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Gestern Abend haben Landesrat Richard Theiner und der lombardische Untersekretär Ugo Parolo in Mals die Vorstudie für einen Tunnel unter dem Stilfser Joch vorgestellt.
Die Studie hat unterschiedliche Straßen- und Eisenbahntunnelprojekte ausgewertet. In der Diskussion wurde die Variante des Straßentunnels in den Südtiroler Wortmeldungen entschieden abgelehnt, mit dem Grundtenor: Der Vinschgau darf nicht zu einem gepflasterten Durchgangskorridor zwischen Deutschland und der Lombardei werden.
Da bis heute auf lombardischer und Südtiroler Seite unterschiedliche Ansichten vorherrschten (in Mailand überwog die Tendenz zur Straße, Bozen sprach sich für die Eisenbahnverbindung aus), hoffen wir, dass LR Theiner während der Vorstellung heute Abend in Bormio klare Worte findet, um das Straßenprojekt endgültig zu versenken.
Aber auch die von der Region Lombardei präsentierten Eisenbahntunnelprojekte sind inakzeptabel. Diese sehen einen Zugverkehr im Dienste der Straße vor, genauer eine Verladung von Autos, Bussen und Lastkraftwagen auf Züge.

Nach den Berechnungen wären eben diese Verkehrsmittel die größten Nutznießer des circa 30 km langen Tunnels. Aus Zentraleuropa würden sie über den Reschenpass den Vinschgau erreichen und in Mals in regelmäßigen Abständen auf den Zug verladen. Von dort würden sie innerhalb von 25 Minuten Bormio erreichen, um dort den Zug zu verlassen und ihren Weg Richtung Mailand auf der Straße fortzusetzen.
Die Studie hat offensichtlich den analogen Schweizer Vereinatunnel zum Vorbild. Dieser erlaubt es den FahrerInnen von Verkehrsmitteln alle 30 Minuten auf Verladezügen den Flüelpass zu umgehen und die Straße nach Davos innerhalb von 18 Minuten zu erreichen.
Dass der neue Eisenbahntunnel nur im Dienste der Straße stehen würde, untermauert auch die Tatsache, dass zwischen Bormio und Tirano keine Zugstrecke verläuft. Zwischen den zwei Zentren des Veltins liegen 35 Kilometer und 900 Meter Höhenunterschied. Ein Tunnel, der mehr als eine Milliarde Euro kosten würde, wäre notwendig, um die beiden Städte mit einer Zugstrecke zu verbinden. In dieser Hinsicht hat sich Parolo nicht konkret verpflichtet.
Unter diesen Vorbindungen wäre das Eisenbahntunnelprojekt zwischen Mals-und Bormio lediglich ein regelmäßiger Schnellzug für Autos, Busse und LKWs, ein Anziehungspunkt für den Straßenverkehr, der abgelehnt werden muss, da er massiv Verkehr anziehen würde.
Ein Zugtunnel Richtung Bormio wäre nur dann akzeptabel, wenn er ausschließlich für den Personentransport gedacht wäre. Die Voraussetzung dafür wäre, dass die Lombardei die Eisenbahnverbindung des Veltlin bis nach Bormio ausbaut. Davon aber sind wir noch weit entfernt.
Riccardo Dello Sbarba
Brigitte Foppa
Hans Heiss
05.12. 2017

Nachdem in den deutschen Kindergärten immer wieder die Anzahl von anderssprachigen Kindern beanstandet wird, wurde beschlossen, dass die Einschreibungen künftig zentralisiert vorgenommen werden soll. Man will damit eine gleichmäßigere Verteilung der Kinder verschiedener Sprachgruppen erwirken. Jedoch entstehen aus dieser Vorgangsweise neue Probleme.
Bei der Einschreibung in die Sprengel können die Eltern zum Beispiel zwar angeben, in welchen Kindergarten sie ihr Kind schicken möchten und auch eine Ausweichmöglichkeit angeben. Diese ist jedoch auf Einrichtungen derselben Sprachgruppe begrenzt.
Außerdem fragt man sich, wie die Einteilung vonstatten gehen wird. Die Fragen sind brisant, denn es handelt sich um ein wichtiges Autonomiethema und birgt Problematiken im Hinblick auf die Wahlfreiheit der Eltern, das Zusammenleben der Sprachgruppen und nicht zuletzt auch auf die Gleichheit der Rechte von Kindern.
Wir haben daher in einer Landtagsanfrage folgende Fragen an die Landesregierung gestellt:

