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Tagesordnung zum Landesgesetzentwurf Nr. 65/20 „Landesstabilitätsgesetz für das Jahr 2021“

Vielfach wurde während des Lockdown m März/April und darüber hinaus die Tatsache beklagt, dass der Besuch der Bewohner*innen von Seniorenwohnheimen nicht möglich war. Der Verlust der sozialen Kontakte war für die älteren Menschen besonders schwerwiegend und die Auswirkungen dieser Isolation sind erst noch vollständig zu erheben. Der Schutz der besonders Gefährdeten, wie es Bewohner*innen von Seniorenwohnheimen zweifelsohne sind, ist und bleibt vorrangig. Neben der physischen Gesundheit gilt es aber auch dem existentiellen Bedürfnis nach Beziehung, Nähe, Berührung Rechnung zu tragen. Eine Möglichkeit beide Ansprüchen Genüge zu tragen, bieten die Antigen-Schnelltests, wie sie auch beim Massenscreening zur Anwendung gekommen sind. Ein Antigentest für Besucher*innen in den Seniorenenwohnheimen alle 5 bis 7 Tage, bzw. 1 Tag vor dem Besuch für sporadische Besucher*innen, würde mehr Besuche ermöglichen und die Lebensqualität der Bewohner*innen verbessern sowie das Infektionsrisiko vermindern. Hausärzt*innen, Apotheker*innen könnten diese Tests durchführen und somit die Bürger*innen
unterstützen.

 

Daher ersucht der Südtiroler Landtag, im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Stabilitätsgesetzes

  • die nötigen Maßnahmen zu treffen, damit Besucher*innen von Bewohner*innen in Seniorenwohnheimen die Möglichkeit erhalten, einen Antigen-Schnelltest kostenfrei und freiwillig bei Allgemeinärzt*innen und Apotheken vornehmen zu lassen.

Bozen, 16.12.2020

Landtagsabgeordnete
Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba
Hanspeter Staffler

Geehrte Kolleginnen und Kollegen im Südtiroler Landtag!

Wir haben heuer die Diskussion über den Landeshaushalt mit zwei Gedenkminuten begonnen.

Das war sehr ungewöhnlich und sehr angebracht.

Die Gedenkminuten galten den über 600 Menschen, die in Südtirol 2020 in Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben sind. In diesen beiden Minuten der Stille haben wir dieses Jahr reflektiert, gespiegelt. Es ist heuer kein Jahr, in dem unsere Haushaltsreden der Anlass für die kleine Kritik sind. Es geht um mehr.

2020 ist das Jahr, in dem nichts mehr ist, wie es war.

Wir waren in das Jahr gegangen, mit dem besten Business as usual. Der x-te Rekordhaushalt in Folge versprach ein blühendes Jahr. Aufgerüttelt von den Fridays for Future gab es innige Versprechungen einer verstärkten Aufmerksamkeit gegenüber dem Klimaschutz. Jedes Gesetz sollte auf seine Klimaverträglichkeit geprüft werden. Nachhaltigkeit, seit Jahren Motto der Haushaltsreden, sollte zum Leitansatz der Landespolitik werden. Die Wintersaison war voll im Gange und man schöpfte aus dem Vollen. Ein paar lästige Mahner*innen nervten zwar mit Wachstumskritik und radikalen Umbauabsichten der Gesellschaft, aber das war wie ein Raunzen, an das man sich längst gewöhnt hatte.

Dann kam Corona, und wie es im Theater das „Freeze“ gibt, so gab es auch bei uns das Große Einfrieren. Mir kam damals das Bild der Eiswürfel. Jede und jeder von uns war in seinem Kästchen eingefroren. Und da war es plötzlich fundamental, wie dieses Kästchen war. Soziale Unterschiede, im Leben vor Corona zum Teil noch aufgefangen durch Mobilität und Geselligkeit, erhielten eine absolute Dimension.
Hatte man einen Balkon oder gar einen Garten, dann gab es Möglichkeit zum Frischluftschnappen, sonst nicht.
Hatte man kleine Kinder, war man plötzlich im Hauptberuf Pädagogin und den eigentlichen Hauptberuf führte man irgendwie weiter.
Wohnte man in Bozen, Meran oder Leifers, wurde einem der Auslauf limitiert, wohnte man am Wald, drohten Strafen vom Förster.
War man im öffentlichen Dienst, hatte man zumindest ein sicheres Gehalt, war man freiberuflich oder, schlimmer, eine Künstlerin – ja, wie tat man da?
Hatte man einen Betrieb, dann war es gut möglich, dass man, auch wenn man solide aufgestellt war, um die Existenz bangen musste, immer noch muss.
War man in einem systemrelevanten Beruf, wusste man nicht mehr, wo einer der Kopf stand.
War man zum Stillstand verdonnert, musste man sich mit nie enden wollenden Tagen zurechtfinden. Es gab auch Menschen, denen die Auszeit gut getan hat. Für sie war es ein langes Luftholen in einem Alltag, der sie sonst ausbeutet und auspresst wie Zitronen.
Es gibt Menschen, die den zweiten Lockdown schlimmer empfinden als den ersten, die sich jetzt unter der Schwere der Dauervideokonferenz oder der Einsamkeit erdrückt fühlen.

