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Die Alpen mögen’s leise: Initiative zur Reduzierung des Motorlärms in der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino

BESCHLUSSANTRAG IM DREIER-LANDTAG.

Seit jeher sind die Alpen ein Durchzugsgebiet zwischen Nord und Süd. Die Haupttransitstrecke hat viel Wohlstand und Weltverbundenheit in unsere Alpenregion gebracht, zunehmend sind aber auch die negativen Auswirkungen im Blickpunkt von Gesellschaft und Politik. Die Brennerroute ist die am meisten befahrene Transitroute des Alpenraums: 11,2 Millionen PKW und 2,5 Millionen LKW waren es im Jahr 2019, das sind unvorstellbar hohe Zahlen.
Was sie an Luft- und Umweltbelastung mit sich bringen, zeigen alljährlich die Stickstoffdioxidwerte, die stets entlang der Brenner- und Inntalautobahn zu den höchsten im Alpenraum gehören. Wobei hier auch erwähnt werden muss, dass die Werte entlang der Inntalautobahn besser sind als jene entlang der Brennerautobahn: Tempo 100 auf Tiroler Seite trägt seines zu einer saubereren Luft bei. Mit dieser und weiteren verkehrspolitischen Maßnahmen versuchen die Länder seit Jahren den diversen Belastungen zu entgegnen. Ins Gewicht fällt auch der enorme Beitrag zur Erderwärmung, der mit dem CO2-Ausstoß der Millionen von erdölbetriebenen Fahrzeugen einhergeht.
Es gibt einen weiteren Aspekt, der eine breite Aufmerksamkeit verdient und auf den zu Recht viele im Alpenraum Lebende hinweisen: Die Lärmbelastung durch Motorlärm. Lärm wird zunehmend als Gesundheitsfaktor anerkannt. Verschiedene Institutionen wie beispielsweise das deutsche Umweltbundesamt haben bestätigt, dass Lärm auf Dauer eventuell anhaltende körperliche Schäden bewirken kann. Lärm kann also krank machen. (www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/laermwirkung/stressreaktionen-herz-kreislauf-erkrankungen#auswirkungen-des-larms-auf-die-gesundheit).
Ganz sicher beeinträchtigt Lärm die Lebensqualität der Menschen. Dass auch Tiere von Lärm beeinträchtigt werden, bzw. bei Lärm ihr Verhalten ändern, ist ebenfalls Tatsache (siehe dazu beispielsweise folgende Studie: Phillips Jennifer N., Termondt Sarah E. und Francis Clinton D.. 2021, Long-term noise pollution affects seedling recruitment and community composition, with negative effects persisting after removal. Proceedings of the Royal Society B.). Insbesondere Wildtiere sind hier stark betroffen.
Schließlich ist Lärm auch für den Tourismus ein Problem. In den Alpen und im Voralpenraum erwarten sie sich, ebenfalls zu Recht, Erholung und Ruhe. Motorlärm ist genau das Gegenteil dazu.
Der Alpenraum ist in mehrfacher Weise vom Motorlärm getroffen. Einmal vom Transit, hauptsächlich entlang der Hauptdurchzugsstrecken. Hier ist die Belastung kontinuierlich in einem Dauerbrummen wahrnehmbar. Schlaf und Freizeit können empfindlich gestört werden. Stauwochenenden und Peaks durch An- und Rückreiseverkehr verstärken die Problematik.
Das zweite große Thema, wenn es um Lärm geht, sind die Lärmoszillationen. Plötzliche Beschleunigungen oder hohe Geschwindigkeiten von geräuschstarken Motoren haben eine direkte Auswirkung auf den Organismus. Viele Menschen sind nicht mehr bereit, diese Art von Lärm zu ertragen.
Oft sind es Motorräder, die in besonderer Weise diese Oszillationen hervorrufen. Sowohl im Stadtverkehr als auch auf beliebten Routen, etwa entlang der Passstraßen, sind diese Beschleunigungslärmbelastungen oft ein Ding der Unerträglichkeit. Auswirkungen auf das physische und vor allem seelische Wohlbefinden stehen außer Frage. Eine einzige Person, die „Gas gibt“, kann Hunderte von Menschen stören, erschrecken, aus dem Schlaf reißen.
Wir kennen das Phänomen auch in der Bergwelt. Absolute Ruhe kann durch plötzlich aufdröhnenden Motorlärm zerschnitten werden. Auch hier ist es oft eine einzelne Person, die durch ihr Fahrverhalten, durch eine plötzliche Beschleunigung oder ein lautes Aufheulen des Motors, ganze Landschaften akustisch „durcheinanderbringt“.
Der sensible Alpenraum braucht Schutz, auch in dieser Hinsicht.
Es ist daher an der Zeit, das Thema Motorlärm verstärkt in den Fokus zu rücken und an mehreren Fronten aktiv für dessen Reduzierung vorzugehen.
Dies kann entlang von drei Hauptachsen geschehen, nämlich Kontrolle, Regulierung, Sensibilisierung.

