HomeLandtagsarbeitBeschlussanträgeKlimaschutz: Moratorium für Beschneiungsprojekte

Klimaschutz: Moratorium für Beschneiungsprojekte

Beschlussantrag.

Die Klimakrise hat unser Land erreicht: Hitzerekorde, Wetterkapriolen, Jahrhundertstürme, gestresste Wälder, Borkenkäfermassenvermehrung, Trockenheit und Wassermangel verursachen Kopfzerbrechen. Der ungebremste Energieverbrauch über Jahrzehnte und der damit verbundene ungeheure Ausstoß von Treibhausgasen sind Ursachen dafür.

Im Sommer 2021 hat sich die EU auf das „Europäische Klimagesetz[1]“ verständigt, wobei die Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren sind. Für das Jahr 2050 soll eine EU-weite Treibhausgas-Neutralität erreicht werden. Der Reduktionszielpfad sieht eine lineare Abnahme der Treibhausgase bis zum Jahr 2050 vor.

Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es eine Technologiekombination und effektive Einsparungen des Energieverbrauchs. Die wachstumsgetriebene Wirtschaft benötigt immer mehr Energie, wobei volkswirtschaftlich und klimapolitisch gleichzeitig Einsparungspotentiale nötig sind. Bevor Südtirol nicht zu 100% auf den Zielpfad einschwenkt, dürfte es rein rechnerisch keine energiefressenden Wachstumsprojekte mehr geben.

Der Sektor „Technische Beschneiung“ ist ein Energie- und Ressourcenfresser, welcher bisher gelegentlich aus der Sicht des Naturschutzes[2] negative Schlagzeilen machte, aber aus Sicht des Wasserkreislaufes und des Energiebedarfs ein gemütliches Schattendasein führte. Südtirols Tourismusindustrie hat nicht nur einen überdurchschnittlich großen ökologischen Fußabdruck, sondern verbraucht auch Unmengen an Wasser[3], Landschaft[4] und Energie.

Der geschätzte Stromverbrauch für Aufstiegsanlagen und Schneekanonen in Südtirol beläuft sich pro Jahr auf 165.000 MWh[5], was dem Verbrauch sämtlicher Haushalte der Städte Bozen, Meran und Brixen entspricht. Daher ist es gesellschaftspolitisch vollkommen irreführend, wenn die Landesregierung den Menschen das Stromsparen beim Zähneputzen empfiehlt und gleichzeitig stromfressende Wachstumsprojekte wie Aufstiegsanlagen, Beschneiungsbecken[6] und Schneekanonen genehmigt.

Wasserbedarf

Der Wasserbedarf für die Beschneiung der Pisten hat in den letzten Jahren stark zugenommen: Während im Jahr 2012/2013 rund 6,1 Millionen Kubikmeter Wasser nötig waren, sind es mittlerweile bereits zwischen 8 und 10 Millionen Kubikmeter. Genehmigt sind aktuell sogar 12,6 Millionen Kubikmeter Wasservolumen für die Beschneiung der Schipisten.[7] Dieses Wasser wird dem natürlichen Wasserkreislauf entzogen und entweder zeitlich verzögert oder räumlich verlagert wieder abgegeben. Die Auswirkungen können je nach Einzugsgebiet mehr oder weniger negativ ausfallen, es gibt allerdings Hinweise, dass die Wassernutzung für künstliche Beschneiung zu Wasserproblemen führen kann.[8] Hierzu gibt es noch zu wenig Untersuchungen.

Energiebedarf Beschneiung

Der jährliche durchschnittliche Stromverbrauch für Aufstiegsanlagen und Schneekanonen beläuft sich auf durchschnittlich 165.000 MWh (bezogen auf die letzten sechs Jahre). Davon entfallen allein auf die Schneekanonen rund 70.000 MWh. Dies entspricht dem Stromverbrauch der Haushalte von Meran und Brixen! Das heißt mit jedem neuen oder vergrößerten Beschneiungsbecken steigt der Strombedarf, für jeden Kubikmeter Wasser benötigt es schätzungsweise 7,5 kWh.

