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Der Landesgesetzentwurf Nr. 135/17 “Umweltprüfung für Pläne, Programme und Projekte” eröffnet die Chance, endlich klar zwischen Fachexpertise und Politik zu trennen. Bisher nämlich hielt sich letztere immer noch die Möglichkeit offen, gegen die Gutachten von ExpertInnen in der sensiblen Frage von Natur und Umweltschutz zu entscheiden. Die Verwischung der Rollen führte zu einer unklaren Rechtssituation und in Folge zu ständigen Rekursen. Dies hat schlussendlich oft auch den ProjektbetreiberInnen selbst geschadet.
An eklatanten Beispielen mangelt es nicht. Der Bau der Windkraftanlage am Brenner etwa wurde zuerst aufgrund einer negativen UVP verwehrt, dann durch die Landesregierung dennoch genehmigt und schließlich, mittels Gerichtsbeschluss erneut abgelehnt.
Der Umweltbeirat besteht aus acht vom Land ernannten ExpertInnen, und in der Dienststellenkonferenz sind alle betroffenen Landesämter vertreten. Wenn diese Beiräte zum Schluss kommen, dass eine Unternehmung nicht umweltverträglich sei, so gilt es diese Entscheidung zu respektieren.
Die strategische Umweltprüfung, die Umweltverträglichkeitsprüfung, sowie die integrierte Umweltermächtigung sehen im Vorfeld einen Austausch mit den AntragstellerInnen vor, die die Möglichkeit erhalten, die problematischsten Aspekte ihres Projektes zu korrigieren. Überdies kann der Umweltbeirat das Projekt, unter bestimmten Auflagen, gutheißen. Es ist somit garantiert, dass AntragstellerInnen angehört werden und ein positives Gutachten erhalten können, sofern die notwendigen Anpassungen vorgenommen werden.
In Anbetracht dieser Tatsachen ergibt es schlichtweg keinen Sinn, dass die Politik am Ende dieses Prozesses das Urteil der FachexpertInnen in Frage stellen, ignorieren oder gar aufheben kann. Ein Projekt, das mit Umweltschutz unvereinbar ist, bleibt unvereinbar, auch wenn die Landesregierung gegenteilig entscheidet. Wenn die Landesregierung dennoch eine Umsetzung der UVP-negativ bewerteten Projekte anstrebt (etwa aus wirtschaftlichen oder sozialen Gründen), dann muss diese Entscheidung gerechtfertigt und klar argumentiert werden. Es geht nicht an, dass nicht-umweltverträgliche Projekte nachträglich zu verträglichen Projekten werden.
Die Grüne Fraktion schlägt u.a. folgende Änderungen für den Gesetzentwurf Nr. 135 vor:

  • Der Umweltbeirat soll alle drei Jahre und nicht zu Beginn jeder neuen Legislaturperiode ernannt werden. (Art. 2, Absatz 6). Auf diese Weise bleibt die Unabhängigkeit des Ausschusses gesichert, da nicht jede neue Regierung „ihren eigenen“ Ausschuss zusammenstellen kann. (In allen anderen Regionen Italiens, ist diese dreijährige Dienstdauer bereits durch den „Testo Unico Ambiente“ festgelegt.)
  • Die Bewertung des Umweltbeirates soll für die Landesregierung bindend sein (Art. 20, 23 und 24). Die Landesregierung ist kein technisches Organ und soll keine eigenständige Umweltbewertung vornehmen dürfen.
  • Alternativ dazu soll die Landesregierung dazu verpflichtet werden, die Entscheidung zu rechtfertigen, falls sie den ökonomischen oder gesellschaftlichen Aspekten Vorrang vor Umweltargumenten einräumen will (Art. 20, 23 e 24). Dies würde willkürliche Entscheidungen eingrenzen und Argumente für eine eventuelle Anfechtung vor dem Verwaltungsgericht liefern.
  • Die öffentliche Debatte, die von der Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehen ist, soll auch auf die integrierte Umweltermächtigung  (die die Boden-, Wasser-, Luftemissionen bewertet) ausgedehnt werden. Somit könnten alle Interessierten, inklusive der Projektbetreiber, ihre Überlegungen vorbringen. (Art. 28).
  • Die bestehende Möglichkeit, bei der Landesregierung gegen die Entscheidung des technischen Beirates Beschwerde zu erheben, soll abgeschafft werden (Art 43). Gegen eine Entscheidung der Dienststellenkonferenz kann auf jeden Fall beim Verwaltungsgericht rekurriert werden.

