Wahrheit über Plastik

BESCHLUSSANTRAG.

Plastik, ein praktischer Verpackungsstoff und Grundlage für Behälter jeder Art. Vor allem aber ein großes Problem. Ozeane sind voller Verpackungsmaterial, Mikroplastik befindet sich in unseren Gewässern – das hat zur Folge, dass wir alle wöchentlich Plastik in der Größenordnung einer Kreditkarte zu uns nehmen (Dies bestätigte jüngst eine Studie mehrerer österreichischer Forscher:innen).

In unseren Köpfen schwingt bei all diesen Problemen immer auch eine Lösung mit. Das „Zauberwort“ lautet Recycling. Das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz definiert Recycling als „jedes Verwertungsverfahren, durch das Abfälle zu Erzeugnissen, Materialien oder Stoffen entweder für den ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke aufbereitet werden“. Produkte sollen nach dem Wegwerfen für ihren ursprünglichen Zweck wiederverwendet werden. Erfährt das Produkt durch die Verfahren nach dem Wegwerfen einen qualitativen Verlust, so spricht man von „Downcycling“. Dies ist besonders oft bei Kunststoffen der Fall, die auch wenn sie Recyclingprozesse durchlaufen, nicht mehr in ihre ursprüngliche Form zurückgebracht werden können.

Recycling ist in unserer Gesellschaft positiv konnotiert, denn – so das Versprechen – aus dem Abfall entstehen gleichwertige neue Produkte aus altem Material. Dies funktioniert etwa bei Papier tatsächlich verhältnismäßig gut. Das Recyceln von Plastik hat indessen seine Tücken, worauf noch zu kommen sein wird. Fakt ist, dass Verbraucher:innen mit dem Begriff Recycling in Sicherheit gewiegt werden: Die gekaufte Plastikflasche verschmutze nach dem Wegwerfen nicht die Umwelt, sondern werde wiedergeboren als neue Plastikflasche und bliebe so im Kreislauf. Was in der Theorie gut klingt, spricht in der Realität eine andere Sprache.

Zahlen der letzten Jahre deuten darauf hin, dass lediglich 14% des weggeworfenen Plastiks überhaupt fürs Recycling gesammelt werden und insgesamt nur 5% des recycelten Plastiks dem Kreislauf wieder gleichwertig zugeführt werden (siehe z. B. www.mdpi.com/2313-4321/6/1/12/htm). Das ist nicht viel, angesichts des großen Plastikbergs, den jede:r Verbraucher:in stetig produziert.

Es stellt sich also die Frage: Was passiert mit dem Plastik, das gar nicht recycelt wird? Ein Großteil davon landet als Brennstoff in der Industrie, vor allem in Zementwerken (https://bit.ly/3AzQBI9). Mussten diese vormals den benötigten Brennstoff teuer einkaufen, erledigen sie nun ein schmutziges Problem für die Gesellschaft. Dies führt unter anderem dazu, dass die Zementindustrie für 8% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist. Dies ist mehr als die ausgestoßenen Treibhausgase des Flugverkehrs.

Ein anderer Teil des Plastiks (darunter wohl auch Teile des in den Recyclinghöfen gesammelten Kunststoffs, so zumindest du Vermutung) wird am Ende in den Müllverbrennungsanlagen verbrannt.

Aber auch auf dem Recycling-Weg liegen mehr Stolpersteine, als uns allen bewusst ist. Recyceln von Plastik ist gar nicht so einfach, wie wir es uns vielleicht vorstellen. So besteht beispielsweise Folienplastik aus mehreren dünnen Schichten, die sich nicht recyceln lassen. Dasselbe gilt für Mischkunststoffe. Das heißt, dass Tüten und Folien fast ausschließlich aus Neuplastik hergestellt werden. Dies ist bedenklich, da Verpackungsplastik die Hälfte des weltweiten Kunststoffabfalls ausmacht (https://www.mdpi.com/2313-4321/6/1/12/htm). Ein Gros dieser Verpackungen entfällt auf die Lebensmittelindustrie. Umso dramatischer wird diese Tatsache dadurch, dass die Lebensmittelbranche laut EU-Verordnung kein recyceltes, sondern immer nur neues Verpackungsmaterial verwenden darf (siehe EU-Verordnung Nr. 10/2011). Ausgenommen von dieser Regelung ist lediglich Polyethylenterephthalat (PET).

