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Regierungserklärung: rechte Handschrift und rechte Unterschrift  

Rede von Madeleine Rohrer zur Wahl von Landehauptmann Arno Kompatscher am 18.01.2024

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, werter designierter Landeshauptmann,

Diese Regierungserklärung und die Verhandlungen dazu waren in den letzten Wochen von reichlich Turbulenzen begleitet.

Die SVP hat sich unter Arno Kompatscher so weit nach rechts gelehnt, dass sie nachhaltig aus dem Gleichgewicht geraten ist.

Von Parteien, die Rechtsaußen stehen, eine zukunftsgerichtete Politik zu erwarten, wäre vielleicht zu viel verlangt.

Doch die SVP hat in ihrer Schwäche, die auch und zuallererst eine Führungsschwäche ist, eine strategische Fehlentscheidung getroffen. Und deswegen haben wir heute eine Regierungserklärung, die eine rechte Handschrift trägt und von rechtspopulistischen Parteien unterschrieben ist.

Selbst wenn die nebulösen, allgemein gehaltenen Versprechungen von der „Wiederherstellung der Autonomie“ am Ende tatsächlich umgesetzt werden, wird Südtirol in den nächsten fünf Jahren in vielen wichtigen Politikbereichen nur Stillstand erleben.

Nebulös und allgemein gehalten sind auch die meisten Sätze in dieser Regierungserklärung.

So allgemein, dass jede und jeder von uns eine Aussage findet, der man in dieser Form irgendetwas abgewinnen kann.

Zum Beispiel wird die Bekämpfung aller Formen von Gewalt an Frauen besonders hervorgehoben. Diesen Satz würde ich sofort unterschreiben, denn das Jahr 2024 ist erst drei Wochen alt und schon wurden in Italien fünf Frauen von ihren Partnern bzw. ex-Partnern umgebracht.

 

Oder: Die Regierungserklärung beginnt mit dem Anspruch, allen Menschen in Südtirol ein hohes Maß an Lebensqualität zu bieten, sie führt gleich die nachhaltige Entwicklung an und schließt mit dem Klimaschutz. Die Nachhaltigkeitsstrategie und der Klimaplan sollen laut Regierungserklärung der neuen Landesregierung Richtschnur sein.

Alles andere wäre auch ein Affront und ein Verprassen öffentlicher Gelder. Denn die Regierung Kompatscher 2 hat viel Geld und Zeit in die Ausarbeitung dieser Dokumente investiert.

Die Ziele ihres letzten Klimaplans hat die Landesregierung krachend verfehlt. Dass es jetzt, wo eine Klimawandel-Leugnerin in den Reihen der Mehrheit sitzt, besser läuft, ist eine Träumerei.

Wir müssen uns auf Stillstand einstellen.

 

Zur rechten Unterschrift

Es ist das erste Mal der Geschichte Südtirols, dass gleich 5 Parteien eine Regierung bilden: die Südtiroler Volkspartei gemeinsam mit den rechtspopulistischen Freiheitlichen, die – je nach Exponent – mehr oder weniger rechts orientierte Bürgerliste Civica und die nationalistischen, rechtspopulistischen und EU-skeptischen Parteien Lega per Salvini und Fratelli d’Italia.

Die Zusammensetzung dieser politischen Mehrheit war nicht zwingend notwendig.

Diese Mehrheit war nicht „erzwungen“ wie es jetzt manchmal heißt, und schon gar nicht von den Südtiroler Wählerinnen und Wählern.

Die Rechts-Rechts-Koalition war eine bewusste Entscheidung des designierten Landeshauptmanns.

Bei der Auswahl der Koalitionspartner überwog nicht das für das Land Machbare, Sinnvolle und Notwendige, sondern die Hoffnung auf ein Auskommen mit Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und mit Matteo Salvini.

Dafür wurden Prinzipien reihenweise über Bord geworfen.

Was in Südtirol passiert, ist offenbar zweitrangig, solange sich die SVP nur das Wohlwollen von Meloni und Salvini erkaufen kann.

Noch einmal: Eine andere Mehrheit wäre möglich gewesen – nicht zwangsläufig mit den Grünen in der Regierung.

Doch in all den anderen Varianten hätte die SVP auf einen weiteren deutschen Landesrat verzichten müssen.

Jetzt zeigt sich eben, wo die Prioritäten des Landeshauptmanns liegen. Wie ernst es ihm wirklich mit dem Klimaschutz und einem Südtirol ist, in dem alle Menschen dieselben Rechte haben.

Dass er mit den falschen Partnern nicht weit kommt, zeigt die letzte Legislatur. Irgendwann hat er den Umweltlandesrat der Lega per Salvini den Klimaplan aus der Hand genommen, weil dieser mit dem Klimaschutz einfach nichts anfangen konnte.

 

Der Landeshauptmann und seine Partei haben also eine ganz bewusste Entscheidung getroffen. Nach fünf Jahre Regierung mit der Lega per Salvini, kennt der Landeshauptmann auch die Konsequenzen: Stillstand – in ganze vielen Bereichen.

Denn nicht nur beim Klimaschutz wurden die Ziele verfehlt. In der Sanität herrscht nach wie vor Chaos, die Wartezeiten sind immens lang. Die Lebenshaltungskosten in Südtirol sind nach wie vor so hoch wie nirgendwo sonst in Italien. Die Immobilien kosten so viel, dass selbst Familien mit zwei Gehältern sich kaum eine eigene Wohnung leisten können. Die jungen, gut ausgebildeten Leute verlassen auch deshalb das Land oder kommen nach dem Studium nicht zurück.