 
Bozen, 3.10.2017
Riccardo Dello Sbarba
Brigitte Foppa
Hans Heiss

Tagesordnung zum LGE 135/17.
Seit geraumer Zeit behängt die Frage der Schiverbindung zwischen Langtaufers im Obervinschgau und dem Kaunertal in Tirol als länderübergreifendes Verbindungsprojekt. Es geht um Aufstiegsanlagen, die zwischen dem unerschlossenen Langtaufers und dem touristisch bereits stark genutzten Tiroler Kaunertal errichtet werden sollten.
Manche der LangtaufererInnen erhoffen sich von der Verbindung Arbeitsplätze vor Ort; im Kaunertal hingegen zielt man auf Ausweitung des potenten Schigebiets. Zur Abwägung stehen dabei die Vorzüge zusätzlicher Arbeitsplätze im Tourismus auf Südtiroler Seite und somit eine verstärkte Inwertsetzung des wirtschaftlich schwachen Tales, auf der anderen Seite die großflächige Erschließung des bisher weit gehend intakten, durch Naturschönheit beeindruckenden Melagtales aufwärts bis zum Karlesjoch.
Das reizvolle Seitental ist auch Standort unberührter Lebensräume. Sie gingen bei einer Verbauung als Biosphäre für immer verloren. Die Umweltschutzorganisationen haben mehrfach darauf hingewiesen, dass Langtaufers ein unberührtes Tal ist, dessen Entwicklungspotenzial in einer ganz andere Richtung liegt, nämlich im Aufgreifen von Trends wie „Achtsamkeit, Entschleunigung, Qualität, Regionalität, Back to the roots-Bewusstsein, Natur, Gesundheit u. v. m.“ (Brief der Umweltschutzgruppe Vinschgau an die Mitglieder der Landesregierung vom Oktober 2016).
Der Ansatzpunkt für die BetreiberInnen, die Oberländer Gletscherbahnen AG, ist nicht der Schutz dieser Lebensräume, sondern ein Aufhänger besonderer Art: Sie stützen sich auf die Tatsache, dass gesetzlich zwar grundsätzlich keine neuen Schigebiete ausgewiesen werden können, aber die Erweiterung bestehender Schigebiete und deren Verbindung durchaus möglich ist.
Den Ansatzpunkt im skitechnisch aktuell unerschlossenen Langtaufers bildet ein alter, seit Jahrzehnten still gelegter Schlepplift, auf dessen Bestehen sich die Betreiber zu stützen versuchen. Die virtuelle Existenz der Anlage im Bauleitplan (real existieren nur mehr die Träger) ermöglicht die Ausweisung einer Trasse ab Langtaufers in Richtung Tirol und die Perspektive auf die erhoffte Verbindung. Die in einem ersten Projekt vorgelegte Trassenführung war allerdings so beschaffen, dass damit auf Südtiroler Seite erosionsgefährdete Hänge durchschnitten worden und zugleich natürliche Ressourcen, Habitate und Landschaftsräume schwer in Mitleidenschaft gezogen worden wären.
Dieses 2016 vorgelegte, groß dimensionierte Projekt lehnte denn auch der Umweltbeirat am 16. 2. 2017 in aller Entschiedenheit ab. Er verwies auf die grundsätzliche Problematik des Projektes als eines scheinbar „ergänzenden Eingriffs“, der aber von durchschlagender Wirkung war. Das negative Gutachten wurde unter anderem so begründet:
„Aus landschaftlicher Sicht verändern die geplanten Anlagen den natürlichen und unberührten Charakter des alpinen Landschaftsbildes sowie der sensiblen Ökosysteme unwiederbringlich und sind mit den Zielsetzungen des Schutzes sowie der nachhalteigen Entwicklung der Landschaft nicht vereinbar.“
Nach dieser ersten Abweisung machten sich die Betreiber jedoch unverdrossen an die Ausarbeitung einer weiteren, in ökologischer und landschaftlicher Sicht entschärften Projektvariante. Leider war der Grundmangel damit nicht beseitigt, nämlich, dass die Eingriffe aus landschaftlicher und ökologischer Sicht grundsätzlich nicht tragbar waren. Vorausschauend nahm das Gutachten des Umweltbeirates bereits zu dieser alternativen Trassenvariante Stellung, wobei die negative Grundhaltung beibehalten wurde: Im Gutachten heißt es:
„Die in der Machbarkeit untersuchte Trassenvariante, die vom Weissseejoch über den orographisch rechten Hang der Geländekammer ins Tal führt, ist zwar im Vergleich zur Trasse vom Karlsjoch durch den Talboden mit geringeren Erdbewegungen verbunden. Auch sind weniger Konflikte mit naturkundlich relevanten Lebensräumen zu erwarten. Nachdem jedoch die übrigen Infrastrukturen im wesentlichen gleich bleiben und zudem eine neue Zubringerbahn mit Piste zum Weissseejoch auf österreichischem Gebiet notwendig wird und damit im Bereich des Grates doch signifikante Eingriffe nötig sind, reduziert die Realisierung dieser Variante den Gesamteingriff nicht wesentlich“.
Die Ausrichtung und wohl begründete Bewertung des Umweltbeirates richten also klar gegen das Projekt. Nun liegt es an der Landesregierung, ihre Ankündigung der Vorwahlzeit 2013 wahr zu machen, die Gutachten und Berichte der Beiräte und Kommissionen ernst zu nehmen. Man wollte damals eine deutliche Abgrenzung signalisieren von der Willkürhaltung der Ära Durnwalder, die oft genug klare Sachvorgaben der Ämter durch das Diktat von oben überging.
Das Beispiel Langtaufers steht in dieser Hinsicht als Symbolentscheidung. An ihr kann man ablesen, welche Rolle die fachliche Ebene in den Beschlüssen der Landesregierung einnimmt. Jetzt und in Zukunft.
Daher beauftragt der Landtag die Landesregierung
im Zusammenhang mit dem LGE 135/17 das Ergebnis des Umweltbeirat-Gutachtens Nr.3/2017 betreffend die „Machbarkeitsstudie zum Fachplan für die Aufstiegsanlagen und Skipisten. Skitechnische Verbindung der Skizonen Langtaufers (I) und Kaunertal (A)“ als bindende Entscheidungsgrundlage anzuerkennen und entsprechend das Projekt abzulehnen.
Bozen, 2.10. 2017
Brigitte Foppa
Hans Heiss
Riccardo Dello Sbarba

