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Nutz- und Ziergärten in Krankenhäusern, Pflege- und Altersheimen

BESCHLUSSANTRAG.

Die Betrachtung von Nutz- und Ziergärten als Orte der Genesung kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Spuren der sogenannten „healing gardens“ findet man bereits in der Antike und in den unterschiedlichsten Kulturen, von den alten Ägyptern über die japanischen Zen-Gärten bis hin zu den Klostergärten. So wie in allen angelsächsischen Ländern wird die „horticultural therapy“ in den Vereinigten Staaten, Kanada und in Japan seit über 40 Jahren eingesetzt und als wissenschaftliches Fach an Universitäten gelehrt. Angewandt wird sie in international renommierten Fachzentren in eigens angelegten „healing gardens“ oder „therapy gardens“ und in den Abteilungen der bedeutendsten Krankenhäuser.

Verschiedene Studien haben bewiesen, dass Gärten in vielfacher Hinsicht eine wohltuende Wirkung haben. Roger Ulrich, der Direktor des Center for Health System and Design (A&M University, Texas), hat festgestellt, dass die Betrachtung von Naturlandschaften oder Waldelementen den Stressabbau fördert, indem positive Emotionen hervorgerufen und negative Gefühle sowie stressauslösende Gedanken abgebaut werden. Professor Ulrichs Studien haben ergeben, dass sich OP-Patienten, die von grünen, naturbelassenen Landschaften umgeben waren, nach der Operation schneller erholten, weniger Schmerzmittel einnahmen und seltener post-operative Komplikationen erlitten als Patienten, die sich in geschlossenen Räumen aufhalten mussten. Aus weiteren Studien (Cohen and Weisman, 1991) geht hervor, dass Bewohner von Pflegeheimen, die einen direkten Zugang zur Natur und einen Blick auf diese bieten, mehr Energie haben als Patienten, die diese Möglichkeit nicht haben. Die Joint Commission for the Accreditation of Hospitals Organization, eine gemeinnützige Organisation, die 21.000 Gesundheitsdienstleister und Gesundheitsprogramme in den Vereinigten Staaten zertifiziert, empfiehlt Folgendes: Patienten und Besuchern soll der Kontakt zur Natur durch Pflanzen, Fenster mit einem Blick ins Grüne und durch zugängliche Grünflächen ermöglicht werden.

Zier- und Nutzgärten wirken sich auf psychologischer, sozialer, emotionaler und spiritueller Ebene also positiv auf den Menschen aus. Gärten ermutigen zu körperlicher Bewegung, wecken die Neugier, stimulieren alle Sinnesorgane, fördern die soziale Interaktion, stärken die Abwehrkräfte und verbessern in vielen Fällen die Wirksamkeit einer etwaigen medizinischen Behandlung.

Es gibt verschiedene Arten von Gärten: therapeutische Gärten, Meditationsgärten und Reha-Gärten. Therapeutische Gärten („therapeutic gardens“) sind Mehrgenerationengärten, in denen das Wohlbefinden und die Pflege von sozialen Kontakten gefördert werden. Meditationsgärten („restorative gardens“) können öffentlich oder privat sein und müssen nicht unbedingt an Gesundheitseinrichtungen gekoppelt sein. Diese Gärten fördern die mentale Entspannung, den Stressabbau und den Emotionsausgleich und steigern die psychische und physische Energie. Reha-Gärten („enabling gardens“) sind in den Vereinigten Staaten weit verbreitet und für Kinder, Senioren und Familien mit verschiedenen Graden der geistigen und körperlichen Behinderung gedacht.

Für die Gartentherapie wird Fachpersonal ausgebildet, das mit Pflegeheimbewohnern, Krankenhauspatienten, Opfern oder Tätern körperlichen Missbrauchs, sowie mit Alkohol- und Drogenabhängigen und vielen anderen Personengruppen umgehen kann. Leider ist dieses Berufsbild in Italien nicht offiziell anerkannt, auch wenn bereits verschiedene Vorbereitungskurse dieser Art angeboten werden. Zum Beispiel bietet die Landwirtschaftsschule des Parks von Monza Gartentherapie-Kurse an. 2014 wurde der Verein für Gartentherapie „AssIOrt“ (Associazione Italiana Ortoterapia) von Experten gegründet, die schon seit Jahren an der Weiterentwicklung der verschiedenen Teilbereiche dieses Konzepts zusammenarbeiten. Sie setzen dabei den Gartenbau und das Gärtnern als therapeutische, psychopädagogische und rehabilitative Maßnahmen ein. Diese Tätigkeiten richtigen sich an psychisch oder körperlich beeinträchtigte oder sozial benachteiligte Menschen sowie an Senioren und werden über Konventionen mit Gemeinden, psychosozialen Einrichtungen, Rehazentren, Sozial- und Bildungseinrichtungen, Gesundheitssprengeln sowie Vereinen und Genossenschaften mit sozialer Ausrichtung angeboten.

