder für Investitionsbeiträge verwendet werden und somit für die Privatwirtschaft ankurbelnd wirken. Die Investitionsquote errechnet sich aus der Summe des Haushaltes abzüglich aller laufenden Ausgaben für Bildung, Gesundheit, Mobilität, Pflege und Verwaltung.

Die Investitionsquote sollte nicht zu niedrig sein, weil dadurch im Laufe der Zeit die Infrastrukturen funktionsuntüchtig werden und ein volkswirtschaftlicher Nachteil entsteht. Sie sollten aber auch nicht zu hoch sein, weil der Wirtschaftsmotor dadurch zu überhitzen droht, es kommt zur überproportionalen Nachfrage nach Lohnarbeitern, Produktions-, Wohn- und Lebenshaltungskosten steigen.

Die Südtiroler Landesregierung fährt seit Jahren eine der höchsten Investitionsquoten im EU-Raum: sechs Prozent des BIP (Bruttoinlandprodukt) sind in Südtirol die Regel, häufig liegt die Quote auch deutlich darüber. Der EU-Durchschnitt liegt bei drei Prozent. Die Steuermilliarden der Südtiroler: innen fließen in den Straßen- und Seilbahnbau, in die Tourismusindustrie, in den Bau von Beschneiungsbecken, an Unternehmen, in die Landwirtschaft und auch in den Urlaub am Bauernhof.

Auf der Strecke bleiben dabei viele Menschen: einerseits Mitarbeiter:innen des öffentlichen Dienstes, welche seit dem Jahr 2013 über 15 Prozent Reallohnverlust erleiden mussten und andererseits alle Bürger:innen, welche die öffentlichen Dienste wie Gesundheit, Pflege, Mobilität und Bildung stärker denn je beanspruchen müssen. Die soziale Schere geht auseinander, ein Gegensteuern ist auch in diesem Haushalt 2023 nicht in Sicht.

Die Landesregierung hat die sieben guten Jahre zwischen 2014 und 2020 fahrlässig verstreichen lassen, um die öffentlich Bediensteten besser zu bezahlen und damit die öffentliche Sache zu stützen. Jetzt, so scheint es, steuern wir auf sieben magere Jahre zu.

Analyse der vorliegenden Haushaltszahlen

Obwohl der vorliegende Haushalt mit 6,7 Mrd. Euro nominal sehr üppig ausfällt, büßt er im Vergleich zum Vorjahr durch die Inflationsrate über zehn Prozent (September 2021 – September 2022) Euro ein. Somit steht momentan für das Jahr 2023 ein Haushalt mit einem Realwert von gut 6 Milliarden zur Verfügung. Das ist ein gewaltiger Einbruch im Vergleich zum Jahr 2022!

Landeshauptmann Kompatscher rechnet zwar im Nachtragshaushalt mit weiteren 250 Millionen Euro, welche aber angesichts der aktuellen Teuerung lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Vermutlich werden aber PNRR- und Olympiagelder, welche im Landeshaushalt nicht abgebildet sind, das eine oder andere Budgetloch im Straßen- und Seilbahnbau stopfen.

Dennoch sind bereits jetzt einige Problembereiche zu erkennen, die ohne deutliche Nachfinanzierung in Schwierigkeiten geraten werden. Angesichts der neoliberalen Politikagenda überrascht es nicht, dass es sich dabei um die Sozial-, Personal- und Umweltbereiche handelt.

 

Die Sorgenkinder

  • Arbeitsbereich Sozial- und Familienpolitik – Krass unterfinanziert

Der Sozialbereich mit Fürsorge und Pflege ist demographischen gesteuert, die notwendigen Geldmittel steigen von Jahr zu Jahr. Vorgesehen sind einstweilen 695 Mio. Euro, die aber laut meinen Berechnungen bei Weitem nicht reichen werden: Mehraufwand und Teuerungsrate ergeben einen zusätzlichen Bedarf von rund 150 Mio. Euro. Damit wäre rein theoretisch der Nachtragshaushalt bereits zur Hälfte konsumiert.

  • Arbeitsbereich Gesundheitsschutz

Obwohl der Gesundheitsschutz mit 1,48 Mrd. Euro über einen passablen Anfangshaushalt verfügt, erzwingt die Inflation eine zusätzliche Finanzierung von schätzungsweise 50 Millionen Euro, wahrscheinlich werden es deutlich mehr sein.

  • Arbeitsbereich Wohnungsbau – Leistbares Wohnen bleibt Wunschdenken

Der öffentliche Wohnungsbau ist mit 58 Millionen auch im langjährigen Vergleich sehr schwach aufgestellt. Eigentlich ist im Bezug auf die letzten zehn Jahre ein absoluter Tiefpunkt erreicht, der eventuell durch Kreditaufnahmen, PNRR-Gelder oder andersartige Finanzierungen etwas entschärft werden kann. Die chronische Wohnungsnot wird jedoch bleiben, diese Landesregierung will das große gesellschaftliche Problem des Leistbaren Wohnens auch im Jahr 2023 nicht angehen.