Weitere Faktoren zeigen auf, wie schlecht die Wiederverwertung von Kunststoffen funktioniert und wie Statistiken „geschönt“ werden kann. So exportiert alleine Deutschland jährlich 720.000 Tonnen Plastikmüll vorwiegend in Länder des globalen Südens (https://bit.ly/3CgTD53). Das Absurde: Exportiertes Plastik gilt in Deutschland (und anderen Ländern) als recycelt. Zusammen mit anderen Faktoren wie Downcycling entsteht so eine auf den ersten Blick viel bessere Recycling-Quote. Dabei gäbe es gute Alternativen zum Recycling-System: Die umweltfreundlichste Art der Verpackung ist die Mehrwegverpackung. Dies ist die Fahrtrichtung, die wir vermehrt einschlagen müssten.

Denn für die Industrie ist neues Plastik schlichtweg billiger als recyceltes Plastik. Allein mit diesem Fakt hat recyceltes Plastik das Rennen schon verloren. Der Grund, aus dem neues Plastik so billig ist, findet sich in den billigen fossilen Brennstoffen: billiges Öl bedeutet billiges Plastik. Laut Greenpeace fließen 6% der Ölproduktion direkt oder indirekt in die Plastikproduktion. Expert:innen schätzen, dass sich Kunststoffe in den nächsten 10 Jahren zum wichtigsten Produkt für die Ölindustrie entwickeln werden.

Denn die Plastikproduktion wird trotz fleißigen Recycelns nicht weniger, sondern immer mehr: Laut Industrievereinigung „PlasticEurope“ wurden 2020 weltweit 367 Millionen Tonnen (!) Plastik hergestellt. 2018 waren es 359 Millionen Tonnen gewesen. Dass sich der Sektor dermaßen ausweitet, beruht augenscheinlich auf der Annahme, dass fossile Rohstoffe weiterhin billig zur Verfügung stehen werden.

Die Basis jeder Veränderung ist und bleibt Wissen. Im Bereich Kunststoffentsorgung grassieren viele Fehlinformationen, falsche Annahmen oder schlicht Unwissen – das verunsichert Verbraucher:innen, oder wiegt sie in falscher Sicherheit. Und es bietet Verwalter:innen und Politiker:innen Vorwände zur Untätigkeit oder drängt sie zu letztlich nicht effektiven Maßnahmen. Um die Problematik rund ums Plastik besser zu verdeutlichen, müssen wir zuallererst wissen, was Fakt ist. Was bedeutet das Recyceln von Plastik tatsächlich? Wie gut funktioniert es und wie viel Plastik kann ein zweites Leben in seiner ursprünglichen Verwendung wiederfinden? Und auch: Was passiert mit dem von den Bürger:innen aussortierten Plastikmüll? Dies sind Fragen, auf die alle Südtiroler:innen eine Antwort verdient haben.

Daher beauftragt der Südtiroler Landtag die Landesregierung

  1. Eine umfassende Informationskampagne zu starten, bei der die Bevölkerung darüber informiert wird:
    a) was mit dem im Recyclinganteil in Südtirol gesammelten Plastikmüll passiert,
  2. b) welche in Südtirol im Recyclinganteil gesammelten Kunststoffe in welcher Art und wo recycelt werden können,
  3. c) wie viel und welche der in Südtirol im Recyclinganteil gesammelten Kunststoffe in die Müllverbrennungsanlage bzw. in Deponien gelangt.
  4. Beim Erstellen dieser Informationskampagne ein besonderes Augenmerk auf die Bildungseinrichtungen zu legen und hier gezielte Projekte über die Grenzen des Recyclings und die Vorzüge der Wiederverwendung auszuarbeiten.
  5. Eine Sonderförderung für Regionale Mehrwegverpackungen einzuführen, um so einen Anreiz zu schaffen, damit Südtiroler Produzentinnen und Produzenten Mehrwegverpackungen in ihr Sortiment aufzunehmen.
  6. Zusammen mit den bedeutendsten Wein- und Getränkeproduzenten und Handelsvertretungen zu prüfen, ob ein einheitliches Mehrwegsystem mit Mehrweg-Einheitsflaschen sinnvoll wäre.

Bozen, 21.10.2022

 Landtagsabgeordnete

Brigitte Foppa

Riccardo Dello Sbarba

Hanspeter Staffler

Eine Frau war zu wen
Eingabe an die Staat
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