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Sicherung der Grundrechte als Aufgabe der Volksanwaltschaft

Landesgesetzentwurf Nr. 71/21.

Zwar haben theoretisch alle Menschen ein Recht auf Freiheit und selbstbestimmtes Leben. Unter bestimmten Bedingungen ist dieses Recht allerdings eingeschränkt. Die gravierendste Form dieser Einschränkung ist die Gefängnisstrafe, bei der die persönliche Freiheit durch ein Gerichtsurteil entzogen wird.

Es gibt aber noch andere Einrichtungen, in denen es faktisch eine Einschränkung der persönlichen Selbstbestimmung gibt oder geben kann: Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Langzeitpflegeanstalten, Einrichtungen für psychisch Kranke oder Menschen mit Beeinträchtigung usw. Auch unter eingeschränkten Freiheitsbedingungen müssen die Menschrechte garantiert werden.

In Österreich ist die Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte in sämtlichen Einrichtungen, in denen Menschen mit einer bestimmten Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit leben, besonderen Garantenfiguren anvertraut. Sie sind vom Gesetz vorgesehen und arbeiten streng vernetzt.

Seit dem 1. Juli 2012 ist die Volksanwaltschaft grundsätzlich für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte in der Republik Österreich zuständig: “Gemeinsam mit sechs regionalen Kommissionen werden Einrichtungen kontrolliert, in denen es zum Entzug der Einschränkung der persönlichen Freiheit kommt oder kommen kann, etwa in Justizanstalten oder Pflegeheimen. Die Kontrolle erstreckt sich auch auf Einrichtungen und Programme für Menschen mit Behinderungen. (…) Der verfassungsrechtliche Auftrag zum Schutz der Menschenrechte als “Nationaler Präventionsmechanismus” gründet sich auf zwei bedeutende Rechtsakte der Vereinten Nationen. Einerseits das UN-Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OPCAT) und andererseits die UN-Behindertenrechtskonvention.” (Quelle: Volksanwaltschaft.gv.at).

Die OPCAT-Konvention, deren Art. 3 die Einrichtung von einem oder mehreren solchen innerstaatlichen Präventionsmechanismen vorsieht, ist 2012 von Italien ratifiziert worden:

 

Art. 3

Jeder Vertragsstaat bildet, bestimmt oder unterhält auf innerstaatlicher Ebene ein oder mehrere Gremien, die zur Verhütung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe Besuche durchführen (im Folgenden als «nationaler Präventionsmechanismus» bezeichnet).

Das präventive Menschenrechtsmandat wird in Österreich dadurch ausgeübt, dass die Volksanwaltschaft eine Kommission einsetzt, die regelmäßig Besuche in Justizanstalten, Kasernen, psychiatrischen Einrichtungen, Alten- und Pflegeheime, Krisenzentren, Wohngemeinschaften für Jugendliche sowie Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen durchführt.

Wie der Volksanwalt Österreichs, Dr. Günther Kräuter, bei der von unserer Volksanwältin organisierten Tagung im August 2016 im Südtiroler Landtag berichtete, wurden bei diesen Besuchen immer wieder Verletzungen der Menschenrechte festgestellt. Zugleich bewirkte die Tatsache, dass Besuche durchgeführt und entsprechende Berichte vorgelegt werden, eine deutliche Bewusstwerdung der Problematik und eine allgemeine Verbesserung der Situation. Dies auch dadurch, dass die Kommissionen Empfehlungen aussprechen können und sich so Dialoge zwischen Einrichtungen und Volksanwaltschaft entwickeln.

Vorarlberg ist in Österreich noch einmal einen eigenen Weg gegangen und hat die Aufgaben dem Vorarlberger Landesvolksanwalt delegiert, der eine eigene Menschenrechtskommission ernannt hat. Siehe dazu: http://www.landesvolksanwalt.at/menschenrechte-2/menschenrechte/

In Italien und in Südtirol ist die Situation erst zum Teil rechtlich erfasst worden. anders. Was die Haftanstalten betrifft, so ist die Anwaltschaft für Häftlinge vorgesehen. In Südtirol muss die Häftlingsanwaltschaft erst noch eingerichtet werden. Ein entsprechendes Landesgesetz sollte dazu verabschiedet werden.

Was die Rechte von Kindern und Jugendlichen angeht, so gibt es die Garantenfigur in der Kinder- und Jugendanwaltschaft: Der/Die Kinder- und Jugendanwalt/anwältin hat den gesetzlichen Auftrag zur Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte und weiterer internationaler Abkommen, was die Minderjährigen betrifft, siehe in Art.3 des Landesgesetzes vom 26. Juni 2009 , Nr. 3:

(1) Die Kinder- und Jugendanwältin bzw. der Kinder- und Jugendanwalt, in der Folge KJ-Anwältin bzw. KJ-Anwalt genannt, schützt und garantiert die Rechte der jungen Menschen, die in der internationalen, staatlichen und regionalen Rechtsordnung sowie in der Rechtsordnung des Landes und im Besonderen im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, abgeschlossen in New York am 20. November 1989, und in den diesbezüglichen Zusatzprotokollen, abgeschlossen in New York am 6. September 2000, sowie im Europäischen Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten, abgeschlossen in Strassburg am 25. Jänner 1996, festgeschrieben sind, die von Italien mit den Gesetzen vom 27. Mai 1991, Nr. 176, vom 11. März 2002, Nr. 46, und vom 20. März 2003, Nr. 77, ratifiziert und in Kraft gesetzt wurden.

