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Irrungen und Wirrungen des WOBI-Reformgesetzes

PRESSEKONFERENZ WOBI-Reform – DOKUMENTATION.

Das „WOBI-Gesetz“ (LGE 104/21 – „Öffentlicher und sozialer Wohnbau“ und Änderung des Landesgesetzes vom 17. Dezember 1998, Nr. 13, „Wohnbauförderungsgesetz“) – was es bedeutet, was es bringt, was kritisch ist

Der öffentliche und soziale Wohnbau ist in Südtirol derzeit vom LG Nr. 13/1998 geregelt. Daneben enthält das LG 9/2018 „Raum und Landschaft“ wichtige Verfügungen zum Wohnbau, etwa zur Aufteilung des Baugrundes.

Seit mindestens acht Jahren spricht die Landesregierung von einer nötigen Wohnbaureform in Südtirol. Zuerst versprach LR Tommasini jährlich für das jeweils künftige Jahr die anstehende Reform, seit 2019 ist es LRin Deeg, die diese Versprechungen fortführt.

Dass die Reform notwendig ist, besagt die allgemeine Wahrnehmung. Eine Mietwohnung zu finden ist ein Ding der Unmöglichkeit, eine Wohnung zu kaufen eine Sache für Wohlhabende. Der Anteil der Kosten für das Wohnen im Verhältnis zu den Familienausgaben beträgt in Südtirol sagenhafte 41*%. In den letzten 20 Jahren ist dieser Wert um 11 % angestiegen.

In Südtirol gibt es derzeit 239.000 Wohnungen, davon sind ca. 29.000 leer stehend (12%). Mit dem Thema Leerstand beschäftigt man sich aktuell über die GIS-Besteuerung.

Der Eigentumsanteil der Wohnungen in Südtirol ist hoch: 70% sind Eigenheime, in Italien 68%.

Die vermieteten Wohnungen sind in folgende Typologien aufgeteilt (Daten der Abteilung Wohnbau):

13.400 im Eigentum des WOBI (das sind 26% aller Mietwohnungen und 6% des gesamten Wohnungsbestandes)

2.000 in anderem öffentlichen Eigentum (Gemeinden etc.)

10.200 werden mit Landesmietzins vermietet (konventionierte Wohnungen)

25.350 werden privat vermietet.

N.B. Das neue Landesgesetz befasst sich NUR mit den 13.426 WOBI-Wohnungen, alle anderen – und auch die Gesamtproblematik des (zu) teuren Wohnens in Südtirol – werden nicht behandelt.

In einer „chirurgischen“ Operation werden dazu aus dem „alten“ Wohnbaugesetz:

  • 23 Artikel ganz, plus 4 weitere in Teilen, gestrichen und teilweise durch sehr viel allgemeinere Artikel im neuen LG ersetzt;
  • 35 weitere Artikel gestrichen und durch Durchführungsverordnungen ersetzt.
  1. Aus Gesetz wird Regierungsbeschluss

Das ist auch schon der erste, große! Kritikpunkt: Während derzeit der soziale Wohnbau und das soziale Mieten in großen Teilen durch klare gesetzliche Regelungen geregelt sind, wird es in Zukunft rein in den Händen der Landesregierung liegen, ob, wann und wie die Regelungen abgeändert werden. Das ist, gerade zu einem existentiellen und langfristig wirkenden Thema wie das Wohnen, hoch problematisch, wenn wir nur an Familiengründung und -planung denken.

Der Kern des LGE ist denn auch der Artikel 13, Abs. 1, der besagt: „Mit Durchführungsverordnung werden die Voraussetzungen und die Vorzugskriterien für die Zuweisung von Mietwohnungen zum sozialen und zu bezahlbaren Mietzins sowie für die Aufnahme in Wohnheimen festgelegt (…)“ Man könnte sagen, dass in diesem Absatz der Geist des Gesetzes festgeschrieben steht, der da lautet: Künftig entscheidet alles die Landesregierung.

  1. Der Landesmietzins, wer kennt ihn?

Wichtig ist dies besonders, was den Landesmietzins betrifft. Dieser soll, laut unseren Informationen, künftig in den Ortschaften Südtirols unterschiedlich hoch sein und die effektiven Kosten der Baugründe miteinberechnen. Es ist auch gedacht, innerhalb der Ortschaften Unterschiede zu machen. So könnte in Bozen Zentrum ein höherer Landesmietzins gelten als in der Peripherie, in einem abgelegenen Ort ein niedrigerer als in einem Hauptort. Man sprach beispielsweise von einer Anhebung des Preises in Bozen von 7,02 Euro/qm auf 9,51 und von einer Absenkung in einem strukturschwachen Ort von 6,77 Euro/qm auf 5,55.

Das alles aber ist informell und spekulativ. Im Gesetzentwurf findet sich davon keine Zeile. Die Diskussionen darüber werden also nicht im Landtag stattfinden, sondern in den Büros der Landesregierung. Hinter geschlossenen Türen, ist anzunehmen.

  1. Neue Architektur der WOBI-Zuweisung

Während bisher die WOBI-Wohnungen grundsätzlich an sozial Bedürftige vergeben wurden, wird es in Zukunft 2 Schienen der Zuweisung geben:

  • Wohnungen zum sozialen Mietzins
  • Wohnungen zum bezahlbaren Mietzins (= Landesmietzins, der überarbeitet wird, s. oben)

Bisher wurden die Wohnungen an Bedürftige vergeben; falls ihr Einkommen anstieg, so konnten sie im Normalfall in der Wohnung bleiben, allerdings wurde der Mietzins angehoben.

