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Wo bleiben Transparenz und Partizipation?

Landesregierung: Allzu viele grundlegende Entscheidungen werden mit Beschlüssen „fuori sacco“ (außerhalb der Tagesordnung) getroffen.
Die Regierung Kompatscher ist mit dem Versprechen eines anderen Stils angetreten, getragen von Transparenz und Partizipation. Im Lauf der Zeit haben sich diese Versprechen verflüchtigt, sodass die Regierung die beschworenen Qualitäten oft nicht einmal bei eigenen internen Verfahren zuwege bringt.
Gravierende Vorlagen für die Landesregierung in letzter Minute: Die Beschlüsse „-fuori sacco“
Wir beobachten den verdächtig häufigen Zugriff auf „Beschlüsse außerhalb der Tagesordnung“ (fuori sacco), womit viele „heiße Eisen“ der laufenden Legislatur entschieden wurden: Von der Energie (Neuzuweisung der manipulierten Konzessionen, Neuausrichtung des Sektors mit der Fusion SEL-Etschwerke) bis hin zur Affäre Brennercom (mit dem Konflikt und anschließenden Kompromiss mit Athesia), die Gesundheit (etwa mit der Schließung von Geburtenstationen), zum Verbrennungsofen Bozen (unter Einschluss der Entscheidung zur Übernahme von Müll aus dem Trentino), zum Handel (ASPIAG) bis hin zu grundlegenden Entscheidungen finanzieller Natur (wie dem „Sicherungspakt“ mit der Regierung, den Verhandlungen über Post und RAI).
All diese Entscheidungen fielen „fuori sacco“: Bei dieser Anomalie handelt es sich um jene Beschlüsse, die auf der am Freitag entworfenen Tagesordnung für die Regierungs-Sitzung am kommenden Dienstag nicht vorgesehen sind. Sie werden vielmehr von den Landesräten erst im letzten Moment vorgelegt, während der Dienstagsitzung der Regierung. Während die bereits auf der Tagesordnung enthaltenen Beschlüsse mehrere Tage vorher mitgeteilt werden, sodass sie jedes Mitglied der Landesregierung vorbereiten kann, tauchen die Beschlüsse „fuori sacco“ blitzartig erst in letzter Minute auf, sodass man ihnen in wenigen Minuten zustimmen oder sie ablehnen kann, ohne sich angemessen vorbereitet zu haben – sie sind gewissermaßen „aus der Hüfte“ geschossen.
Die Beschlüsse außerhalb der Tagesordnung sind also die am wenigsten transparenten und gemeinsam verhandelten Vorlagen, die gewissermaßen „blind“ abzustimmen sind. Die Grüne Fraktion hat von der Landesregierung um die Liste der Entscheidungen „fuori sacco“ von Beginn der Legislatur bis zum heutigen Tage ersucht. Beim Blick auf das beil. Verzeichnis springt jedoch ins Auge, dass es sich um die heikelsten Entscheidungen der Legislaturperiode handelt. Beim Blick auf die Inhalte fragt sich zudem, worin die Dringlichkeit liegt, die die Verwendung der Beschlüsse im letzten Moment rechtfertigt. Sie scheinen vielmehr eigens so platziert, damit ihnen zugestimmt wird, ohne dass die Möglichkeit bestünde, sich näher über ihre Bedeutung klar zu werden.
Wir staunen, dass sich kein/e Landesrat bzw. Landesrätin gegen die üble Usance zur Wehr gesetzt hat. Warum verlangt niemand, dass die Entscheidungen, vor allem grundlegender Art, nicht wie Beschlüsse mit Vorlaufzeit behandelt werden?
Aus der Antwort, der Anlage1 und Anlage2 geht der Inhalt jeder dieser Beschlüsse „fuori sacco“ hervor, hier nur kurz die wichtigsten:
Finanzen: Die ganze Angelegenheit, die zum „Sicherungspakt“ von 2014 geführt hat, mit dem Landesbeitrag von 800 Mio. € zur Sanierung des Staatshaushalts und die daraus folgenden verschiedenen Anwendungsbestimmungen. Mit einem Beschluss „fuori sacco“ erhielt die Regierung freie Hand zur Unterzeichnung und die Zustimmung zum Gesetz zur Reform des IV. Titels des Autonomiestatuts. Mit Beschlüssen „fuori sacco“ wurden die Finanzierungen an die Grenzgemeinden genehmigt, ebenso die Absprache mit der Region Lombardei für einen etwaigen Tunnel unter dem Stilfserjoch, der Einstieg des Landes anstelle des Staates für eine Vereinbarung mit der RAI für die Programme in deutscher und ladinischer Sprache, die Vereinbarung zur Übernahme der Postdienste in die Zuständigkeit des Landes, die weitere Vereinbarung über die Aufteilung der Beiträge zur öffentlichen Finanzierung von 2016.
