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Mehrweg macht mehr Sinn: Die Pfandflasche muss gefördert werden

BESCHLUSSANTRAG
Mehrweg ist ein (im Grunde simples) System für Verpackungen von Getränken und Lebensmitteln. Getränke werden in eine Flasche oder in einen Behälter abgefüllt, transportiert, gekauft und konsumiert. Dabei wird ein Pfand auf die Flasche eingehoben. Bringt die Kundin oder der Kunde dann den Behälter wieder zurück ins Geschäft, wird dieser Pfand zurückgegeben. Die Flasche wird gereinigt und neu befüllt.
Während Mehrwegverpackungen vor wenigen Jahrzehnten noch gang und gäbe waren, sind heute Einwegverpackungen Standard, meist sind diese aus Kunststoff, Aluminium oder Glas. Mehrwegflaschen verschwanden schleichend und schrittweise aus den Laden- und Supermarktregalen: Bis auf wenige Ausnahmen finden Konsumentinnen und Konsumenten in Südtirol heute kaum noch Produkte in Mehrwegverpackungen.
In Zeiten der Plastikkrise ist das Einwegsystem fatal: Laut Eurostat-Zahlen hatte Deutschland im Jahr 2016 einen Pro-Kopf-Verbrauch von 220,5 Kilo Verpackungsmüll, Italien von 209,5 Kilo. Damit sind die beiden Länder absolute Müll-Spitzenreiter im europäischen Vergleich. Weltweit wurden 2018 rund 359 Millionen Tonnen Kunststoff hergestellt. Davon wird etwas mehr als ein Drittel für Verpackungen eingesetzt, welche meist nach einmaligem Gebrauch weggeworfen werden. Der Blick in die Zukunft bleibt düster, laut Prognose der Heinrich-Böll-Stiftung wird sich die Plastikproduktion bis Anfang der 2050er-Jahre sogar vervierfachen . Der Plastikmüll verpestet nicht nur die Weltmeere, auch in Seen und Flüssen sowie im Schnee der Alpen wurde bereits Mikroplastik gefunden.
So landen jedes Jahr etwa zehn Millionen Tonnen Plastik im Meer, wo es sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte in immer kleinere Teile zersetzt und sich als Mikroplastik überall hin verteilt. Mikroplastik sind Mikropartikel von weniger als fünf Millimeter aus Kunststoff. Diese entstehen entweder durch Zersetzung und Fragmentierung größerer Kunststoffteile (sie werden als Fasern aus Kleidung ausgewaschen oder im Straßenverkehr von Autoreifen abgerieben) oder direkt in mikroskopischer Größe hergestellt und in der industriellen Produktion zahlreicher Konsumgüter eingesetzt (Partikel, die in kosmetischen Mitteln, Wasch und Reinigungsmitteln verwendet werden).
Doch die großen Abfallmengen sind nicht die einzigen Auswirkungen von Verpackungen auf die Umwelt. Die Herstellung der Verpackungen fordert einen enormen Energie-, Wasser und Rohstoffverbrauch und auch Transport, Abfallsammlung, -verwertung und -entsorgung fordern ihren Energietribut. Der gesamte Produktionslebenszyklus und die damit verbundenen CO2 Emissionen dieser Verpackungen führen zu einer gewaltigen Klimabelastung. Wir beschränken uns in diesem Beschlussantrag auf Getränke.
Im Vergleich dazu fällt der Wasser und Reinigungsmittelverbrauch bei Mehrwegsystemen relativ gering aus. Dank des Pfandsystems wird außerdem die Verschmutzung des öffentlichen Raums durch achtlos weggeworfene Flaschen vermindert.
Gerade Mehrwegflaschen aus PET sind sehr umweltfreundlich und weisen zusätzlich weitere Vorteile auf, wie z.B. geringes Gewicht, Bruchsicherheit und gute Stapelfähigkeit.
Im „Ökoranking“ werden die unterschiedlichen Verpackungsarten auf ihre negativen Umweltauswirkungen geprüft und verglichen. Dabei sind sich die Südtiroler Verbraucherzentrale, die Österreichische Umweltberatung sowie die Deutsche Umwelthilfe einig: Mehrwegverpackungen sind ökologisch vorteilhaft und schonen das Klima. So verursacht z.B. eine Bierdose dreimal so viel Treibhausgasemissionen als eine Mehrwegflasche, eine Einwegflasche aus Glas sogar fünfmal so viel.

