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Kinderbetreuung: Weg vom Fleckerlteppich

BESCHLUSSANTRAG

Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist als gesellschaftspolitisches Ziel in aller Munde. Zu Recht: Denn zwingende Voraussetzung dafür, dass Eltern berufstätig sein können, ist die Sicherheit, die Kinder gut untergebracht zu wissen.
Diese Sicherheit ist in Südtirol bisher nur bedingt gegeben. Besondere Kritikpunkte sind dabei die Kleinkindbetreuung, die Betreuung am Nachmittag und am Tagesrand, die Sommerbetreuung. Gerade in diesen Situationen behilft man sich meist mit Übergangs- und Notlösungen.
Für Eltern und Kinder ist das mit einem andauernden Stress verbunden. Normalerweise klappt der Alltag, wenn alles wie geplant abläuft. Aber schon kleinste Variierungen des Alltags durch Krankheit, Schulschließungen, Ausfall von Familienmitgliedern, die bei der Versorgung der Kinder mithelfen, kippen das mühsame Gleichgewicht von Familien. Besonders schwierig ist der Alltag von Eltern, die in Schichten, in der Sommersaison oder am Wochenende arbeiten.
Für die Kinder ist der moderne Alltag ebenfalls belastend. Sie wechseln oftmals von einer Betreuungssituation in die nächste, müssen sich auf neue Bezugspersonen und ständig wechselnde Peergruppen einstellen und einlassen.
Besonders anstrengend sind in diesem Zusammenhang die Sommermonate für Kinder von arbeitenden Eltern. In Südtirol gibt es außer dem Sommerkindergarten kaum kontinuierliche Betreuungsangebote, sondern viele mehr oder weniger lang andauernde Projekte. Es war ein erklärtes politisches Ziel der Landesregierung gewesen, auf Subsidiarität und Eigenverantwortung zu setzen, indem man Angebote („Sommeraktivitäten“) von Bildungseinrichtungen, Sozialgenossenschaften, Vereinen etc. gezielt förderte. Der Sektor wächst.
Im Jahr 2018 wurden beinahe 300 Projekte in 111 Gemeinden Südtirols mit über 8,5 Millionen Euro gefördert. Eltern müssen bereits bis Ende Februar, teilweise innerhalb März, ihre Kinder zu den entsprechenden Aktivitäten anmelden. “Mit den Sommerferien beginnt für viele Eltern eine Zeit, in der sie ihren Familienalltag neu organisieren müssen. Das umfangreiche, bunte Angebot der Ferienbetreuungsmöglichkeiten ist daher eine wichtige Unterstützung, die für Eltern und Kinder von Bedeutung ist: Die Eltern werden entlastet und die Kinder sammeln neue Erfahrungen, knüpfen Freundschaften und verleben eine tolle Zeit”, so bewertet Familienlandesrätin Waltraud Deeg laut LPA das Sommerangebot. Die Kehrseite der Sommeraktivitäten ist aber auch ein oft unerholsamer Sommeralltag durch ständigen Umgebungswechsel, dauernde Umstellung der Abläufe, oft auch Ablehnung und Widerstand seitens der Kinder.
Die Familienstudie des ASTAT bestätigt diese empirische Wahrnehmung ganz deutlich: 33% der Eltern geben an, häufig Schwierigkeiten mit der Organisation der Kinderbetreuung in den Sommerferien zu haben, 32,2% haben dasselbe Problem an schulfreien Tagen. 31% beim Transport zu Freizeitaktivitäten, 26 bzw. 30% beim Hinbringen bzw. Abholen der Kinder von der Schule, 23% über die Mittagszeit, 19% am Abend und in der Nacht, 17% an Samstagen, Sonn- und Feiertagen.
Der Preis für die Betreuung ist hoch, meist bezahlen ihn in erster Linie die Mütter. Im Jahr 2016 gingen 50% der unselbstständig arbeitenden Frauen und 6% der Männer einer Teilzeitbeschäftigung nach. Während, so ASTAT, die Arbeitsbiografien der Männer von der Elternschaft weitgehend unberührt bleiben, sind Frauen eher dazu bereit, der Familie zuliebe bei der Arbeit kürzerzutreten. Diese „Großzügigkeit“ schlägt sich bekanntermaßen leider zunehmend in weiblicher Altersarmut nieder – wenn dann die fehlenden Beiträge zu einer geringeren Rente führen.
Die Tatsache, dass in Bozen vier von fünf Teilzeitbeschäftigten (im restlichen Landesgebiet 53%) einen reduzierten Stundenplan aus den Gründen der Kinderbetreuung gewählt haben, zeigt ebenso dramatisch auf, welches Gewicht diese Problematik in den Familien hat.
Es ist also notwendig, dass man diese gesamte Problematik von der Ebene der einzelnen Familie und der einzelnen Einrichtung auf die politische Ebene verlegt und ein gesamtheitliches und umfassendes Konzept zur Betreuung der Kinder in unserem Land entwickelt wird.

Daher beauftragt der Südtiroler Landtag die Landesregierung

  1. in einer Erhebung zu eruieren, welche Bedürfnisse die Familien für die Kinderbetreuung haben und welche Stärken und Kritikpunkte die derzeitigen Angebote aufweisen, insbesondere im ländlichen Raum und im Hinblick auf die räumliche und zeitliche Kontinuität;
  2. in der Folge ein zwischen Land, Gemeinden, Kindergärten, Schulen, privaten Trägern und Betrieben gut abgestimmtes Gesamtkonzept für eine altersgerecht abgestufte, umfassende und kontinuierliche Betreuung für die Kinder bis 14 Jahren zu entwickeln;
  3. spezifische Gegebenheiten wie städtischen bzw. ländlichen Raum zu berücksichtigen und auf die Leistbarkeit der Angebote für Familien zu achten;
  4. ein Förderkonzept für Betriebstagesmütter und -väter, speziell für Unternehmen, die besondere zeitliche Notwendigkeiten haben, zu erarbeiten;
  5. Sonderförderung für jene Betriebe zu erwägen, die in der Jahresarbeitszeit Eltern mit Kindern unter 14 Jahren entgegenkommen (z.B. indem in den Ferienzeiten die Arbeitszeit reduziert werden kann).

Bozen, 22.01.2020

Landtagsabgeordnete
Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba
Hanspeter Staffler

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