Die Wahllosigkeit von Corona macht so ratlos.

Persönlich empfinde ich eine Art Zärtlichkeit, wenn ich Szenen des Ersten Lockdown sehe, nicht die schrecklichen Szenen von Tod und Qual, sondern jene der Menschen, die sich trösteten und halfen und erfinderisch wurden, um geistig und psychisch (aber auch physisch, denken wir an die Bilder der Turnübungen auf den Dächern und Balkonen) zu überleben.

Die Absonderung voneinander macht unser Gesellschaftsgefüge spröde. Es gibt es Sprünge. Brüche sind aufgegangen. Wir wissen, dass Bruchlinien immer entstehen, wo es Verwerfungen gibt, die nur darauf warten, aufzubrechen. Heuer ist klar geworden, dass unser Südtiroler Gefüge voller Oberflächenkitt ist.

Denn 2020 sind die notdürftig gekitteten Stellen in voller Wucht aufgebrochen:

Deutsche verstanden die Italiener*innen plötzlich überhaupt nicht mehr.
Stadt und Land hatten völlig andere Bedürfnisse und aufgrund derer entwickelten sich entgegengesetzte Haltungen im Hinblick etwa auf Freiheit und Disziplin.
Die Alltage von Männern und Frauen drifteten auseinander und der Rückfall in alte Rollenbilder war immediat.
Wer sozial besser gestellt war, konnte sozial Schwache ausblenden (man lief sich ja auch nicht mehr über den Weg). Neid, Zorn, Frustration machten sich breit.
Die Kluft zwischen Politik und Bevölkerung riss total auf. „Die da oben“ wurden zur Projektionsfläche für jeglichen Ärger. Der LH spricht von einer „gereizten Stimmung“. Das ist sehr gnädig formuliert.

Es handelt sich um die größte Polarisierung, die Südtirol seit 1939 erlebt haben dürfte. Die Risse gehen quer durch die Familien und Freundschaften. (Kommt Ihnen diese Formulierung bekannt vor?) Es gibt einen permanenten Zwang zum Bekenntnis. Ist man für die Maßnahmen oder dagegen? Für die Freiheitseinschränkungen oder dagegen? Jetzt: Für die Schigebiete oder dagegen? Für die orange Zone oder dagegen? Für die Weihnachtsfeier oder dagegen? Irgendwann war man sogar „für Corona“ oder dagegen! Eine absurde Fragestellung, die wir aber vermutlich alle nicht nur einmal beantworten mussten.

Erklärbar ist diese Polarisierung mehrfach: Erstens kollidieren in der Coronakrise zwei Grundrechte, das Recht auf Freiheit und das Recht auf Gesundheit. Und je nachdem, was man im Moment mehr braucht (ich sehe das sehr existenziell und konkret, und sage daher nicht: je nachdem was einem wichtiger ist), steht man auf der einen Seite oder auf der anderen. Wer vulnerabler ist, wird eher auf die Maßnahmen pochen, die sie oder ihn schützen. Wer sich sicherer fühlt, kämpft wahrscheinlich eher für die Freiheit. Kulturelle Prägungen tragen ebenfalls zur Polarisierung bei.
Es gab und gibt auch Changierende, je nach Kontext.
Und es gibt Abdriftende. Die „Freiheitsfraktion“ ist gefährdet, den Verschwörungstheorien anheim zu fallen (bitte nennen wir sie nicht Verschwörungstheoretiker, denn sie sind schlicht keine Theoretiker!). Die „Gesundheitsfraktion“ ihrerseits ist, in extremis, einer Neigung zu Kontrolle und Denunziation ausgesetzt. Beide Richtungen sind in ihrer radikalisierten Version autoritär und darin liegt auch die große Gefahr dieser Polarisierung. Denken wir daran, dass vor den großen Faschismen des 20. Jahrhunderts nicht nur der Erste Weltkrieg gewesen war, sondern auch die gigantische Welle der Spanischen Grippe.

Hier sehe ich die Notwendigkeit des starken Parlamentarismus – und ich glaube, das eint uns über die Parteigrenzen hinweg. Soviel gesundes politisches und demokratisches Gespür haben in diesem Haus alle Abgeordnete (Enzian vielleicht ausgenommen), als dass wir uns nicht alle zusammen klar von diesen Radikalisierungen abgrenzen würden. In diesem Jahr habe ich das sehr geschätzt.