  1. Wie erfolgt die Einteilung der Kinder in die einzelnen Kindergärten, im Spezifischen:
  • welchen Eltern wird vorrangig das Recht auf die erste Kindergartenwahl zugestanden?
  • nach welchen Kriterien wird entschieden, welches Kind in welchen Kindergarten kommt?
  • falls dies sprachliche Kriterien sind: wie wird auf Sprengelebene festgestellt, welches Kind welche Sprache spricht?
  • wo werden die Gespräche mit den Eltern stattfinden, in denen festgestellt wird, ob das Kind „genug Deutsch“  beherrscht? Im einzelnen Kindergarten oder auf Direktionsebene? Wer wird die Gespräche führen? Gibt es ein Protokoll? Was passiert, wenn Eltern das Gespräch verweigern?
  • wo wird die Liste jener Kinder erstellt, die den einzelnen Kindergärten zugewiesen werden? Wie wird den Eltern die Zuweisung mitgeteilt? Wird es Rekursmöglichkeit geben?
  • wie werden zwei- und mehrsprachige Kinder eingeordnet? Haben sie das gleiche Recht auf die erste Kindergartenwahl wie die einsprachigen („deutschen“) Kinder?
  1. Warum ist es nicht möglich, als Zweitwahl für jene Eltern, die dies wünschen, einen Kindergarten der anderen Sprache anzugeben?
  2. Wie wird insgesamt das Recht der Eltern auf freie Schul- und Kindergartenwahl gewährleistet?
  3. Wie wird außerdem der Schutz der persönlichen Daten und der Privatsphäre gewährleistet?

BZ, 4.12. 2017
Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba
Hans Heiss