Beispiel: Zurzeit durchlaufen die vier Beschneiungsbecken Codes (Abtei), Moosweiher (Kastelruth), Ciadinat (Wolkenstein) und Seceda (St. Christina) die Genehmigungsphase. Deren insgesamtes Speichervolumen beträgt rund 170.000 Kubikmeter, was einem Jahresstromverbrauch von 1.300 MWh entspricht. Sobald diese vier Becken im Jahr 2023 in Betrieb gehen, entspricht dies dem Stromverbrauch der Haushalte eines Südtiroler Dorfes mit 1300 Einwohnern (Andrian, Barbian, Tscherms, Percha oder Schnals).

Energiewende wird mit stromfressenden Wachstumsprojekten nicht gelingen

Der Strombedarf für die technische Beschneiung steigt seit einem Jahrzehnt an, mit jeder neuen Wasserkonzession und jedem neuen Speicherbecken schnellt der Stromverbrauch der Tourismusindustrie hinauf. Gleichzeitig aber ist der fossile Energiebedarf durch Strom zu ersetzen. Dieser Spagat wird nicht gelingen, wenn weiterhin in Wachstumsprojekte wie Beschneiungsbecken und Aufstiegsanlagen investiert wird.

Beschneiungsbecken sind nicht nur Stromfresser, sondern stören oder zerstören auch sensible naturnahe Lebensräume. Zudem ist deren Rolle für den natürlichen Wasserkreislauf wissenschaftlich nicht ausreichend durchleuchtet. Es gibt erste Anzeichen, dass Quellen durch den Bau von höher gelegenen Beschneiungsbecken bereits versiegt sind. Das Wasser wird bergseitig abgeschöpft, der Bergwasserspiegel sinkt und die Quellen erlahmen.

Daher soll der Bau von Speicherbecken und die Vergabe von Wasserkonzessionen für die künstliche Beschneiung bis zum Jahr 2030 ausgesetzt werden. Gleichzeitig braucht es ein Monitoring, wie Südtirol durch Einsparungen und Technologiekombination den Treibhausgas-Zielpfad bis 2030 und 2050 beschreitet.

Daher beauftragt der Südtiroler Landtag die Landesregierung

  1. Studien zu beauftragen, welche die Auswirkungen der künstlichen Beschneiung auf den natürlichen Wasserkreislauf untersuchen.
  2. Studien zu beauftragen, welche den Strom- und Energieverbrauch der künstlichen Beschneiung untersuchen.
  3. Bezogen auf die künstliche Beschneiung von Pisten ein Moratorium zu beschließen, dass bis zum Vorliegen der Studien gemäß Punkte 1 und 2 weder zusätzliche Speicherbecken gebaut noch neue Wasserkonzessionen gewährt werden.

Bozen, 17.11.2022

 

Landtagsabgeordnete

Hanspeter Staffler

Brigitte Foppa

Riccardo Dello Sbarba

 

[1] Verordnung (EU) 2021/1119 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 2021 zur Schaffung des Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 401/2009 und (EU) 2018/1999 („Europäisches Klimagesetz“).

[2] Lorenz, R., Hedrén, M., Kellenberger, R.T., Madl, J. & P.M. Schlüter (2020): Die bunten Brunellen vom Puflatsch in Südtirol – ein bedrohtes Naturwunder.- J. Eur. Orch. 52 (2-4): 249-278.

[3] Gesamtplan für die Nutzung der öffentlichen Gewässer. Teil 1, Seite 70.

[4] Pistenfläche 2022: 4.389 Hektar siehe Anfrage zur aktuellen Fragestunde der Grünen Fraktion Nr. 40-10-22-04.10.22: Let it snow… wieviel Aufwand für unseren Schnee?

[5] Beobachtungsstelle für nachhaltigen Tourismus Südtirol (STOST). Erster Jahreszwischenbericht, 2018, Eurach Research, Bozen.

[6] Landtagsanfrage Nr. 2201-22: Wasserspeicher für Beschneiung

[7] Aktuelle Fragestunde Nr. 40-10-22-04.10.22: Let ist snow …. Wieviel Aufwand für unseren Schnee?

[8] Beobachtungsstelle für nachhaltigen Tourismus Südtirol (STOST). Erster Jahreszwischenbericht, 2018, Eurach Research, Bozen.

Author: Heidi

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