 (2) Im Einzelnen hat die KJ-Anwältin bzw. der KJ-Anwalt folgende Aufgaben:

  1. sie bzw. er wacht über die Anwendung in Südtirol der Übereinkommen laut Absatz 1 und der anderen völkerrechtlichen und europäischen Übereinkommen sowie über die Anwendung und Durchführung der Rechtsvorschriften des Staates, der Region und des Landes zum Schutz der Rechte der jungen Menschen,
  2. sie bzw. er fördert die Kenntnis und die Bekräftigung der individuellen, sozialen und politischen Rechte der jungen Menschen und ergreift geeignete Initiativen, die die konkrete Verwirklichung dieser Rechte anstreben,
  3. sie bzw. er fördert, auch in Zusammenarbeit mit öffentlichen und privaten Körperschaften, Initiativen zur Sensibilisierung der jungen Menschen, der Familien, der Fachkräfte im Jugendbereich und der Gesellschaft im Allgemeinen im Hinblick auf die Probleme und die Rechte der Kinder und Jugendlichen,

(…)

  1. sie bzw. er meldet den Sozialdiensten oder der Gerichtsbehörde Situationen, die ein unmittelbares Eingreifen in rechtlicher oder in fürsorglicher Hinsicht zum Schutze der Minderjährigen erfordern,
  2. sie bzw. er weist die zuständigen öffentlichen Verwaltungen auf Risiken oder Schäden hin, die sich für junge Menschen durch Lebensumstände ergeben, die in hygienischer und gesundheitlicher Hinsicht sowie in Bezug auf die Wohnverhältnisse und das Umfeld mangelhaft oder unangemessen sind.

 

Für die Menschenrechte von Erwachsenen, die in einer Situation der eingeschränkten Freiheit leben, gibt es dahingegen keine präventive Handhabe. Die Volksanwältin/Der Volksanwalt wäre, analog zur Kinder- und Jugendanwältin/dem Kinder- und Jugendanwalt, dazu prädestiniert, die präventive Menschrechtskontrolle auszuüben, ist aber (noch) nicht mit dem nötigen Mandat ausgestattet. Auch das neue Landesgesetz vom 9. Oktober 2020, mit dem die Ombudsstellen geregelt werden, enthält leider nicht dieses Mandat. Es listet unter den Aufgaben der Volksanwaltschaft keine auf, die mit einem präventiven Mandat zur Überwachung der Grundrechte in Einrichtungen zusammenhängen oder als solches ausgelegt werden können.

Diese gesetzliche Lücke soll mit dem vorliegenden Gesetzentwurf geschlossen werden, indem der Aufgabenbereich der Volksanwaltschaft durch die Ausübung der präventiven Menschrechtskontrolle erweitert wird. Damit wird den Aufgabenbereich der Volksanwaltschaft vervollständigt.

Zugleich soll hiermit aber auch ein klarer Schritt zur Sensibilisierung für die Rechte aller Menschen und deren Einhaltung auch in unserem Land gesetzt werden.

 

Inhalt der Artikel 1 und 2:

Mit Artikel 1, Absatz 1 wird dem Aufgabenkatalog der Volksanwältin/des Volksanwalts der Auftrag der präventiven Menschenrechtskontrolle hinzugefügt. Die Volksanwältin/Der Volksanwalt wird mit der Aufgabe betraut, Einrichtungen wie Krankenhäuser, Seniorenwohnheime, Pflegeeinrichtungen, Langzeitpflegeanstalten, Einrichtungen für psychisch Kranke oder Menschen mit Beeinträchtigung usw. regelmäßig zu besuchen und zu überprüfen und den Einrichtungen auch beratend zur Seite zu stehen.

Mit Absatz 2 wird vorgesehen, dass die Volksanwältin/der Volksanwalt zur Ausübung der präventiven Menschenrechtskontrolle unabhängige Kommissionen ernennen kann, die diese Tätigkeit begleiten und unterstützen. Die Einrichtungen müssen alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen und die Volksanwaltschaft muss ihrerseits auf die Erfordernisse der Einrichtungen Rücksicht nehmen.

In Artikel 2 (Finanzbestimmung) sind die Kosten für die Tätigkeit der Kommissionen auf jährlich 20.000 Euro budgetiert, die im Haushalt des Landtages entsprechend bereitgestellt werden müssen.

 

 

Bozen, 12.11.2020

Landtagsabgeordnete

Brigitte Foppa

 

Hier könnt ihr den kompletten Gesetzentwurf  und das Gutachten des Rats der Gemeinden herunterladen.

 

Author: Heidi

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