Der absehbare Jahresrekord gibt Anlass zum Umdenken

Am Ende der Saison 2017 steht Südtirols Tourismus ein neues Rekordjahr ins Haus: Dank des Rekordsommers mit 20,4 Mio. Nächtigungen wird für das Gesamtjahr 2017die Marke von 33 Mio. gewiss locker übertroffen. Der Trend ist erfreulich für die Beschäftigungslage und die Tourismusbetriebe, für Handwerk, Lieferanten und Bauwirtschaft.
Der Rekordsommer 2017 mit einem Nächtigungs-Plus von 3,4 % nach dem Sprung im Sommer 2016 (+ 7,9%) stellt Südtirol trotz aller Genugtuung verstärkt vor klare Fragen.
Wir sind erreichbar, leider mit den falschen Verkehrsmitteln
Auch das Topjahr 2017 dementiert Klagen über die schlechte Erreichbarkeit Südtirols. Noch nie kamen trotz fehlenden Airports so viele Gäste, die genau wegen der Risiken des Luftverkehrs und internationaler Reiseziele den Landweg wählten. Leider zu 85% im eigenen Auto, statt zumindest teilweise im logistisch dürftigen Bahnverkehr.
Die Verkehrsflut im Tourismus ist eine bisher offene Kernfrage der Zukunft. Die Zahl der Gäste steigt, während ihre Nächtigungsdauer auf bald unter 4 Tage fällt. Daher bedarf es künftig nicht nur neuer Verkehrskonzepte, sondern einer echten Verkehrsrevolution. Denn ansonsten steht zu Saisonspitzen nicht nur Lebensqualität massiv unter Druck, sondern auch Südtirols Ruf als ruhige Tourismusregion.
Mehr Qualität statt weiteren Wachstums
Südtirol ist mit Tirol alpenweit das Land mit der höchsten Tourismusintensität. Kaum irgendwo sonst kommen so viele Gäste auf einen Einwohner wie südlich der Alpen. Weiteres Wachstum ist nicht mehr verträglich, auch nicht bei den Bettenzahlen.
2016/17 wurden an Neu- und Umbauten im Tourismus über 260.000 Kubikmeter verbaut, das entspricht 250 komfortablen Einfamilienhäusern oder der Bozner Altstadt. Wenn der Boom neuer Hotelbauten so weiter läuft, sägt die Branche den eigenen Ast ab.
Neben der Investitionswelle sind weitere Modelle gefragt
Die Seilbahnbranche wittert Morgenluft für neue Zusammenschlüsse und Skikarusselle: Sexten-Sillian, Langtaufers, Sterzing/Rosskopf sind einige der geplanten Erweiterungen.
Dagegen gilt der „Sanfte Tourismus“ als Auslaufmodell. Das aber ist eine Fehleinschätzung: bereits jetzt wächst die Zahl der Gäste, denen ein klimaverträglicher, Landschaft und Kulturen schonender Tourismus am Herzen liegt. Talschaften wie Villnöss leben vor, wie man einen Tourismus entwickelt und Gäste anzieht, denen Nachhaltigkeit, Gesundheit und Regionalität am Herzen liegen – trotz des kleinen China-Booms am Fuße der Geisler.
Das Wachstum verpflichtet den Tourismus zu neuer Verantwortung
Tourismus in Südtirol sollte ein potenter, aber begrenzter Player bleiben. Die Frage nach einer Obergrenze und der Verträglichkeit für Menschen und Umwelt muss mit Nachdruck gestellt werden: Bei nach dem Sommerrekord absehbaren 33 Mio. Nächtigungen 2017 und wachsenden Ankünften ist die Obergrenze in Sicht.
Südtirols Zukunft liegt auch in anderen Branchen wie der Industrie, die mit geringerem Ressourcenverbrauch und qualifizierten Arbeitsplätzen hohe Wertschöpfung generieren.
Tourismus hingegen ist trotz aller Erfolge ein reifes Produkt, das durch Selbstbeschränkung nur gewinnt.
Und schließlich: Das Tourismusland Südtirol, das von den Folgen von Terror und Unsicherheit so sehr profitiert, muss sich bei der Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen stärker bewähren als bisher der Fall. Manche Tourismushochburgen, die sich sonst in Gastlichkeit und Nächtigungen förmlich überschlagen, beweisen in dieser Frage erschreckende Härte.
01.12.2017
Hans Heiss
Riccardo Dello Sbarba
Brigitte Foppa

Zwei unserer Beschlussanträge, in denen wir mehr Unterstützung für weibliche Unternehmerinnen fordern, wurden heute ausgiebig diskutiert. Einer unserer Anträge „Konkrete Hilfe für Unternehmerinnen und freiberuflich tätige Frauen“ wurde mit folgendem beschließenden Teil angenommen:
„Der Landtag verpflichtet die Landesregierung, in Zusammenarbeit mit den repräsentativen Organisationen der Wirtschaft und der Gleichstellungsrätin Strategien zu erarbeiten, um die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf für Unternehmerinnen zu verbessern“.
Damit kommt ein positives Signal aus dem Landtag. Positiv war auch, dass sich „die Anerkennung von Frauen die selbstständig arbeiten und Unternehmerinnen sind, durch alle Wortmeldungen gezogen hat“, so Erstunterzeichnerin Brigitte Foppa. Die Diskussion war großteils konstruktiv. „Bei der Debatte darf nur nicht vergessen werden, dass es um eine menschlichere Arbeitswelt geht, nicht nur darum die Menschen an die Arbeit anzupassen“, erinnert Riccardo Dello Sbarba abschließend.