Über 2 Mio. Ja-Stimmen für die Unabhängigkeit Kataloniens sind ein beeindruckendes Ergebnis. Die rechtliche Legitimation ist brüchig, die demokratische Willensäußerung ist ernst zu nehmen. Mit ihrem Mangel an Verhandlungsbereitschaft und Entgegenkommen und mit dem harten Polizeieinsatz hat die spanische Zentralregierung wohl wesentlich zu diesem Ergebnis beigetragen. Niemand ist in dieser eskalierten Konfrontation mit zahlreichen verletzten Bürgerinnen und Bürgern siegreich. Im Gegenteil, heute gibt es drei Verliererinnen:

• Die spanische Regierung und vorab Premier Rajoy, dessen Härte, Arroganz und demokratische Kurzsichtigkeit sich nicht nur in Katalonien, sondern auch in Spanien innenpolitisch bitter rächen wird.

• Die katalanische Regionalregierung – sie hat die Abstimmung zwar gegen das Verfassungsgebot und die Polizeigewalt durchgezogen. Es fehlt ihr aber neben der verfassungsrechtlichen Grundlage auch jener wirklich umfassende Konsens und die notwendigen Abwicklungsgarantien, derer eine so grundlegende Entscheidung bedürfte. Das ist inakzeptabel: Denn es handelt sich schließlich nicht um eine Abstimmung über den Flughafen oder Barcelonas Olympiateilnahme, sondern um die historische Zukunft einer Region.

• Die EU hat sich allzu vornehm, ja fast schon feige zurück gehalten, anstatt zumindest ihre Vermittlung anzubieten. Die Kommission und das Parlament hätten sich mit großer Entschiedenheit einschalten müssen, auch vom Ausschuss der Regionen hätte man ein Lebenszeichen erwarten dürfen.
So weisen die Zeichen auch weiter auf Konfrontation, die nicht nur die kommenden Tage und Wochen, sondern auf unabsehbare Zeit hin das Klima vergiften wird.

Die Grünen Südtirols wiederholen ihre Position: Wir stehen den Unabhängigkeitswünschen in Katalonien zwar mit Verständnis für die Begründungen, aber insgesamt skeptisch gegenüber. Sie wäre ein „Sprung ins Dunkle“, der zwar die Eigenstaatlichkeit von Catalunya im Blick hätte, aber von schweren Hypotheken belastet bliebe – und schließlich auch das wirtschaftliche und soziale Gleichgewicht Spaniens völlig verändern würde, wahrscheinlich nicht zum Positiven hin.
Für Südtirol bietet der Fall Katalonien eine eindeutige Lektion: Das Drängen auf Selbstbestimmung bedeutet auch in einer dafür aufgeschlossenen, weltoffenen Region wie Katalonien eine unheilvolle Spaltung mit unabsehbaren Folgen. Ihre Anrufung klingt zwar nach sakrosanktem Völkerrecht, die Umsetzung der Selbstbestimmung ist jedoch politisch, gesellschaftlich und vor allem im Zusammenleben der Menschen ohne grundlegenden Konsens auf allen Ebenen denkbar nachteilig. Wir stehen für Autonomie und Solidarität.

Hans Heiss, Brigitte Foppa und Riccardo Dello Sbarba

Bozen, 02. 10. 2017