1. Kontrolle:

Derzeit darf ein Motorrad eine Lautstärke von 80 Dezibel erzeugen. Das Problem sind jedoch die Richtlinien über das Testverfahren, bei dem die Lautstärke kontrolliert wird: Die Vorschrift besagt, dass diese Lautstärke bei einer Maximalgeschwindigkeit von 50 km/h auf einer Strecke von 20 Metern gemessen wird. Je nach Typ kann ein Motorrad aber erheblich lauter sein. Besonders, wenn es schneller als 50 km/h fährt – was realistischerweise öfters vor- als nicht vorkommt. In der Realität sind Lautstärkemessungen von weit über 100 Dezibel keine Seltenheit. Auch LKW dürfen eine Maximallautstärke von 80 Dezibel aufweisen. Auch hier gibt es das Problem des Testverfahrens, dass jedoch EU-weit im Falle der LKW bis 2026 strenger gehandhabt werden soll.
In Südtirol etwa erfolgen Lärmmessungen derzeit im Allgemeinen nur nach Beanstandung. Dann wird vor allem im Ortsgebiet gemessen, wo bei Tag ein Grenzwert von 50 Dezibel festgelegt ist. Innerhalb der Ortschaften stellt die Lärmbelästigung, erzeugt von Personenkraftwagen oder Motorrädern nur selten ein Problem dar, da dort eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h besteht und sich die Verkehrsteilnehmenden im Allgemeinen auch daran halten. Dort, wo das Lärmproblem am größten ist, nämlich außerhalb der Orte, auf Land- und Passstraßen, kommen Lärmmessungen selten bis nie zum Einsatz. Hier spielen jedoch Geschwindigkeitsübertretungen viel öfters eine Rolle als dies in den Ortskernen der Fall ist.
Ein zusätzliches Problem bei der Lärmbelästigung durch Motorräder sind die Manipulationen, welche Fahrzeughalter:innen oftmals an den Auspuffanlagen ihrer Krafträder vornehmen. Leider gibt es hierzu keine verlässlichen Zahlen; wer mit offenen Ohren in die Alpen hineinhört weiß jedoch schon lange, dass die wahrgenommene Geräuschkulisse nicht mit den aktuell geltenden Lautstärkeregelungen für Motorräder in Einklang zu bringen ist.

Eine länderübergreifende Initiative mit präventiven Lärmmessungen und Geschwindigkeits- und Auspuffkontrollen, die auch als solche international kommuniziert wird, wird Aufmerksamkeit schaffen und zu mehr Vorsicht führen.

