Asylbewerber: die Menschen an erster Stelle
Beschlussantrag.
In Südtirol befinden sich zurzeit über 1.000 Asylbewerber, die in den vom nationalen Aufnahmeplan vorgesehenen Einrichtungen untergebracht sind und rund 400 Asylbewerber, die nicht in diesen Einrichtungen aufgenommen wurden, sich aber im Landesgebiet aufhalten. Letztere haben um Asyl oder internationalen Schutz in Südtirol angesucht und bisher humanitäre Hilfe in Form von Verpflegung und Unterkunft in einfachen Gebäuden (z. B. dem ehemaligen Lemayr-Gebäude oder bei Salewa in der Bozner Industriezone) erhalten. Ein Teil dieser Personen wurde laut Artikel 17 des gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 142 aus dem Jahr 2015, mit dem die Richtlinie 2013/33 des EU-Parlaments und Europäischen Rates übernommen wurde, als gefährdete Personen eingestuft und wurden folglich in geschütztere Strukturen aufgenommen, etwa in kostengünstigen Garnis und Hotels in Bozen.
Über diese 400 Personen, die in Südtirol einen Asylantrag gestellt haben, wird seit einiger Zeit mit dem italienischen Staat diskutiert. Die Forderung des Landes an den Staat, diese Personen als Teil der unserem Land zugewiesenen staatlichen Verteilungsquote anzuerkennen, ist berechtigt und würde dazu beitragen, dass nicht nur humanitäre Hilfe geboten wird, sondern vielmehr eine Aufnahme im eigentlichen Sinne stattfinden könnte. Unseres Wissens hat der Staat circa 350 von diesen 400 Personen als zur staatlichen Verteilungsquote gehörend anerkannt, dies allerdings nur zahlenmäßig (unsere Verteilungsquote beläuft sich auf gut 1.400 Personen). Auf diese Anerkennung scheint aber keine finanzielle Deckung seitens des Staates zu folgen (die für die anerkannte Quote vorgesehen und verpflichtend ist). Das Land tut somit gut daran, die vollständige Anerkennung zu fordern.
Diese Ungereimtheiten dürfen aber nicht den Asylbewerbern zum Nachteil gereichen und es darf nicht so weit kommen, dass sogar die humanitäre Hilfe, die bisher vom Land gewährleistet wurde, eingeschränkt wird. Die Menschen müssen an erster Stelle stehen und es ist unsere Pflicht, allen, die sich in unserem Land aufhalten und Hilfe brauchen, die grundlegenden Menschenrechte zu gewähren, um ihre Würde zu wahren.
Dies gilt vor allem für die Hilfe, die den als gefährdet eingestuften Personen geboten wird. Diese (Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, Menschen mit Behinderung, Senioren, Schwangere, Familien mit minderjährigen Kindern, Opfer von Menschenhandel, kranke Menschen oder Personen, die Folterungen, Vergewaltigungen oder anderen Gewaltakten zum Opfer gefallen sind) haben laut Artikel 17 des genannten gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 142/2015 Anrecht auf besonderen Schutz. In Südtirol soll dies auf circa 100 der 400 genannten Personen zutreffen. Diese Menschen darf ein zivilisiertes Land nicht im Stich lassen.
Die Einschränkungen, die in den Rundschreiben enthalten sind, welche die Landesabteilung für Soziales am 29. September und 3. Oktober 2016 der „Aufnahmestelle“, den Vereinen Caritas und Volontarius sowie der Dienststelle für die Soziale Integration (D.S.I.) zugestellt hat, erscheinen in diesem Sinne als nicht angemessen.
All dies vorausgeschickt,
verpflichtet der Südtiroler Landtag die Landesregierung,
- sich weiterhin beim Staat dafür einzusetzen, dass die Personen, die in Südtirol einen Asylantrag gestellt haben, nicht nur zahlenmäßig zu der Südtirol vom Staat zugeteilten Verteilungsquote hinzugerechnet werden, sondern dass auch die gebührende finanzielle Deckung sichergestellt wird, auch mit dem Ziel, möglichst schnell von der rein humanitären Hilfe zur effektiven Aufnahme im Sinne der europäischen und staatlichen Rechtsbestimmungen überzugehen;
- in der Zwischenzeit den Personen, die in Südtirol einen Asylantrag gestellt haben, zumindest die bisher erbrachte humanitäre Hilfe weiterhin zu gewährleisten und die in den Rundschreiben der Landesabteilung für Soziales vom 29. September und 3. Oktober vorgesehenen Einschränkungen zurückzuziehen;
- gemeinsam mit der Caritas und dem Verein Volontarius, mit den Freiwilligengruppen, mit den Sozialdiensten, mit dem Gemeindenverband und insbesondere mit der Gemeinde Bozen, mit dem Regierungskommissariat und mit allen anderen Akteuren, die eventuell in diese Angelegenheit eingebunden werden können, die nötigen Maßnahmen abzustimmen, um den Asylbewerbern, einschließlich jener, die in Südtirol einen Asylantrag gestellt haben, die ihnen zustehende Aufnahme gewährleisten zu können;
- sich mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass die Verpflichtung zur Aufnahme der Asylbewerber, einschließlich jener, die in Südtirol einen Asylantrag gestellt haben, nach einem ausgeglichenen Verteilungsschlüssel von allen Südtiroler Gemeinden getragen wird.
gez. Landtagsabgeordneter
dott. Riccardo Dello Sbarba
dott.ssa Brigitte Foppa
Dr. Hans Heiss