Der zweite Grund für diese Polarisierung liegt in der erzwungenen Trennung zwischen den Menschen. E qui voglio tornare al minuto di silenzio con cui ho iniziato questo discorso. Il primo minuto di silenzio lo abbiamo dedicato alla forse più conosciuta vittima del Covid, a Lidia Menapace. Conoscevo Lidia, ma non tanto da vicino. Ci incontravamo alle manifestazioni, dove a volte marciavamo accanto, e alle conferenze sulle donne, dove a volte dialogavamo insieme. Lidia era per noi femministe un grandissimo punto di riferimento.
Sono stata al suo funerale.
È stato il più triste funerale a cui io abbia mai assistito. Non perché eravamo meno in lutto di altre volte. Ma perché sentivo che si erano spezzati tutti i fili tra noi. Lo racconto in italiano in onore di Lidia che avrebbe credo compreso questo discorso. Si sono spezzati i fili, die Fäden sind gerissen. Auch unter uns Frauen, die wir uns normalerweise auf einem Gewebe bewegen, das uns hält und an dem wir gemeinsam weben. Wir haben es auch hier im Landtag erlebt. Leider.

Die Einsamkeit der Menschen hat den Diskurs verändert, auch den politischen Diskurs.

Negli spazi tra la mia opinione e la tua ci sono le sfumature e parlando, scambiandoci, discutendo, litigando, le scopriamo e le condividiamo. Se questo spazio in mezzo è annientato, ognuno resta con la sua opinione e quindi è più probabile che ci si trovi in una posizione estrema piuttosto che in mezzo. Die Mitte entsteht meistens aus der Begegnung. Parlamentarismus ist diese Begegnung, in aller archaischen Dimension ist der gute alte Parlamentarismus bedeutsamer denn je. Ich bin gerade in diesen Monaten zur glühenden Parlamentaristin geworden. Sono in totale disaccordo su questo con il M5* che pensa che la democrazia fatta da videoconferenze e votazioni a botte di clic sia un passo avanti. Invece proprio quest’anno io sento di dover difendere il parlamentarismo in cui ci si deve guardare in faccia, in cui senti le parole non solo attraverso l’orecchio, in cui ti incontri, e a volte a metà strada.

Indessen hat sich heuer die Debatte im Landtag, genau wie die gesellschaftliche Debatte, polarisiert, verkantet und verhärtet. Noch nie waren wir weiter voneinander entfernt. Vielleicht haben wir auch das Verständnis füreinander verloren. Nichts ist mehr wie es war, auch hier in unserem Landesparlament nicht.

Der Landeshauptmann hat seine Rede in einem fast leeren Saal gehalten. Noch nie war er so allein wie heuer. Die Einsamkeit an der Spitze spiegelt die Einsamkeit der Menschen.

Vorrei citare su questo un passaggio di uno splendido saggio che sto leggendo in questo periodo, di Chiara Valerio, “La matematica è politica”: Dice Chiara Valerio: “Ovviamente la matematica non procede per voto o alzata di mano, ma per ipotesi e verifiche. Se i nostri politici avessero studiato matematica, e se studiandola l’avessero capita, si comporterebbero diversamente rispetto alle cariche dello Stato che ricoprono perché non agirebbero come singoli, ma come funzioni di un sistema più ampio del loro ego, e soprattutto non si preoccuperebbero delle cose, ma delle relazioni tra le cose […], sarebbero consci di quanto l’abuso di posizione e di occasione indebolisca altre posizioni del medesimo sistema democratico.”

Diese Worte geben zu denken (was für eine schöne Redewendung übrigens!). Wären sie anerkannt, dann würden vielleicht einige der wilden Machtkämpfe, die in der politischen Mehrheit toben, aufgegeben (immer zum Stichwort Zusammenhalt) – weil auch die Herren der Landesregierung merken würden, wie sehr sich die ganze Achse schwächt, und in diesem Jahr auch gleich das ganze gesellschaftliche Gefüge mit.

2020 ist das Jahr der Krise.

In diesen Wochen zu Jahresende wird darüber viel gesagt und geschrieben. Es ist die größte Krise der Nachkriegszeit. Die wirtschaftlichen Dimensionen sind noch gar nicht in Zahlen zu fassen. Die Daten zur Arbeitslosigkeit indessen werfen immense Schatten voraus. Die Daten zur psychischen Belastung, zu Trauer, Gewalt, Stress, zu Zukunftsangst werden schnell ihre Abstraktheit verlieren und als konkrete Folgen in der unmittelbaren Umgebung von uns allen spürbar sein.