In allen Studien schneiden regional vertriebene Mehrwegverpackungen am besten ab. Sie sind die umweltfreundlichste Verpackungsalternative, da unnötige Abfälle vermieden werden, weniger Ressourcen (lediglich Etikett und Verschluss müssen erneuert werden) verschwendet werden und auch regionale Wirtschaftskreisläufe gestärkt werden. Unsere begrenzten Naturressourcen werden geschont, wenn Flaschen vielfach gespült und wiederverwendet werden und die Transportwege möglichst kurz sind. Ein kritischer Punkt sind lange Transportwege, weil beispielsweise die Wege vom Abfüllort zur Verkaufsstelle zu weit sind. Eine Studie für die Deutsche Umwelthilfe geht davon aus, dass Mehrwegsysteme bei bis zu 600 km (einfacher) Transportdistanz vorteilhaft sind.
Mehrwegflaschen aus PET werden im Durchschnitt 20 Mal wiederbefüllt, sind bruchsicher und verbrauchen aufgrund ihres geringen Gewichts bei Transport und Logistik wenig Energie. Der Wasser- und Reinigungsmittelverbrauch ist dabei nicht ausschlaggebend, da auch bei der Herstellung von Einweg-Plastikflaschen große Mengen an Wasser verbraucht werden. PET (Polyethylenterephthalat) gehört zu der Familie der Polyester und ist beständig gegen Öle, Fette, Alkohole und verdünnte Säuren. Es wird vor allem als Material von Ein- und Mehrwegflaschen für kohlensäurehaltige Getränke verwendet, aber auch häufig für Mikrowellenschalen und Becher eingesetzt.
Mehrweg-Glas hingegen garantiert die beste Produktqualität und erhält die typischen Eigenschaften und Geschmack eines Produkts. Aufgrund des höheren Gewichts schneidet Glas-Mehrweg im Ranking etwas schlechter als PET-Mehrweg ab, kann jedoch durchschnittlich doppelt so oft wiederbefüllt werden.
Nach den Mehrwegsystemen haben PET-Einweg und der Verbundkarton (Tetra Pak) die zweitbeste Ökobilanz, zweitere jedoch nur falls er getrennt gesammelt und wiederverwertet wird. Glas-Einweg und Getränkedosen schaden dem Klima und der Umwelt am meisten. Alle Einwegverpackungen werden nach einmaligem Gebrauch zu Müll und verursachen daher enorme Abfallaufkommen und Rohstoffverbrauch. Gerade Glas verbraucht trotz Recycling unverhältnismäßig viel Energie und Rohstoffe und bei der Produktion von Aluminium werden viele umweltgefährdende Chemikalien verwendet. Auch die Produktion von Aluminium gilt es zu hinterfragen: Für den Abbau des Rohstoffes Bauxit werden tropische Regenwälder zerstört und Menschen im globalen Süden ausgebeutet.
Die Landesagentur für Umwelt hat den Vorteil des Mehrwegprinzips bereits vor zehn Jahren erkannt und ihm von 2008 bis 2010 eine eigene Sensibilisierungskampagne gewidmet. Ob dies jedoch genützt hat ist fraglich, so hat Südtirols größter Milchhof Mila hat genau zu diesem Zeitpunkt seine Pfandflasche vom Markt genommen.
Dass die Nachfrage vonseiten der Konsumentinnen und Konsumenten da ist, beweisen zwei jüngst durchgeführte Umfragen. Bei einer von Greenpeace in Auftrag gegebenen Umfrage im Februar 2019 sprachen sich 78% der Befragten in Österreich für eine Rückkehr der Mehrwegflasche aus. Im Herbst 2019 führte dieselbe NGO eine repräsentative Befragung in der Schweiz durch. Das Ergebnis: 95% der Befragten wären bereit, Produkte in Mehrweg-Verpackungen zu kaufen.
Doch auch am hiesigen Markt schein Mehrweg aktuell „in“ zu sein: so widmet der Getränkehersteller Zipperle seine jüngste Kampagne „Dreht richtig auf“ seiner Mehrweg-Saftflasche. (Siehe mehrweg.zipperle.it).

Daher beauftragt der Südtiroler Landtag die Landesregierung

  1. Die Landesagentur für Umwelt mit einer neuen Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne für Konsumentinnen und Konsumenten zu beauftragen.
  2. Die Landesagentur für Umwelt mit einer neuen Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne für Produzentinnen und Produzenten zu beauftragen.
  3. Eine Sonderförderung für Regionale Mehrwegverpackungen einzuführen, um so einen Anreiz zu schaffen, damit Südtiroler Produzentinnen und Produzenten Mehrwegverpackungen in ihr Sortiment aufzunehmen.
  4. Zusammen mit den bedeutendsten Wein- und Getränkeproduzenten und Handelsvertretungen zu prüfen, ob ein einheitliches Mehrwegsystem mit Mehrweg-Einheitsflaschen sinnvoll wäre.
  5. Südtirol als „Land des Mehrwegs“ zu etablieren und in die Marketingstrategie einzubauen, um so umweltbewusste Gäste anzulocken.
  6. Eine Kampagne zu starten, in der bei bestimmten Gelegenheiten nachfüllbare Trinkflaschen an Gäste und Einheimische verteilt werden.

Bozen, 30.12.2019

Landtagsabgeordnete
Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba
Hanspeter Staffler

„Landesfamiliengel
Tierschutz unterm We
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