Das sind echte Probleme, reale Probleme aus dem Leben der Menschen: Herausforderungen, auf die eine progressive Landesregierung eine Antwort hätte suchen können und sollen.

Doch Arno Kompatscher und die SVP haben sich anders entschieden. Nun gibt es Minister, die in Bozen anrufen, weil sie ein Wörtchen über die Zusammensetzung der zukünftigen Landesregierung mitreden wollen.

Wir werden den Eindruck nicht los: Das autonome Südtirol macht die Entscheidung über seine Zukunft von nationalen Parteien abhängig. Das hat mit Autonomie nichts zu tun.

Es hat auch nichts mit Entscheidungs- und Führungskraft zu tun, die eigentlich geboten wäre.

Seit drei Monaten wohnen wir einem Schauspiel bei, bei dem unser zukünftiger Landeshauptmann seine Autorität Schritt für Schritt selbst zu Grabe getragen hat. Acht oder elf Regierungsmitglieder? Civica oder Lega per Salvini in der Landesregierung?

Wir haben bereits einen Vorgeschmack bekommen, wozu es führt, wenn unser Landeshauptmann bei jeder Gelegenheit den römischen Wünschen nachgibt.

Es ging in den drei Monaten der Verhandlungen nicht um Südtirol. Nicht das Notwendige oder das Sinnvolle hatten Vorrang, sondern die Geometrie der Macht und der Koalitionen.

Für all dies, Herr Landeshauptmann, tragen nicht Sie die alleinige, wohl aber die Hauptverantwortung.

Herausgekommen sind eine Regierungserklärung – und ein Koalitionsprogramm, mit einer rechten Handschrift. Das sieht man auch daran, was nicht drinnen steht – und wo der Landeshauptmann und die SVP Stillstand in Kauf nehmen.

In der Regierungserklärung heißt es zum Beispiel: „Die Notwendigkeit der Entbürokratisierung ergibt sich schon alleine daraus, dass der öffentlichen Verwaltung andernfalls die notwendigen humanen und finanziellen Ressourcen fehlen würden, um die zukünftigen Herausforderungen zu bewältigen“.

Mit anderen Worten: Lieber baut man Leistungen und Aufgaben der öffentlichen Hand zurück, als sich das Ziel zu setzen, dass Land und Gemeinden zu attraktiven Arbeitgebern werden, unter anderem durch eine faire und wertschätzende Bezahlung.

Unter dem Vorwand der „Entbürokratisierung“ soll die Macht der Landesregierung ausgebaut und kritische, dem Gemeinwohl verpflichtete Beamte in die Schranken gewiesen werden.

Laut Koalitionsprogramm soll die „Landeskommission für Raum und Landschaft … weitestgehend mit externen Experten besetzt“ werden. Warum ist das so? Was steckt dahinter?

Diese Kommission entscheidet in bestimmten Fragen der Raumordnung und auch des Landschaftsschutzes. Es ist diese Kommission, die die Gemeindeentwicklungsprogramme und Änderungen an den Landschaftsplänen bewerten muss.

Diese Gemeindeentwicklungsprogramme sind das Herzstück des missglückten Gesetzes für Raum und Landschaft – und werden die Entwicklung der Gemeinden für die nächsten Jahrzehnte bestimmen.

 

Und während die Beamten schon der Verfassung wegen dem Gemeinwohl und dem Gesetz verpflichtet sind, stehen externe Experten im Dienst ihrer Auftraggeber und damit der Landesregierung, die die Zusammensetzung der Kommission bestimmen wird.

In der Vergangenheit hat die Landesregierung von Arno Kompatscher immer wieder negative Gutachten ihrer eigenen Beamten überstimmt und sich öffentlicher Kritik ausgesetzt.

Bald wird das nicht mehr nötig sein – die Kritik wird im Zuge der Entbürokratisierung einfach wegreformiert.

Wenn in der Regierungserklärung von Entbürokratisierung die Rede ist, so geht es auch um den Ausbau der Macht der Landesregierung und dem Umhängen eines Maulkorbs von kritischen Beamten bzw. der Kontrolle der eigenen Mitarbeitenden.

 

Sie werden uns, Herr Kompatscher, wohl am Ende des Vormittags nochmals sagen, wir sollen Sie an den Taten messen. Darin stimmen wir überein.

Wir stehen für eine Oppositionspolitik, die trotz unterschiedlicher Meinungen stets respektvoll ist und die auch gute Vorschläge mittragen wird.

Wir erwarten uns umgekehrt auch, dass wir ernst genommen werden; dass der Südtiroler Landtag als gesetzgebendes Organ nicht zu einem Schauspiel verkommt.

Und wir werden Sie auch beim Wort nehmen und jedes Mal aufzeigen, wenn Sie ihren eigenen Zielen und ihren eigenen Worten nicht gerecht werden.

Sie haben in dieser Legislatur die letzte Chance, Führungsstäke zu beweisen, die dieses Land wünscht und verdient.

Wir sind nicht bereit, Stillstand in Südtirol zu akzeptieren, um uns Wohlwollen von Giorgia Meloni und Matteo Salvini zu erkaufen.

Unser Land hat mehr verdient als eine Regierung, bei der von Anfang an die Vergabe der Sessel und der Posten oberste Priorität ist.

 

Madeleine Rohrer, 18. Januar 2024

Author: Heidi

Die Ent-Täuschung.
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