In unserer westlichen Erfolgskultur gilt Krise als Problem („Regierungskrise“, „Ehekrise“, „Sinnkrise“, „Wirtschaftskrise“ – wer möchte da schon drin stecken?). Oft gilt während dieser Zeit, dass man nur warten muss, bis sie vorbei ist, dann wird schon wieder „Normalität“ einkehren. Das Abwarten, also das Totstellen, ist eine der drei menschheitsgeschichtlich gefestigten Reaktionsmuster auf Krisensituationen (die beiden anderen sind Angriff und Flucht – wir erleben derzeit alle drei Formen!). Kollektive Krisen schaffen Ohnmacht.

Derzeit wird Krise normalerweise behandelt wie eine Krankheit (auch Krankheit ist, per se, Krise – und in der Krankheit gibt es dann noch die Krise, wenn’s schlimm wird). Sie wird separat behandelt, wie ein fehlgelaufener Mechanismus, der wieder in Gang, in den Rhythmus gebracht werden muss.

Dabei hat Krise eine andere Bedeutung. So wie wir nach einer Krankheit nicht mehr die selben sind, so wird auch die Welt nach dieser Krise nicht dieselbe sein. Nach der Krise ist etwas anders. Damit dies nicht Bruch und Chaos ist, muss aber die Art der Krise erkannt werden. Wenn nicht die Gesamtströmung angegangen wird, sondern nur stabilisierende Maßnahmen gesetzt werden, dann ist Krise zerstörend.

In diesem Sinne vermisse ich ganz radikal etwas in der Rede des Landeshauptmanns zum Haushalt 2021: Das radikale Reformprogramm nach der Krise durch Covid-19. Non poca roba.

Ich habe heuer nicht vermisst, dass in der Haushaltsrede einzelne Punkte nicht angesprochen wurden. Es ist nicht das Jahr, in dem wir über die Zukunft des Postdienstes oder die Zusammenlegung von Tourismusverbänden diskutieren müssen. Es ist das Jahr, in dem es zu erkennen gilt, wo die Brüche verlaufen und wie man das Auseinanderbrechen der Gesellschaft verhindern kann. Vielleicht.

In der Analyse können wir davon ausgehen, was uns Covid gelehrt hat.

2020 war das Jahr der Verletzlichkeit, der Verwundbarkeit, der Infragestellung alles bisher Gewohnten. Wir haben gemerkt, dass nichts, kein Managementkonzept, kein Wirtschaftsprogramm, kein Business-Plan einem Virus standhält, das sich dank Globalisierung aufmacht, um die Welt zu erobern. Wie schnell ist doch alles zusammengebrochen. Leider nachhaltig zusammengebrochen. 20-30% der Betriebe könnten in Italien gar nicht mehr aufmachen.
Wir haben gemerkt, dass unsere überdrehte Mobilität zur Verbreitung des Virus beigetragen hat. Und was es für Luft und Natur bedeutet, wenn der Verkehr ausbleibt.
Wir haben gemerkt, dass das Tabuisieren und Ghettoisieren von Alter und Tod dazu führte, dass das Virus die Verletzlichsten am massivsten getroffen hat. Und wie wichtig plötzlich jene sind, die überbeschäftigt und unterbezahlt in der Pflege und Betreuung arbeiten.
Wir haben gemerkt, wie die Einsparprogramme der letzten Jahre das Gesundheitssystem beeinträchtigt haben. Und wie froh wir um die peripheren Krankenhäuser waren, die man bis vor kurzem noch der Rationalisierung opfern wollte.

2020 war auch das Jahr der Erschöpfung.

Erschöpft, das waren viele schon vor Covid. Heuer hat sich die Anspannung und Belastung um ein Vielfaches gesteigert. Die Familien, insbesondere die Frauen haben sich in diesem Jahr als Airbag der Gesellschaft bewähren müssen. Sie haben abgefedert und abgefangen. Und alle vor schlimmen Blessuren bewahrt. Aber Achtung! Ein Airbag ist erstens auch gefährlich – und zweitens hat er die Eigenschaft, dass er nur einmal aufgehen kann. Daher muss die Erschöpfung der Frauen, der Arbeitenden, der Familien (auch der Jugendlichen in Fernunterricht! Ich habe letzte Woche eine Klasse virtuell durch den Landtag führen dürfen und als ich die Frage stellte: E voi, come state?, da ist mir der resignierte, müde, frustrierte Tonfall der Antwort der Oberschüler*innen in den Ohren geblieben. Die Antwort war: Male.) zutiefst ernst genommen werden.

Von Verletzlichkeit und Erschöpfung ausgehen, das wäre schon einmal ein radikaler Perspektivenwechsel.

Ein Landeshaushalt der Nachhaltigkeit und des Zusammenhalts, wie vom LH beschworen, muss von denen ausgehen, die an der schwächsten Stelle stehen.