Künftig soll es bereits möglich sein, dass auch weniger Geringverdienende in die WOBI-Wohnungen aufgenommen werden können, da eine Quote für den „bezahlbaren Mietzins“ reserviert wird. Dieser Mechanismus kann funktionieren – allerdings nicht, wenn die gleiche Anzahl von Wohnungen auf eine neue Zielgruppe (jene, die den bezahlbaren Mietzins zahlen) ausgeweitet wird. Das Risiko ist, dass sich „Bedürftige“ und „Etwas-weniger-Bedürftige“ den Platz streitig machen werden. Damit dieses Gesetz funktioniert, hätte es eine Wiederbelebung der öffentlichen Bauprogramme gebraucht. Stattdessen hat das neue Gesetz „Raum und Landschaft“ diese Flächen bei der Zuteilung neuer Bauzonen eingeschränkt und mehr Platz für private Bauten eingeräumt. Es braucht also neue Bauprogramme, aus unserer Sicht müssen diese auch umwelt-, klima- und landschaftsschutzkonform sein.

Auch dieser Bereich, diese wichtige Stellschraube, ça va sans dire, ist im LGE nur angerissen und wird mit Durchführungsverordnung geregelt werden. Keine Mitsprache des Landtags erwünscht.

  1. Die Schraube wird enger gedreht

Der öffentliche und geförderte Wohnbau der letzten 50 Jahre in Südtirol hatte ein großes Ziel: möglichst vielen Südtiroler:innen ein Eigenheim zu ermöglichen. Unterschwellig gab es eine Parallelstrategie für jene, die sich dies trotz aller Förderungen niemals leisten können: ihnen wurde eine Art „Eigenheim auf Lebenszeit in Miete“ zur Verfügung gestellt, die WOBI-Wohnung. Dieses Konzept wird nun durch Soziallandesrätin Deeg beendet. Künftig werden die WOBI-Wohnungen, wie alle anderen Wohnungen befristet vermietet, über Höchstdauer und Bedingungen für eventuelle Verlängerungen wird die Landesregierung entscheiden. Wenn die Einkommensgrenze überschritten wird, wird der Vertrag widerrufen.
Liegenschaften im Ausland müssen dokumentarisch belegt werden. Der Mieterschutz macht darauf aufmerksam, dass das in bestimmten Ländern de facto gar nicht möglich ist.

Es ist nachvollziehbar, dass die Landesregierung die WOBI-Situation dynamisieren will. Allerdings liegt diesem Ansatz eine Annahme der Landesrätin zugrunde, die man hinterfragen müsste, nämlich, dass Bedürftigkeit ein „Zustand auf Zeit“ ist. Schön wäre es, wenn es so wäre. Oder: Damit das auch zutrifft, muss die gesamte Sozial- und Familienpolitik in dieser Perspektive überarbeitet werden. Dass Armut eine zeitliche Begrenzung hat, wird nicht von allein gehen. Wir vermissen hier den zugehörigen Aktionsplan gegen Verarmung.

  1. Weitere Kritikpunkte in Stichworten
  • Der Verwaltungsrat wird von 5 auf 3 Mitglieder reduziert, die Vertretung der Gewerkschaften ist nicht mehr gesetzlich gesichert. Überhaupt ist die Abstimmung mit den Sozialpartnern kein Thema im Gesetz (> unsere Änderungsanträge).
  • Der Aufsichtsrat steht im Gesetz, aber nicht, wie er zusammengesetzt ist.
  • Der Kauf und Verkauf von Liegenschaften ist eine sehr delikate Angelegenheit und kann auch spekulative Abgründe eröffnen. Die Materie des Ankaufs war bisher gesetzlich genau geregelt, künftig gibt es dazu nur mehr einen Beschluss der Landesregierung. Zu den An- und Verkäufen muss zumindest absolute Transparenz gewährleistet sein. (> Änderungsantrag)
  1. Zum Schluss das Gute

Der Gesetzentwurf beinhaltet auch einige positive Ansätze wie die Arbeiterwohnheime, das Co-Housing und andere innovative Wohnmodelle, ebenso wie die Durchmischung und die Quartiersarbeit. Auch hier handelt es sich um „Nennungen“, was genau damit jeweils gemeint ist, werden erst die Beschlüsse der Landesregierung bekannt geben.

  1. Verbesserung möglich?

Ja! Da es absehbar ist, dass der LGE im Wesentlichen keine großen Änderungen mehr zulassen wird, ist es umso wichtiger, dass die Durchführungsverordnungen in Absprache und mit Zustimmung der Sozialpartner erlassen werden.

Für die zentralen Durchführungsverordnungen sollte auch ein Gutachten des zuständigen Gesetzgebungsausschusses eingeholt werden. Diese Vorgangsweise wurde auch schon beim LG Raum und Landschaft von der grünen Fraktion vorgeschlagen, und in einem Fall auch angenommen. Damit bleibt zumindest ein Rest an Mitsprache der Legislative erhalten.
Erhöhte Transparenz und Zugänglichkeit der Operationen des WOBI sind ein Ansatz gegen spekulative Abdrift.

In Zukunft muss ein umwelt- und ressourcenschonendes, weitreichendes Bauprogramm aufgelegt werden, um neue Verarmung durch Verlust der Wohnungen auszuschließen.

Und dann wird es noch zu sehen sein, wie der restliche öffentliche und geförderte Wohnbau „umgebaut“ wird. Ob und wann Wohnen in Südtirol wirklich „leistbar“ sein wird, bleibt eine ungelöste Frage.

Hier die Grafiken, die wir auf der Pressekonferenz gezeigt haben.

Bozen, 28.03.2022

Landtagsabgeordnete
Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba
Hanspeter Staffler

Author: Heidi

S. Floriano: la cava
War das alles?
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