Riccardo Dello Sbarba
Brigitte Foppa
Hans Heiss

Bozen, 30. 11. 2017

Keinen Monat ist es her, da hat der Landeshauptmann öffentlich versprochen, es werde keine Verlängerung der Flughafen-Rollbahn geben. Dieses Versprechen gab er am 8. November, als unser Beschlussantrag, der die Aufhebung der Verlängerungsoption von 1292m auf 1432m aus dem Bauleitplan (BLP) von Leifers forderte, im Landtag diskutiert und abgelehnt wurde. LH Kompatscher erklärte, es sei nicht notwendig diesen Beschlussantrag anzunehmen, „da noch kein vorgestelltes Projekt eine derartige Verlängerung vorgesehen“ habe, und selbst wenn es zu einem derartiger Vorschlag käme, „würde die Landesregierung dafür keine Genehmigung erteilen“.
Nun erfahren wir, dass ein Dokument der SAD, welche Interesse an der Flughafenübernahme bekundet hat, ungewollt in die Hände des ASGB gekommen ist. In dem internen Papier, das verschiedene Investitionsvarianten enthält, wird mit der Verlängerungsoption gerechnet.
In Hinblick auf die nun bekannten SAD-Absichten fordern wir erneut klare Verhältnisse. Wer auch immer den Flughafen übernehmen möchte, muss wissen, dass das Ergebnis der Volksabstimmung von 2016 respektiert werden muss. Die Start- und Landebahn darf nicht erweitert werden. Gibt es dafür eine klarere Kommunikation, als das Verlängerungsverbot schlichtweg im Bauleitplan festzuhalten?
Der Bauleitplan muss geändert werden, gerade damit Private sich nicht über den Willen der Bevölkerung und der Volksabstimmung hinwegsetzen können. Denn auf Versprechen ist leider kein Verlass.

Bozen, 30.11.2017
Riccardo Dello Sbarba
Brigitte Foppa
Hans Heiss


Die Wirkung von Glyphosat ist längst bekannt: Wo es verwendet wird, geht die Artenvielfalt drastisch zurück. Die Substanz tötet natürliche Grünpflanzen ab und somit den Lebensraum vor Insekten, Reptilien und Vögeln, die maßgeblich zu funktionsfähigen Ökosystemen beitragen.
Vor allem aber ist die krebserregende Wirkung höchst problematisch. Die Weltgesundheitsorganisation hatte das Herbizid als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft.
Aus diesen Gründen haben sich über eine Million Menschen aus ganz Europa gegen die Verlängerung des Wirkstoffes ausgesprochen. Auch das EU-Parlament hat diese Position gestärkt, indem es sich für eine sofortige deutliche Reduktion und einen endgültigen Auslauftermin eingesetzt hat. Nun aber geht die Zulassung in die zweite Runde. Und das, weil sich ein CSU-Agrarminister für die Bundesrepublik einfach das Recht heraus nahm, entgegen der internen Abmachungen für die Verlängerung zu stimmen. Ganz nebenbei sei angemerkt, dass Monsanto, der Konzern, der die Chemikalie wie auch das Glyphosat-resistente Saatgut vermarktet, demnächst vom deutschen Bayer Konzern gekauft werden soll.
Die nun in der EU getroffene Entscheidung ist undemokratisch und gesundheitsgefährdend. Aber die Auseinandersetzungen gehen weiter, das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Südtirols Grüne treten weiterhin mit allem Nachdruck für die Verbannung von Glyphosat ein – vorab in unserem Land. Der Erfolg der Hersteller ist ein Pyrrhus-Sieg.
 