Das war heuer nicht ganz so. Die längste Zeit wurde den Stärksten und Lautesten im Land nachgegeben. Die rabiate Auflehnung mancher Verbände in den letzten Wochen zeigte, wie wenig man es gewohnt war, sich einordnen – ja, unterordnen! – zu müssen, in die größere Aufgabe des allgemeinen Gesundheitsschutzes. Auf dem Diktat der Verbände hatte sich denn auch der „#Sonderweg Südtirol“ (es war übrigens auch das Jahr der Hashtag-Gesetze) gestützt. Die Autonomie unseres Landes wurde bemüht, vielleicht missbraucht (wir haben gewarnt!), um eine Woche früher zu öffnen. Ob man das heute noch so machen würde, ist fraglich. Das gute alte Südtiroler Sprichwort „Alles Schlechte kommt aus Rom“ hatte immer auch Bequemlichkeiten geschaffen (das weiß der Bildungslandesrat sehr gut, der in letzter Zeit diesen Durnwalderschen Ansatz mit großem Erfolg aufgegriffen hat). Ganz sicher hätte auch der Landeshauptmann lieber auf dem berühmten bitteren Schild zur Ladenschließung gelesen „Wegen Conte geschlossen“. Selbstverwaltung ist zweischneidig. Vor allem, wenn ein Virus dazwischenkommt, das sich eigenwillig über die Grenzen hinweg bewegt und zwischen Autonomie und Normalregion keinen Unterschied macht.

Was wir daraus lernen können, ist vor allem aber, dass es die Zusammenhänge zwischen Zentralverwaltung und Lokalverwaltung immer wieder neu zu diskutieren gilt. Und dass Autonomie immer im Binom mit Demokratie gesehen werden muss. Nach oben (zum Zentralstaat hin). Und nach unten.

Und hier, Herr Landeshauptmann, muss ich kurz verweilen. Ich hatte heuer vorgehabt, nachdenklich und nachsichtig zu sein und auch zu würdigen, was Sie leisten. Sie hatten es gewiss nicht leicht und ich habe Sie nie beneidet.

Es war ein sehr schwieriges Jahr für die Demokratie, für alle Parlamente. Die Exekutive musste schnelle und oft unbeliebte Entscheidungen treffen, manchmal wurden sie auch erst im Nachhinein von der Legislative ratifiziert oder diskutiert. Wir haben darüber viel gesprochen in diesem Jahr. Es ist der Eindruck, dass diese 16. Legislatur gar nicht mehr auf die Beine kommt. Durch das Stolpern von einer Notlage in die nächste dehnt sich die Zeit. Dieses Jahr kann man wie 2 rechnen. Wir alle sind 2 Jahre älter geworden. Einigen sieht man es auch an. Es gab Höhen und Tiefen. Der Hickhack um den Untersuchungsausschuss zu den Schutzausrüstungen war für den Landeshauptmann kein Ruhmesblatt. Die Informationsschleife (Diskussionsschleife wäre besser) mit dem Landtag, die sich während der 2. Welle eingebürgert hat, ist in Ordnung. Hier könnte man ansetzen, um die Demokratie, die demokratischen Abläufe, zu verbessern – auch hier ausgehend von den Schwächsten. In einer Demokratie ist das die Bürgerin und der Bürger.

Aber was Sie für das nächste Jahr vorhaben, Herren Landeshauptmann und Landtagspräsident, das ist, ich kann es nicht anders sagen, eine Sauerei. Ich spreche vom LGE Noggler zur direkten Demokratie. Abschaffung des bestätigenden Referendums. Aushöhlung des Bürgerrates. Aussiedelung des Büros für politische Bildung vom Landtag an die Eurac (vielleicht an das Büro für Autonomy Experience, also ans Autonomiemarketing?) und Ausbau des politischen Einflusses.

Wir sehen: Die Raumordnung soll nicht das einzige Gesetz bleiben, das man noch nicht mal zur Anwendung kommen lässt, bevor man beginnt, es zu ändern und zu verschlechtern. Nun soll das Gesetz für direkte Demokratie dasselbe Schicksal ereilen. Liegt es vielleicht daran, dass beide Gesetze mit Einbindung der Bürger*innen entstanden sind? Offensichtlich ist das eine ganz schlechte Voraussetzung für die Haltbarkeit der Gesetze in unserem Land.
Sepp Noggler, Arno Kompatscher, was Sie da vorhaben, ist ein Hohn für alle jene, die sich für mehr Beteiligung eingesetzt haben, die ihre Gedanken eingebracht haben, die zu den Veranstaltungen gekommen sind, die gestritten haben, um zu einem Kompromiss zu gelangen. Ich spreche wohlgemerkt von den Bürgerinnen und Bürgern, die dieses Gesetz mitgeschrieben haben und die sie jetzt regelrecht verschaukeln. Ohne Grund noch dazu. Es hat bis dato keine einzige schlechte Erfahrung mit einem bestätigenden Referendum gegeben. Noch kein einziger Bürgerrat hat stattgefunden. Das Büro für politische Bildung hat noch keinen Bleistift gebraucht. Was für ein schlechtes Zeichen, Landeshauptmann und Sancho Landtagspräsident Pansa. Sie werden nie mehr als Verfechter von Partizipation zu gelten haben. Das war einmal.

