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Brief aus dem Hessischen Landtag

Brigitte Foppa auf dem Bär vor der Frankfurter BörseDer Brief aus dem Landtag kommt in diesem Monat nicht aus dem Südtiroler, sondern aus dem Hessischen Landtag. Dorthin ging nämlich mein erster “Staatsbesuch”, zusammen mit den Kollegen der anderen Südtiroler Landtagsfraktionen.
Eine interessante Erfahrung, einmal weil aus dem Vergleich mit dem „Anderen“ das Eigene stets bewusster wird und sich Vieles für die eigene Arbeit ableiten lässt. Besonders interessant in dieser Perspektive war für mich (aber nicht nur für mich!) zu hören (unter anderem in einem sehr netten Gespräch mit dem Abgeordneten Kai Klose) wie in Hessen die noch recht frische schwarz-grüne Koalition funktioniert. Sie funktioniert gut!
Inmitten vieler Weinberge erkundigen wir uns aber auch in besonderem Maße über die Verkehrspolitik in Hessen – besonders aus Unterlandler Sicht interessant, geht es doch beim Projekt „Staufreies Hessen“ um eine dynamische Autobahnspur, wie sie ja auch bei uns immer wieder diskutiert wird. In Hessen werden 60 km Notbahnspur an Stoßzeiten freigegeben und es entsteht eine befahrbare dritte bzw. vierte Fahrspur. Die Unfälle, so sagte man uns in der Verkehrszentrale, seien zurückgegangen, die Umweltbelastung ebenfalls. Ob das Verkehrsaufkommen angestiegen ist, wenn nun der Verkehr so schnell geht, war meine Frage (schließlich beobachten wir ja selber, welcher Anstieg sich etwa im Unterland durch die neuen Umfahrungen verzeichnet). Das zögerliche „Nein“ des Experten, der ansonsten zu allen anderen Fragestellungen Statistiken und Kennzahlen projizierte, überzeugte mich nicht. Trotzdem bestaunte ich mit einer eigenartigen Mischung aus Faszination und Abscheu die Überwachung sämtlicher 60 km mit Videokameras. Pannenstreifen wurden angezoomt (dabei sah man, wie der Pannenfahrzeuglenker in der Nase bohrte), digital war jeder km an der Anzeigetafel samt Anzahl der Fahrzeuge und deren Geschwindigkeiten sichtbar (mit Spitzen von 180 km/h Durchschnittswert auf der linken Spur!). Eine unglaubliche Sache, phantastisch und besorgniserregend zugleich, auf jeden Fall so teuer, dass es bei uns niemals zu so etwas kommen wird.
Währenddessen fliegt übrigens alle 20 Sekunden ein Flieger den Frankfurter Airport (1.342 Bewegungen pro Tag) an. Der soll noch ausgebaut werden, was für die schwarz-grüne Koalition eine hübsche Bewährungsprobe sein wird. Zweifellos eine gewaltige Umweltbelastung und Lärmschaffer, ist der Flughafen ebenso zweifelsfrei Wirtschafts- und Beschäftigungsmotor der ganzen Region. Es ist eben nichts eindeutig, soviel habe ich inzwischen gelernt und Politik ist genau dazu da, aus solchen Dilemmata Lösungen zu kreieren. Das ist schwierig und spannend zugleich, endet oft in Halblösungen und Frust, manchmal auch in Erfolgsgeschichten.
Mit dieser Erkenntnis steige ich in den Zug, der mich, während ich die letzten Zeilen dieses Briefes schreibe, mit 300 km/h zurück nach Südtirol bringt. Hochgeschwindigkeit, Flugverkehr, Autobahn … die Regionen wechseln, die Diskussionen bleiben ähnlich, hier, im Herzen Europas, das an meinem Fenster vorbei fliegt.
Brigitte Foppa

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So ein Herumgedokter
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