Bozen, 28. 11. 2017
 
Hans Heiss
Riccardo Dello Sbarba
Brigitte Foppa

Ein großer Erfolg und ein großartiges Ergebnis: 100% der Delegierten stimmen für die Aufnahme der Verdi Grüne Verc in die EGP.
Seit Längerem schon bemühen sich die Grünen Südtirols um die Aufnahme in die Europäische Grüne Partei (EGP).
Es gilt die europäische Komponente in der Südtiroler Politik zu stärken, internationalen Rückhalt für die eigene politische Orientierung zu erhalten und über die engen Grenzen Südtirols hinaus in einem länderübergreifenden Kontext Themen wie Klimapolitik, Migration, Soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Wirtschaft zu bearbeiten.
Den Anfang hatten die Jungen Grünen gemacht, die vor zwei Jahren in Lyon die ersten Kontakte mit der Europäischen Grünen Partei geknüpft hatten. In der Folge hatten die Südtiroler Grünen das Ansuchen um Aufnahme in die EGP gestellt. Seitdem haben sich die Gelegenheiten zum Austausch ständig erweitert.
Im letzten Jahr waren die Spitzen der EGP mit den Co-Vorsitzenden Reinhard Bütikofer und Monica Frassoni zur „fact finding mission“ nach Südtirol gekommen. Im vergangenen Sommer wurde gemeinsam ein internationaler Kongress in Meran zum Tourismus und dessen Auswirkungen auf die Umwelt organisiert. Grüne aus ganz Europa kamen damals nach Meran und bestätigten, wie wichtig gerade in Umweltfragen die internationale Vernetzung ist.
Schließlich war am Sonntag, 26.11.2017 die Südtiroler Delegation mit Brigitte Foppa, Tobias Planer, Riccardo Dello Sbarba und Verena Frei im schwedischen Karlstad, um die Aufnahme in die EGP zu besiegeln. Nach der Präsentation der Südtiroler Situation und nachdem die Grünen Mazedoniens aufgenommen worden waren, gab es einstimmige Zustimmung zur Südtiroler Aufnahme. Alle 99 Delegierten der 39 Mitgliedsparteien aus 34 europäischen Staaten stimmten mit „ja“.
Ein Meilenstein und ein zukunftsweisender Augenblick in der fast schon 40-jährigen Geschichte der Grünen Südtirols – und eine klare Aussage zu Europa als Ideen- und Wertegemeinschaft.
Karlstad, 26.11.2017
Brigitte Foppa, Tobias Planer, Riccardo Dello Sbarba, Verena Frei

SVP-Schlingerkurs in der Frage der österreichischen Staatsbürgerschaft ist riskanter Flirt mit den Sezessionisten.
Der Brief von 19 Landtagsabgeordneten an die österreichischen Bundesregierung hat für Aufsehen gesorgt: Nicht wegen des sattsam bekannten, seit 2010 erhobenen Rufs nach einer doppelten Staatsbürgerschaft, sondern wegen der merkwürdigen Allianz zwischen STF, Bürgerunion, Freiheitlichen und Teilen der SVP, unter dem „Ehrenschutz“ von Paul Köllensperger. Das Manöver ist aus drei Gründen fragwürdig und verdient scharfe Kritik:

  • Die Adresse an die türkis-blaue ÖVP/FPÖ-Koalition bedeutet eine Annäherung an deren Positionen und die Aufwertung des Tandems Kurz / Strache zu neuen Hoffnungsträgern.
  • Das Vorpreschen von Teilen der SVP-Landtagsabgeordneten stellt Bürgerinnen und Bürger vor ein grundsätzliches Dilemma: Welches ist die Haltung der stärksten Partei in Südtirol in dieser grundsätzlichen Frage? Was will die SVP? Doppelpass ja, Doppelpass vielleicht, oder Doppelpass Nein? Hü oder Hott? Dass Landeshauptmann und Obmann durch die Unterzeichnung beschädigt werden sollen, sei nur am Rande bemerkt, da wir nicht deren Amtsverteidiger sind.
  • Die Konsequenzen einer doppelten Staatsbürgerschaft sind kein „emotionales“ Thema, sondern sie wäre ein kleiner Sprengsatz in der Südtiroler Gesellschaft und führte zu deren Spaltung in Bürger mit doppelter Staatsbürgerschaft und solchen ohne, also 1. oder 2. Staatsbürgerschaftsklasse.