Angesichts dieses Sündenfalls sind auch die Nachhaltigkeitsbeteuerungen in Ihren Haushaltsreden leere Worte.

Nachhaltigkeit ohne Beteiligung ist nicht.

Wie wollen Sie die Nachhaltigkeit vorantreiben, wenn Sie die Beteiligung zurückschrauben?

Am Prozess erkennt man immer, ob der Inhalt ehrlich ist oder nicht. Und an den demokratischen Prozessen kann man die Ehrlichkeit der politischen Führung verifizieren.

Die Reform nach dem Krisenjahr 2020 müsste eine radikale Reform sein. Mein Vorschlag für den passenden Hashtag: #brauchenwirdaswirklich? Die Grundfrage der Nachhaltigkeit ist die Verifizierung dessen, was wirklich wichtig und notwendig ist.

Wir können gern auf den Kinderlandtag hören, da war es in der Klarheit der Jugend deutlich formuliert. Die Forderungen der jungen Leute waren nicht:

  • Ausbeutung
  • Recht des Stärkeren (mit Betonung auf „des“)
  • Interessensvorzug
  • Raubbau
  • Trennung der Sprachgruppen
  • Ausgrenzung
  • Kommando

Vielmehr wünschte man sich:

  • Gesundheit
  • Wohlbefinden
  • Gemeinschaft
  • Auskommen
  • Schutz der Umwelt
  • Gerechtigkeit

Auf dieser Grundlage dürfte es gar nicht einmal so schwer sein, die Agenda 2021 festzulegen und die wichtigsten Gesetzesvorhaben umzusetzen.

Die Wohnbaureform (sie kommt ja auch heuer wieder nächstes Jahr) nach Maß der Menschen, der Generationen, der Umweltverträglichkeit.
Den Sozialplan, ausgehend von Mitsprache und Schutz der Verletzlichkeit.
Die Klimaagenda, mit einer ehrlichen Debatte über Energie, Demokratie und Verantwortung.
Die Landwirtschafts- und Verbraucherwende im Zeichen von Klimaschutz und Biodiversität.
Die Enthierarchisierung und Horizontalisierung des Gesundheitswesens mit Schwerpunkt von Prävention und Territorium.
Eine neue Würdigung der Arbeit.

Die Verantwortungsübernahme für das Gemeinwohl seitens aller (mit dem Lob an die Steuermoral im Lande wäre ich vorsichtig, wenn das Ausmaß der nicht gezahlten Steuern 1/5 des Landeshaushalts ausmacht).

Die Gleichstellungsreform, Thema, in dem jeder einzelne Schritt ein unendlicher Kampf ist. Und, NEIN, Herr Landesrat für Chancengleichheit, das Bügeln ist sehr wohl ein Maßstab für Geschlechtergerechtigkeit! Auch an den Hemden werdet ihr sie erkennen (die Machos)! Und, JA, das Problem ist weitreichender und geht von der Gehalts- und Rentenschere über die Vertretung in den Gremien bis zum elementarsten Grundrecht des Schutzes vor Gewalt. Was gibt es hier noch alles an Kultur- und Vereinbarkeitsarbeit zu leisten!

Zusammenhalt und Vertrauen waren die Schlüsselworte, die der Landeshauptmann, Chef der Regierung Svp/Lega Salvini für das Jahr 2021 ausgegeben hat. Gute Worte. Wenn sie mit Leben gefüllt und nicht von den Prozessen selbst schon an der Wurzel widerlegt werden.

Ich würde daher noch ein Schlüsselwort dazu fügen, nämlich Ehrlichkeit.

Das würde uns auch in der Kommunikation nach Außen nicht schaden. Vor allem aber würden wir unserem Selbstbild gerechter werden.

Wir können damit beginnen, ehrliche Worte zu verwenden.

Wir sind ein Land, in dem es sich zu leben lohnt. Wir müssen uns aber nicht dazu erheben, alljährlich der „lebenswerteste Lebensraum in Europa“ zu werden. Das ist eine Floskel, die gar nichts bedeutet, und uns nur stresst. Denn woran wollen wir unsere Lebenswertigkeit messen? Am BIP pro Kopf, an der Suiizidrate, an den Scheidungen, an den Quadratmetern pro Familie?
Ist das Trentino lebenswerter als Südtirol? Mecklenburg Vorpommern lebenswerter als Andalusien? Schauen wir, dass das Leben im Lande ganz simpel und einfach lebenswert ist. Das ist schon viel genug, das ist alles was wir für unser Land tun können.