In Italien wurden sowohl in Krankenhäusern als auch in Altersheimen, Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen bereits erste Erfahrungen gesammelt. So bietet etwa das Kinderkrankenhaus Meyer in Florenz unter anderem Gartentherapie an. Auf der Homepage der Meyer-Stiftung wird erläutert: Während eines Krankenhausaufenthalts ist es für ein Kind heilungsfördernd, wenn es sich in einem Umfeld aufhalten kann, das sich anders anfühlt und anders riecht als der Behandlungsort. Dabei wächst sein Selbstbewusstsein, das Kind kann seine Kreativität ausleben und Zuwendung erfahren, was während einer Krankheit oft in den Hintergrund tritt.

Auch in Südtirol gibt es einige Beispiele, wie etwa den Klanggarten im Park der Klinik Martinsbrunn in Meran, eine der Erholung dienende Grünanlage, die Patienten und Besuchern zur Verfügung steht und von diesen sehr geschätzt und gerne genutzt wird. Das Berufstrainingszentrum des Burggrafenamts in Meran setzt Gartenbauaktivitäten im Rahmen von Projekten zur beruflichen Wiedereingliederung von Menschen mit psychischen Problemen ein.

Leider gibt es in Italien bisher weder auf lokaler Ebene noch auf Provinz- oder Staatsebene Bestimmungen zur verbindlichen Planung und Schaffung von Grünflächen, Nutz- und Ziergärten für therapeutische und gesundheitliche Zwecke. Diese sollten sich in unmittelbarer Nähe von Krankenhäusern, Pflege- und Altersheimen oder Rehabilitationseinrichtungen befinden. Zwar gibt es auf regionaler Ebene Gesetze zur Schaffung von Grünflächen in Form von Parks oder Gärten innerhalb von Pflegeeinrichtungen, allerdings ist deren konkrete Nutzung als therapeutisches Mittel nicht vorgesehen. Zu therapeutischen Zwecken werden Gärten in der Regel nur dank der Initiativen von Einzelpersonen, Gruppen oder Einrichtungen verwendet.

Auch in Südtirol gibt es diesbezüglich keine klaren Bestimmungen. Im Beschluss vom 18. Dezember 2018, Nr. 1419 – „Seniorenwohnheime Südtirols“ – (abgeändert mit Beschluss Nr. 806 vom  21.09.2021) ist unter Artikel 9 Absatz 3 Folgendes vorgesehen: „Das Seniorenwohnheim verfügt über seiner Größe angemessene Außenflächen, die so geplant und gestaltet sind, dass alle Bewohner:innen, auch jene mit Demenzerkrankung, sie ganz oder zumindest teilweise nutzen können.“ Die Verordnung für den Bau von Alten- und Pflegeheimen wurden vom Land 2010 verfasst, bisher allerdings noch nicht genehmigt. Artikel 7 dieser Richtlinien sah Folgendes vor: „Pro Bewohner muss eine Grünfläche von ungefähr 20 m² zur Verfügung stehen.“ Den Fachkräften und der Verwaltung ist also bewusst, wie wichtig Grünflächen in den verschiedenen Pflegeeinrichtungen sind, aber es gibt noch keine genauen und verbindlichen Vorgaben.

 

Aus diesen Gründen verpflichtet der Südtiroler Landtag die Landesregierung,

1. in den Bestimmungen zum Bau von öffentlichen Pflegeeinrichtungen und Rehabilitationszentren eine Mindestfläche im Freien für jeden Patienten/Bewohner als Park, Nutz- oder Ziergarten
vorzusehen, die allen Patienten, Bewohnern und Besuchern zugänglich ist;

2. Projekte zur Förderung des Gartenbaus als zusätzliches therapeutisches Mittel neben den vorgesehenen medizinischen Behandlungen in daran interessierten Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Pflege- und Altersheimen, zu fördern und/oder zu unterstützen, wobei für diese Projekte zwecks Datenerhebung und Erfassung der Ergebnisse ein Monitoring vorgesehen werden muss;

3. gemeinsam mit geeigneten Bildungseinrichtungen die Ausarbeitung eines möglichen Lehrgangs für Gartentherapie zu prüfen.

Bozen, 30.03.2022

Landtagsabgeordnete

Brigitte Foppa

Riccardo Dello Sbarba

Hanspeter Staffler

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