Auf die Probleme einer doppelten Staatsbürgerschaft in Südtirol haben wir Grüne immer wieder, beinahe gebetsmühlenartig hinweisen:

  • Wer hätte Anspruch, nur Deutschsprachige und Ladiner oder auch Italiener? Diese Frage würde die Südtiroler Gesellschaft spalten, weil auch unter der deutschen und ladinischen Volksgruppe viele erst nach 1918 nach Südtirol gekommen sind, erst recht die große Mehrheit der italienischen Sprachgruppe. Diese Zwei-Klassen-Gesellschaft gefährdet das Zusammenleben und das Prinzip der Gleichheit!
  • In Österreich stellte sich die Frage, welche anderen österreichischen Gruppen im Ausland das gleiche Recht bekommen sollen. Das führte in konsequenter Anwendung zum Sammeln von Doppelstaatsbürgerschaften. Zudem steht in Österreich aktuell die Frage illegaler österreichisch-türkischer Doppelstaatsbürgerschaften auf dem Prüfstand. Da kommt der Südtiroler Antrag denkbar ungelegen
  • Ein Dominoeffekt, der gegen die europäische Zielsetzung spricht, eine starke europäische Identität mit starken Bürgerrechten zu schaffen, weil dann andere Minderheiten schnell nach Doppelstaatsbürgerschaften rufen würden..

Wir Grüne sind uns bewusst: Südtirol und andere mehrsprachigen Grenzregionen verdienen einen Sonderstatus, der das friedliche Zusammenleben sichern soll. Aber dafür zielen wir auf eine viel realistischere Alternative: Stärkung und Ausbau der Unionsbürgerschaft. Diese könnte genau in Grenzregionen verstärkt experimentiert werden in Verbindung mit der Anerkennung des Schutzes der Sprachminderheiten in der Europäischen Verfassung. Wir Grüne setzen auf das vielsprachige und friedliche Europa weiter. Italien und Österreich könnten in Südtirol das Vorzeigemodell der neuen Unionsbürgerschaft aufbauen.
Der Vorstoß der 19 macht jedenfalls deutlich, wie sehr sich Teile der Mehrheitspartei auch in dieser Frage Positionen der „Deutschpatrioten“ annähern und damit einer Linie, die das Modell der Autonomie und friedlichen Zusammenlebens nur für ein zeitweiliges, letztlich entbehrliches Provisorium hält.
Die SVP sollte sich endlich von dieser und anderen Zweideutigkeiten befreien: Der Flirt mit harten Volkstumspositionen verunsichert Bürgerinne und Bürger und fördert die zu ethnischer Zündelei.
Bozen, 23. 11. 2017
Hans Heiss
Riccardo Dello Sbarba
Brigitte Foppa

Die Gemeinderäte der Bozner Lega haben in der Innenstadt 1.000-Euro-„Banknoten“ mit dem Bild von Maria Laura Lorenzini verteilt. Damit wollen sie offensichtlich die Aufmerksamkeit (und den Hass!) der Passanten gegen die Kunstinitiative der Stadtregierung zur Verschönerung der Antiterrorismusbarrieren richten.

Die Aktion der Lega ist gravierend. Wir finden sie zutiefst verurteilenswert, da sie weit über die normale politische Debatte hinausgeht. Hier wird das Foto der Stadträtin verwendet, die im Auftrag des gesamten Stadtrates gehandelt hat, um sie persönlich zu beleidigen und zu demütigen. Das ist inakzeptabel. Die Art der Aktion, die Töne, die Aussagen fallen auf die Lega selbst zurück. Vettori und seine Parteigenossen übernehmen die Verantwortung dafür –  gegenüber Maria Laura Lorenzini und gegenüber dem Bürgersinn, der durch diese Aktion klar verletzt wird.

Wir weisen diese Art der Politik vehement zurück. Wir sind für sachliche Argumente, nicht für Beleidigungen. Und für Respekt statt Verleumdung.