Dass wir aufhören uns so zu überschätzen, könnte ein Effekt von Corona sein. Dass wir Demut nicht nur in Antrittsreden üben, sondern im politischen Alltag und, warum nicht, auch im Marketing. Ehrlichkeit, Wahrheit. Zeigen wir uns auch in unserer Verwundbarkeit. Dann wird auch das Vertrauen wachsen.

Forse così qualche filo si riallaccia.

Gute Arbeit für 2021. E buona vita.

 

Brigitte Foppa, 15.12.2020

PRESSEMITTEILUNG.

Vom 16. bis zum 18. Dezember wird sich der Landtag intensiv mit dem Haushaltsgesetz 2021 auseinandersetzen. Unter anderem sorgt sich die Grüne Fraktion um das Lehr- und Sanitätspersonal, das vom Haushaltsvorschlag nur stiefväterlich bedacht wurde.

Voraussichtlich wird der Haushalt 2021 um 100 bis 200 Millionen Euro geringer ausfallen als der Haushalt 2020. Exakte Daten werden wir dazu erst im Laufe des ersten Halbjahres 2021 erhalten. Unter diesen Voraussetzungen und wohl auch Corona-bedingt haben die Gesundheits- und die Sozialpolitik relativ gut abgeschnitten. Dabei ist es unbedingt notwendig, dass zukünftig deutlich mehr Geldmittel in eine aktive Personalpolitik des Gesundheitsbetriebes fließen und dass endlich der ausständige Bereichsvertrag für das nichtärztliche Personal abgeschlossen wird. „Das war längst fällig” unterstreicht Hanspeter Staffler.

Im Finanzpaket, das in den nächsten Tagen behandelt wird, lässt hingegen die Bildungspolitik weiterhin zu wünschen übrig: Wiederum hat es den Anschein, dass das unterrichtende Personal der Grund-, Mittel- und Oberschulen durch die Finger schauen wird. Der Landeszusatzvertrag ist seit Jahren ausständig, die Lehrerinnen und Lehrer sind an der Grenze der Belastbarkeit angelangt. Die Geringschätzung dieses Berufsstandes erzeugt nicht nur Frust in den Reihen des Lehrpersonals, sondern gefährdet insgesamt den Bildungsbereich, weil junge Pädagoginnen und Pädagogen einen weiten Bogen um die Schulen machen werden.

Wenn wir aus dieser Krise einen Weg finden wollen, müssen wir nicht nur der Wirtschaft, sondern auch jenen Personen Sicherheit geben, welche die Stützen für Sanität und Bildung der künftigen Generationen darstellen. Davon sind wir überzeugt.

 

Landtagsabgeordnete
Hanspeter Staffler
Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba

Tagesordnung zum Landesgesetzentwurf Nr. 66/20 „Haushaltsvoranschlag 2021-2023“

Am 15. April 2020 hat sich dieser Landtag mit dem Landesgesetzentwurf „Änderungen zum Haushaltsvoranschlag der Autonomen Provinz Bozen für die Finanzjahre 2020, 2021 und 2022 und andere Bestimmungen“ befasst. Das Besondere an diesem Gesetzesentwurf war die Tatsache, dass dieser zwar in der Sitzung vom 9. April 2020 vom 3. Gesetzgebungsausschuss in einer Höhe von rund 200 Mio. Euro genehmigt wurde, aber dass bei der Behandlung im Plenum die Gesamtsumme durch einen Abänderungsantrag des Landeshauptmannes auf rund 500 Mio. Euro aufgestockt wurde. Bereits diese Vorgehensweise war bemerkenswert, da der zuständige 3. Gesetzgebungsausschuss keinerlei Prüfung über Einnahmen und Ausgaben der Geldsumme von 300 Mio. vornehmen und somit seine ureigenste Aufgabe nicht erfüllen
konnte.

Zum damaligen Zeitpunkt war es laut Ausführungen des Landeshauptmannes noch unklar, wie diese Mehreinnahmen zustande kommen würden, „entweder durch die Aufnahme von Schulden, Bonds (…) bzw. über den Ausgleich in Bezug auf die Verhandlungen betreffend die berühmten 476 Millionen Euro.“ Der Landehauptmann fügte hinzu, was passieren würde „wenn wir weder regionale Bonds ausgeben können, noch die Verhandlungen mit Rom zum Erfolg führen. Das wäre der Worstcase. Das würde bedeuten, dass wir innerhalb von drei Jahren einen Ausgleich im Landeshaushalt schaffen müssten.“ Ebenso wenig war der Landtag in der Lage, die 300 Mio. Euro ausgabenseitig zu hinterfragen. Die Übersicht dieser Ausgaben nach Aufgabenbereichen, Programmen, Titeln und Gruppierungen ist zurzeit noch ausständig.

