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Gärten fördern, Gärtnern fördern

Beschlussantrag

Gärtnern ist in Mode gekommen. Lange Zeit als liebliche Nebenbeschäftigung von älteren Menschen (Stichwort Schrebergärten) verniedlicht, wird zunehmend die wirtschaftliche, ökologische, soziale und psychische Dimension des Gärtnerns wahrgenommen und aufgewertet.

Dabei gärtnern Menschen seit der Urzeit. Das Pflegen des Saatgutes, das Anpflanzen, Aufziehen und Ernten der eigenen Nahrung hat eine uralte Tradition und vielfältige kulturelle Ausprägung. Nach Jahrzehnten der immer stärker werdenden Industrialisierung auch im Ackerbau und Pflanzwesen mit all seinen Auswirkungen erlangt der Gartenbau derzeit eine neue Bedeutung.

Diese geht weit über die reine Ernährungsfrage hinaus, sie beginnt aber dort. Weltweit werden 80% der Lebensmittel nicht von der industrialisierten Landwirtschaft, sondern von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern produziert (FAO 2014). Ein Garten gehört auf der ganzen Welt zu einer Landwirtschaft dazu. Gärten sichern aber auch in den oft unterversorgten Städten des globalen Südens eine Mindesternährung. Die Gartenbewegung in Europa unterstreicht ihrerseits, wie wichtig der Bezug der Menschen – oft sind es junge Leute – zur Erde und zum Boden, gerade auch in urbanen Kontexten ist. Aus diesem Bewusstsein heraus sind in vielen Städten und auch kleineren Ortschaften Europas größere und kleinere Flächen in Gemeinschafts- oder auch Individualgärten umgewandelt worden. Studierende, ältere Menschen und Familien tragen durch den direkten Anbau von Gemüse zur Eigenversorgung bei.

Gärten sind wichtige Faktoren für Gesundheit und gesellschaftliche Integration. Gärtnern tut gut, für  Körper, Geist und Psyche. Gärten haben eine therapeutische Wirkung und werden in Psychiatrie ebenso eingesetzt wie in Pädagogik und Seniorenbildung. Gemeinschaftsgärten haben sich bewährt, um Menschen in die Gesellschaft (wieder)einzugliedern. In interkulturellen Gärten treffen verschiedene Kulturen und Gartenkulturen aufeinander.

Gärten haben aber auch eine erstklassige Bedeutung für Klima- und Umweltschutz, Ökologie und Nachhaltigkeit.

Böden sind der größte terrestrische Speicher („Senke“) für Kohlenstoff. Organische Bodensubstanz ist nicht nur für die Bodenfruchtbarkeit, sondern auch als Umschlagort von Treibhausgasen für den Klimawandel von Bedeutung. Kleingärten sind die wirksamsten CO2-Speicher. Das Forschungsprojekt NatKoS der Humboldt Universität hat die Speicherung des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) im Humus des Bodens und die damit verbundenen Potenziale für den Klimaschutz untersucht. Es wurde nachgewiesen, dass Humus Kohlenstoff am besten bindet. Die systematische Humusanreicherung durch gärtnerische Aktivitäten mit dauerhaftem, großen Eintrag organischer Substanz wirkt sich positiv auf die Humusmengen aus.

In Zeiten von Artensterben und Bodenversiegelung sind Gärten wichtige Akteure für Biodiversität und ökologische Vielfalt. Durch bauliche Maßnahmen hat der Mensch Flora und Fauna zurückgedrängt. Damit sind künstliche Grenzen geschaffen, welche wichtige Verbindungen der natürlichen Lebensräume für Pflanzen und Wildtiere unterbrechen. Neu geschaffene Lebensräume wie Gärten können wichtige Verbindungen zwischen den «Inseln» schaffen – sozusagen Brücken schlagen. Damit hilft man nicht nur den Tieren, sondern auch den bedrohten Pflanzenarten. Naturnahe Gärten schaffen Nahrungs-, Nist- und Ruheplätze für Insekten, Vögel, kleine Säugetiere und Reptilien.

Schließlich sind Gärten auch Stätten kulturellen Austausches, der Geselligkeit, der Überlieferung von Wissen und Tradition, der Bewahrung von Samengut – und der Schönheit.