22.11.201

Brigitte Foppa, Tobe Planer, Corinna Lorenzi, Erica Fassa, Riccardo Dello Sbarba, Hans Heiss

60 Jahre nach Sigmundskron: Die vielschichtige Kundgebung ist auch symptomatisch für die Gegenwart
Der Tag von Sigmundskron am 17. 11. 1957 bleibt ein Stichdatum Südtirols: An die 35.000 Männer und Frauen bekundeten mit ihrer Präsenz und der begeisterten Aufnahme des Magnago -Appells „Los von Trient!“ ihre Wünsche nach Freiheit: Die meisten wünschten, der drückenden Kontrolle Roms und der Region zu entgehen und forderten eine eigene Landesautonomie, viele hofften auf ein „Los von Rom!“ und die Selbstbestimmung, kleinere Gruppen um Luis Amplatz waren sogar bereit, bewaffnet aufs Äußerste zu gehen.
So ist die beeindruckende Massenkundgebung von Sigmundskron kein bruchloser Ausdruck eines geschlossenen Volkswillens, sondern spielt auf mehreren Ebenen und ist von Widersprüchen durchzogen. Sechs Hauptaspekte charakterisieren das Ereignis:

  1. Der Wunsch nach Freiheit von staatlichem Druck machte sich nach 35 Jahren Faschismus und Zentralismus in der Kundgebung massiv Luft.
  2. Die bis dahin unnachgiebige Kontrolle durch die politische DC-Mehrheit in der Region mit geringen Zuständigkeiten für die Provinz Bozen verhöhnte die Autonomieversprechen von 1946 und 1948, sodass das „Los von Trient!“ eine nur angemessene Reaktion war.
  3. Hinter der Parole „Los von Trient!“ standen auch das Drängen auf Selbstbestimmung und die Bereitschaft einer Minderheit, dafür auch Gewalt einzusetzen.
  4. Sozial war die Kundgebung auch ein Aufbäumen gegen jahrzehntelange Benachteiligung und brachte das tiefe Empfinden anhaltender Ungerechtigkeit und fehlender Zukunftsaussichten in Südtirol, dem damaligen „Armenhaus der Alpen“, zum Ausdruck.
  5. Politisch setzte Sigmundskron Rom unter Druck und beeindruckte die italienische Öffentlichkeit; es setzte aber auch Österreich unter Zugzwang und nötigte der Wiener Regierung eine schärfere Gangart auf.
  6. Parteipolitisch war die Kundgebung eine Machtdemonstration der neuen SVP-Führung mit Obmann Magnago und den Drahtziehern Hans Dietl, Franz Widmann und anderen „Unnachgiebigen“, die im Mai 1957 im Handstreich die SVP übernommen hatten, gegen die bisherige Führung von Erich Amonn, Josef Raffeiner und Toni Ebner.

Sigmundskron war ein unerwarteter Erfolg größten Ausmaßes: Nicht nur die Forderungen der Mehrheitspartei SVP erhielten enormes Gewicht. Zugleich zeigte sich auch in der Nachkriegsgeschichte Südtirols erstmals nach 1946 mit großer Macht wieder der Wunsch nach politischer Partizipation der Bürgerinnen und Bürger.
Der intensiv empfundene Wunsch wurde rasch gezügelt: Obwohl die SVP den Druck der Basis bestens zu nutzen wusste, zog sie es anschließend doch vor, Partizipation und Volkswillen nach Möglichkeit klein zu halten.
Die weitere Lösung der Südtirolfrage wurde seitdem begnadeten Politkern wie Magnago und Moro wie anderen Verhandlern anvertraut, die die Südtirol-Autonomie im Alleingang und in überschaubarer Runde vorantrieben. Der geballte „Volkswille“ durfte nur kurz aufblitzen, breite Partizipation und Mitbestimmung blieben dem Machtwillen der SVP-Spitze stets untergeordnet.
So ist Sigmundskron zwar ein eindrucksvolles Signal und ein Fanal für eine Wende der Südtirolpolitik hin zu erweiterter Autonomie in Landeshand. Das Leuchtfeuer der Großdemo markiert aber auch die begrenzte Rolle der Volkssouveränität in Südtirol und zeigt die engen Grenzen gelebter Demokratie im Lande. Sigmundskron ist daher auch eine Mahnung zu neuer Aufwertung von Partizipation und Bürgerbeteiligung, die mehr sein muss als nur der eindrucksvolle Flankenschutz der politischen Eliten.
L-Abg. Hans Heiss, Brigitte Foppa, Riccardo Dello Sbarba
BZ, 16. 11. 2017