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Gaslighting – Eine Form der psychischen Gewalt

BESCHLUSSANTRAG.

Das Gewalt an Frauen viele Facetten hat, ist bekannt. Meist wird Gewalt vor allem in ihrer körperlichen Form wahrgenommen und gemeinhin darüber definiert. Dies ist insofern ein Problem, als dass viele Menschen, darunter gehäuft Frauen, die psychischer Gewalt ausgesetzt sind, diese nicht als solche erkennen. Daher müssen wir als Gesellschaft daran arbeiten und den Dingen einen Namen geben. Vielfach wird ein Unrecht erst als solches perzipiert, wenn es einen Begriff dafür gibt. Vorher haben Betroffene lediglich eine diffuse Ahnung, dass das, was mit ihnen passiert, vielleicht nicht richtig ist.

Dies lässt sich gut anhand des Beispiels „Stalking“ verdeutlichen. Erst seit wenigen Jahren ist uns dieser Begriff bekannt. Seit 2009 ist Stalking in Italien eine Straftat. Auch vor 2009 gab es Opfer von Stalking. Allerdings war es für Opfer dieser terrorisierenden Form des Nachstellens vor 20 Jahren schwierig, sich selbst, ihrem Umfeld und nicht zuletzt dem Rechtsstaat begreiflich zu machen, welche Art von Unrecht ihnen geschah – da es eben das Konzept „Stalking“ gar nicht gab. Heute ist der Begriff geläufig, Stalking wird erkannt und benannt. Dass Stalking im schlimmsten Fall zu Gewaltverbrechen bis hin zu Mord führt, wurde Südtirol im März 2020 durch die Tötung einer jungen Frau in Eppan durch ihren Stalker vor Augen geführt.

Eine weitere Form der psychischen Gewalt ist das so genannte „Gaslighting“. Der Begriff rührt vom englischen Theaterstück „Gas Light“ von 1938 her. Es geht darin um die Beziehung eines Ehepaars, in der der Mann versucht, seine Frau in den Wahnsinn zu treiben. So verschwinden Dinge im gemeinsamen Haus und tauchen an den eigenartigsten Orten wieder auf. Die Frau kann sich dies nicht erklären und ihr Mann redet ihr ein, dass sie selbst die Dinge verlegt hat und sich nicht mehr daran erinnern könne. Zudem flackert das Gaslicht im Haus auf eine eigenartige Weise, was der Mann ebenfalls bestreitet und ihr unterstellt, sie bilde es sich nur ein. Es stellt sich heraus, dass der Mann selbst für die Geschehnisse im Haus verantwortlich ist und seine Frau bewusst terrorisiert, indem er ihre Wahrnehmung in Frage stellt.
Das Theaterstück wurde später auch verfilmt. Einem breiteren Publikum wurde „Gas Light“ jedoch erst bekannt, als der Name des Stückes – symptomatisch für eine Form der Gewalt – Eingang in die Psychologie-Lehrbücher fand.

Das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales definiert Gaslighting als den Versuch, „einen anderen Menschen gezielt zu verunsichern – bis zum völligen Zusammenbruch. Das Opfer kann schließlich nicht mehr zwischen Wahrheit und Schein unterscheiden“.
Das Ziel ist es, durch Manipulation Abhängigkeit zu erreichen oder zu halten. Indem eine getroffene Abmachung oder getätigte Aussage in Frage gestellt bzw. geleugnet wird, wird das Gegenüber extrem verunsichert – bis hin zum Gefühl, der eigenen Wahrnehmung nicht mehr trauen zu können. Gaslighting kann in verschiedenen Kontexten auftreten: Am Arbeitsplatz, unter Freund:innen, in der Familie, in Paarbeziehungen.

In seiner schlimmsten Form läuft Gaslighting in einer Paarbeziehung darauf hinaus, dass es eine „gesunde“ Person gibt, die mehr oder weniger immer recht hat und eine zweite Person, die „nicht gesund“ ist und immer falsch liegt. Das Opfer von Gaslighting vertraut seinen eigenen Gefühlen nicht mehr, weil diese vom Gegenüber marginalisiert und ihre „Richtigkeit“ in Frage gestellt werden. Stellt sich das Opfer mit zunehmender Häufigkeit die Frage, ob es einerseits den Aussagen des oder der anderen noch glauben- und andererseits den eigenen Empfindungen noch trauen kann, dann ist es der Kontrolle des Gegenübers schon ausgeliefert.

Wie bereits erwähnt, hat beispielsweise die Bayerische Landesverwaltung den Begriff „Gaslighting“ als Unterform von Psychischer Gewalt institutionalisiert und somit einen ersten Schritt gemacht, um das Problem als solches zu erfassen und dagegen vorzugehen. Diesem Beispiel kann Südtirol folgen, damit ein erster Schritt gesetzt werden kann, eine bestimmte Form der psychischen Gewalt gezielt zu bekämpfen.

Daher beauftragt der Südtiroler Landtag die Landesregierung

  1. Das Phänomen „Gaslighting“ als Form von psychischer Gewalt anzuerkennen, gegen das es gezielt vorzugehen gilt.
  2. Den Internetauftritt „Gewalt hat viele Gesichter“ der Landesverwaltung zu aktualisieren und ihn um neue Erkenntnisse, Anlaufstellen etc. zu ergänzen.

Bozen, 26.10.2021

 

Landtagsabgeordnete
Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba
Hanspeter Staffler

Author: Heidi

Für die Frauen
Respect!
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