In Südtirol ist man sich des Wertes von Gärten schon seit Längerem bewusst. Die Bäuerinnen, stets der Zeit etwas voraus, haben schon seit Jahren das Thema prominent auf ihrer Agenda platziert, sie halten Kurse, bilden sich fort und entwickeln Projekte.

Seit Mai 2015 ist das Land Südtirol außerdem Partner von „Natur im Garten“, einem niederösterreichischen Netzwerk, das sich für die Ökologisierung von Privatgärten und Grünräumen einsetzt, indem es auf die Gartengestaltung und -pflege ohne Pestizide, ohne chemisch-synthetische Dünger und ohne Torf setzt und  den Erhalt der biologischen Vielfalt mit heimischen und ökologisch wertvollen Pflanzen zum Ziel hat.

Aufbau und Etablierung des Netzwerkes „Natur im Garten“-Südtirol wurden dem Land- und Forstwirtschaftlichen Versuchszentrum Laimburg übertragen, das in Zukunft dann auch Zertifizierungsstelle für Südtiroler Gärten sein wird.

Diese sehr löbliche Initiative könnte angesichts der Konjunktur, die das Gartenthema auch und besonders in Pandemiezeiten hat, erweitert und ausgedehnt werden.

Ein interessantes Beispiel für „Garten-Empowerment“ ist die Initiative „Tausende Gärten – Tausende Arten“ die 2019 von der Deutschen Bundesregierung gestartet wurde. Ausgehend von der Feststellung, dass „Gärten, Balkone sowie Grün- und Freiflächen enorme Potenziale für die biologische Vielfalt bergen“, ist das erklärte Ziel dieses Projekts, „Bürgerinnen und Bürger bundesweit für mehr Artenvielfalt in Privatgärten und städtischen Frei- und Grünflächen zu begeistern und gemeinsam mit Gärtnereien und Saatgutbetrieben die naturnahe Gartengestaltung populärer zu machen. Das Projekt sieht eine Online-Plattform zum Infoaustausch, die Verbreitung von regionalem Saatgut und Wildpflanzen und allgemeine Sensibilisierung mit Best-Practice-Förderung vor.

Soweit die Initiative in Deutschland. In Südtirol kann die Förderung der Gärten und des Gärtnerns, im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes, auf mehrfachen Ebenen ausgeweitet werden. Dazu gehören Maßnahmen der Sensibilisierung, der Bildung, der Information, Pilotprojekte, finanzielle Unterstützung und rechtliche Verankerung.

Daher beauftragt der Südtiroler Landtag die Landesregierung

  1. Aufbau einer Online-Plattform zur Schaffung eines aktiven Akteurs- und Wissensnetzwerk. Interessierte erhalten auf der Website Tipps und Empfehlungen im Austausch mit erfahrenen Naturgärtner:innen.
  2. Neue Gärten, sowohl individuelle/private als auch Gemeinschaftsgärten, sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum, werden angestrebt, den Neo-Gärtner:innen wird Hilfestellung angeboten.
  3. Saatgutbetriebe, Gärtnereien, Gartenmärkte werden für die Herstellung und den Vertrieb von Regio-Saatgut und Wildpflanzensamen gewonnen und gefördert.
  4. Die Themen „artenreiche Gärten“ und „naturnahes Gärtnern“ werden für die Öffentlichkeit aufbereitet: Infomaterialien, Pflanzpakete, Kurzfilme, Blogs, Veranstaltungen und Workshops sollen das Interesse für naturnahe Gärten wecken und Gartenbesitzer:innen dabei unterstützen, den eigenen Garten für mehr biologische Vielfalt umzugestalten.
  5. Schul-, Therapie-, Senioren-, Hotelgärten und weitere Formen von Gartenanlagen mit spezifischen Nutzmöglichkeiten werden systematisch gefördert.
  6. Vorbildlich naturnah gestaltete Gärten werden in periodischen Abständen ausgezeichnet.
  7. In den Durchführungsverordnungen zum Landesgesetz Raum und Landschaft werden Möglichkeiten der Förderung von Gärten verankert.

Bozen, 27.07.2021

Landtagsabgeordnete

Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba
Hanspeter Staffler

Lärmschutz an der U
Der Nachtragshaushal
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