  • Bereichsübergreifender Kollektivvertrag – Öffentlich Bedienstete schauen durch die Finger

Vor wenigen Tagen kam es in Österreich zum Gehaltsabschluss 2023 für den öffentlichen Dienst. Ab 1. Jänner 2023 gibt es für die öffentlich Bediensteten eine Gehaltserhöhung von 7,32 Prozent, damit ist den Verhandlern eine dauerhafte Kaufkraftsteigerung gelungen. Zwischen 2014 und 2022 (Regierungszeit Kompatscher) sind die Löhne und Gehälter des öffentlichen Dienstes in Österreich um über 25 Prozent gestiegen. Im reichen und überteuerten Südtirol waren es magere 6 Prozent. Im Vergleich zu den österreichischen Kolleginnen haben Südtirols öffentlich Bedienstete das Nachsehen.

Aufgrund der effektiven Teuerung der Jahre 2021 und 2022 braucht der öffentliche Dienst mindestens 50 Mio. Euro für das kommende Jahr. Im entsprechenden Kapitel der Bereichsübergreifenden Kollektivverträge herrscht jedoch gähnende Leere.

  • Arbeitsbereiche Energie, Natur- und Umweltschutz – Kapitulation

Ein Jahr lang hat Landeshauptmann Kompatscher das Land mit Nachhaltigkeitsshows beglückt, im Haushalt 2023 fehlen aber jegliche finanzielle Akzente zur Nachhaltigkeit. Eine Verdoppelung der Mittel für die Energiewende, für den Naturschutz und für Ökowende wäre aus unserer Sicht das Mindeste gewesen. Ehrlich gesagt, hatte ich mir dies nach dem diesjährigen Nachhaltigkeits-Trommelfeuer so erwartet. Für die Energiewende finden sich magere sieben, für die Ökowende verschwindende zwei Investitions-Millionen in den entsprechenden Programmen.

 

Mehr Steuergerechtigkeit braucht das Land

Die IRAP-Steuer ist in Unternehmerkreisen höchst umstritten und unbeliebt, wer will auch schon gerne Steuern zahlen? Allerdings dürften sich die Unternehmer nicht beklagen, denn ihr Anteil an den Gesamtsteuereinnahmen des Staates nimmt seit Jahren ab. In den OECD-Staaten sind die nominalen Gewinnsteuersätze der Unternehmen seit 1985 von 51 auf 29 Prozent gesunken. Das hat zur Folge, dass kleine und mittlere Einkommen überproportional zum Steueraufkommen beitragen müssen. Es ist deshalb nur gerecht, wenn Unternehmen einen zusätzlichen Steuerbeitrag leisten.

Ein ständiger Zankapfel ist die Gemeindeimmobiliensteuer (GIS), die den einen zu hoch und den anderen zu niedrig ist. Ferienwohnungen und Urlaub am Bauernhof werden dieses Mal zu Recht unter die Lupe genommen: Warum bei gleicher Tätigkeit Privatzimmervermieter mehr GIS zahlen wie die Betreiber vom Urlaub am Bauernhof ist völlig unverständlich und ungerecht. Beide Kategorien haben aus unserer Sicht denselben Steuersatz zu entrichten.

Noch unverständlicher ist jedoch die seltsame Steuerregelung, dass gewerbliche Tourismus-Immobilien einer weitaus geringeren GIS unterliegen als Wohnungen für Mietzwecke. Tourismustreibende zahlen 0,2 % GIS für die Unterkünfte, Herr und Frau Südtiroler berappen je nach Gemeinde von 0,76 bis 3,5 Prozent für ihre Wohnungen. Viel ungerechter kann ein Gesellschaftsvertrag nicht sein!

Mehr Respekt für die parlamentarischen Institutionen notwendig

Im Begleitgesetz (121/22) wiederholen sich die schlechten Gewohnheiten dieser Landesregierung, wichtige und umfangreiche Gesetzesänderungen an den zuständigen Gesetzgebungskommissionen vorbeizuschleusen. Im Konkreten geht es um die Neuordnung des Landesstatistiksystems (Art. 4), Neuregelung des Landesgesundheitsdienstes (Art. 5, Art. 15) und um die Neuordnung der Örtlichen Körperschaften (Art. 7). All diese Änderungen müssten in den entsprechenden Gesetzgebungsausschüssen von den kompetenten Kolleg:innen des Landtages eingehend geprüft, diskutiert und korrigiert werden.

Diese ständige Missachtung der institutionellen Gremien wirft einen autokratischen Schatten auf die Landesregierung Kompatscher, untergräbt die Autorität des Südtiroler Landtags und beschädigt zum wiederholten Mal die eh schon schwächelnde Demokratie unseres Landes.

 

Bozen, 29.11.2022

Der Landtagsabgeordnete

Hanspeter Staffler

Author: Heidi

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Im reichen Südtirol
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