Darüber hinaus wurden gleichfalls „fuori sacco“ die Finanzgesetze von 2014, der Gebarungsplan 2015, die Voranschläge für den Dreijahreszeitraum 2017-2019 verabschiedet, verschiedene Änderungen und Anwendungen der EEVE, die IRAP-Senkungen 2014, die Kontroll- und Ausrichtungsentscheidungen für die Gesellschaft „Südtirol-Finance“ (250 Mio. €), die Vergütungen für die in öffentlichen Körperschaften und Gesellschaften ernannten Personen, Amtsentschädigungen und Außendienstvergütungen für die Mitglieder der Landesregierung.
Gesundheit: Die Schließung der Geburtenstation Innichen, die Kriterien für die weiteren Geburtenabteilungen, zahlreiche Maßnahmen über verschiedene Bereiche des Sanitätsbetriebs, die Ernennungen von Sanitätsdirektorinnen und -direktoren auf zentraler Ebene wie in einigen Bezirken (z. B. Brixen), die beiden Gesetze zur Neuordnung des Gesundheitssektors, verschiedene Maßnahmen zu Rekrutierung und Ausbildung des ärztlichen Personals und für die Basismedizin.
Energie: Der gesamte Reorganisationsplan des Sektors nach dem SEL-Skandal und die Entscheidung zur Fusion von Etschwerken und SEL, die verschiedenen Rücknahmen der Rekurse beim Wassermagistrat, die Neuzuweisung des Kraftwerks St. Anton an den Unternehmer Frasnelli, die Wiederzuweisung an SEL von 12 großen Kraftwerken aus ex ENEL- und EDISON-Führung, deren Konzessionen im Zuge des SEL-Skandals manipuliert worden waren, der Gewässerschutzplan, der die für neue Kraftwerke nutzbaren Flüsse festlegt. Dann die Übertragung des Netzes von SELNET an die Gemeinden des Vinschgaus,
Affäre Brennercom: Mit last-minute-Beschlüssen wurde 2015 beschlossen, die Entscheidung von Brennercom anzufechten, das Land „an die Luft“ zu setzen, ebenso dann das Rahmenabkommen sowie die Aufteilung von Brennercom zwischen Land und Athesia mit Teilung der Gesellschaft.
Handel: die Aspiag-Partie mit der Zustimmung zu den Rekursen von 2016 gegen die Baukonzessionen, die die Gemeinde Bozen zugunsten der Aspiag erlassen hat.
Verbrennungsofen: Die Vereinbarung mit Ecocenter über die Führung und der Beschluss, der den Zugang für die Abfälle aus dem Trentino öffnete, gegen die Vorgaben des Landesabfallbewirtschaftungsplans und die seinerzeit mit der Gemeinde Bozen abgeschlossenen Vereinbarungen.
Über diese Themen hinaus wurden mittels Beschlüssen „fuori sacco“ verschiedene Rekurse beschlossen, Änderungen der Raumordnung diverser Gemeinden, die Überlassung der Franzensfeste an die BBT-Beobachtungsstelle, eine Grubenfrage in Natz-Schabs, die Gewährung zahlreicher Beiträge, die diskutierten Vereinbarungen mit der SIAG, mit den Bahnen um Eisenbahndienste, der Wettbewerb um die Führung der alpinen Hütten, verschiedene Ernennungen in Verwaltungs- und Aufsichtsräte. Außerhalb der Tagesordnung wurde auch die umstrittene Frage der Ausbringung von Gülle in Natura-2000-Gebieten verhandelt.
Und schließlich als Kirsche auf dem Sahnehäubchen: Die Ernennung von Marco Pappalardo zum Direktor der Presse- und Kommunikationsagentur der Landesregierung!
Dies alles mit Beschlüssen, die in letzter Minute auf den Regierungstisch platziert wurden. Müsste der am Beginn der Legislatur von der Regierung angekündigte „neue Stil“ nicht anders aussehen?
Riccardo Dello Sbarba
Brigitte Foppa
Hans Heiss
Bozen, 3. Juli 2017

Author: admin

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