2. Regulierung:

Seit Jahren schon ist die teilweise oder vollständige Schließung von bestimmten Straßen im Gespräch. Verkehrsbeschränkte Landschaften im Alpenraum sind in vielen Orten bereits erprobt. Etwa im Gebiet der Seiser Alm, die von 9-17 Uhr für den Privatverkehr gesperrt ist bzw. der Straße nach Gardeccia, wo es hinter Pera di Fassa für PKW nicht mehr weitergeht.
Auch das Sellajoch war im Jahr 2017 an insgesamt 9 Tagen, nämlich jeweils am Mittwoch im Juli und August von 9-16 Uhr für den Privatverkehr gesperrt. Dies wirkte sich wie folgt auf die Lärmbelastung aus: An besagten Tagen war der Lärm zwischen 9 und 16 Uhr um ca. 10 Dezibel geringer als an den Tagen ohne Regulierung. Laut Eurac wird dieser Rückgang vom menschlichen Ohr als Halbierung des Geräuschpegels wahrgenommen.
Ein ausgebautes Netz von Seilbahntransport und Shuttlebussen bringt viele dazu, das eigene Fahrzeug zu Hause oder im Hotelparkplatz zu lassen und wesentlich umweltfreundlicher, stressfreier und ruhiger zum Ziel zu kommen. Solange diese Initiativen aber auf einzelne Bezirke oder einzelne Passstraßen begrenzt sind, werden Motor- oder auch nur Bequemlichkeitsfreaks auf andere Strecken ausweichen. Ein Negativbeispiel hierzu ist leider das Rosengartengebiet, dessen Zugang nur auf Trentiner Seite (siehe Beispiel Pera di Fassa / Gardeccia) für den Verkehr gesperrt ist, während in Südtirol der Andrang weiterhin steigen soll.

Es gilt daher ein ganzheitliches Konzept auszuarbeiten, mit dem der Verkehr auf bestimmten, aufeinander abgestimmten Routen reguliert und eingegrenzt wird.

3. Sensibilisierung:

Neben den genannten Maßnahmen muss verdeutlicht werden, dass Lärm niemals eine „Privatsache“ ist, sondern immer auch andere Menschen betrifft. Motorlärm, der dort produziert wird, wo Menschen wohnen oder ihre Freizeit genießen, ist hochgradig problematisch. Immerhin befanden 40% der Interviewten bei einer nicht repräsentativen Umfrage, durchgeführt 2019 im Dolomitengebiet, Motorradlärm als „extrem störend“. Es muss bewusst gemacht werden, dass es gilt, leise zu fahren und laute Beschleunigungen zu vermeiden. Darauf soll in einer Sensibilisierungskampagne hingewiesen werden Die bisherigen Kampagnen für Fahrsicherheit (Alkohol, Geschwindigkeit) haben dazu geführt, dass hierfür ein gewisses Verständnis entstanden ist. Dasselbe braucht es für den Lärm, der aus Raserei und laute Beschleunigung erwächst.
Eine länderübergreifende Sensibilisierungskampagne zum leisen Fahren und mit der Aufforderung zur Rücksicht soll bewusst machen, dass jede Fahrerin und jeder Fahrer verantwortlich ist für die Lebensqualität der Menschen entlang der Straßen und Wege, die sie oder er befährt.
Antrag

Dies alles vorausgeschickt, beschließt der Dreierlandtag, zum Ziele der Reduzierung des Motorlärms:

1. eine länderübergreifende Initiative mit präventiven Lärmmessungen und Geschwindigkeits- und Auspuffkontrollen zu starten, die auch als solche international kommuniziert wird;
2. ein ganzheitliches Konzept auszuarbeiten, mit dem der Verkehr auf bestimmten, aufeinander abgestimmten Routen reguliert und eingegrenzt wird.
3. eine länderübergreifende Sensibilisierungskampagne zum leisen Fahren und mit der Aufforderung zur Rücksicht zu initiieren, um bewusst zu machen, dass jede Fahrerin und jeder Fahrer verantwortlich ist für die Lebensqualität der Menschen entlang der Straßen und Wege, die sie oder er befährt.

Alpbach, den 08.07.2021

Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba
Hanspeter Staffler
Lucia Coppola
Paolo Zanella
Paul Köllensperger
Peter Faistnauer
Alex Ploner
Franz Ploner
Maria Elisabeth Rieder

 

Author: Heidi

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