Daher beauftragt der Südtiroler Landtag die Landesregierung

  1. Dem Landtag eine Erklärung über die Finanzierung der in den Prämissen zitierten Mehreinnahmen von 300 Mio. Euro abzugeben;
  2. Dem Landtag die Übersicht der in den Prämissen zitierten Ausgaben von 300 Mio. Euro nach Aufgabenbereichen, Programmen, Titeln und Gruppierungen zu übermitteln.

Bozen, am 14.12.2020

Landtagsabgeordnete

Hanspeter Staffler
Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba

ANFRAGE ZUR SCHRIFTLICHEN BEANTWORTUNG.

Bürger*innen der Gemeinde Terlan konnten auf der Grundparzelle 2254/1 in Terlan/Siebeneich Eisvögel beobachten. Auf besagter Grundparzelle befindet sich ein Teich, welcher einen winziger Rest der ehemaligen Auenlandschaft des Etschtales darstellt. Dieser Teich ist von Feuchtvegetation, Ufergebüsch und einigen Bäumen umsäumt und bildet nach uns vorliegenden Informationen eines der letzten Refugien für gefährdete Tier- und Pflanzenarten. Mittlerweile wurde die Anwesenheit der Eisvögel auch von Ornitholog*innen vor Ort bestätigt.
Der Eisvogel (Alcedo atthis) findet sich in Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie. Laut Artikel 4 dieser Richtlinie sind besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Lebensräume anzuwenden,um ihr Überleben und ihre Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen.

Daher richten wir folgende Fragen an die Landesregierung:

  1. Kann die Landesregierung das Vorkommen von Eisvögeln auf besagter Grundparzelle bestätigen?
  2. Welche Maßnahmen möchte die Landesregierung ergreifen, um die beobachteten Eisvögel ausreichend zu schützen?
  3. Wie steht die Landesregierung zum Vorschlag, rund um die besagte Grundparzelle ein Biotop auszuweisen, was nicht nur für die Eisvögel, sondern auch für andere schützenswerte Tierarten maßgeblich zum Überleben beitragen würde?

Bozen, 11.12.2020

Landtagsabgeordnete
Hanspeter Staffler
Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba

 

Hier kann die Antwort der Landesregierung heruntergeladen werden.

PRESSEMITTEILUNG.

„Schön grün“, das war die Haushaltsrede von LH Kompatscher auch heuer wieder. Der Chef der Landesregierung setzt auf Nachhaltigkeit, Green Deal, Klimaziele und Gendergerechtigkeit. Schön und gut. „Wir nehmen das zufrieden zur Kenntnis“, so die Abgeordneten der grünen Landtagsfraktion. Auch Bekenntnisse und Zielbestimmungen haben eine Wichtigkeit.

Nur sprechen die nackten Zahlen des Landeshaushalts eine andere Sprache. Das mit Abstand finanziell schwächste Ressort ist das der Landesrätin Kuenzer, die für Natur- und Landschaftsschutz, Raumordnung und Denkmalpflege zuständig ist. Ihr Budget ist 1/100 des Ressorts Widmann. Die Kultur, arg gebeutelt vom Krisenjahr 2020, muss Federn lassen, die Umwelt sowieso. Und das Soziale, Schlüsselfaktor in Krisenzeiten und immer schon gefährdet, bleibt knapp. Nicht umsonst weisen die Interessensvertretungen des Sozialen mit Nachdruck darauf hin, dass hier nicht gespart werden darf.

Ein Landeshaushalt der Nachhaltigkeit und des Zusammenhalts, wie vom LH beschworen, muss von denen ausgehen, die an der schwächsten Stelle stehen.
Weiterhin den Stärksten und Lautesten im Land nachzugeben, das ist ein anderer Weg. Er wird uns schwerlich aus der Krise führen.

Landtagsabgeordnete
Brigitte Foppa, Riccardo Dello Sbarba, Hanspeter Staffler

Hier findet ihr die Minderheitenberichte zu den LGE 65/66 und 67 des Abg. Staffler (Mitglied des 3. Gesetzgebungsausschusses)

Die ungewöhnliche Entstehungsgeschichte des Landeshaushalts 2021-2023

Das Corona-Jahr 2020 hat vieles durcheinander gewirbelt, so auch den zeitlichen Ablauf der Haushaltsgesetzgebung 2021-2023. Mit etwas Verspätung hatte die Landesregierung Ende Oktober die mit Spannung erwarteten Beschlüsse über den Haushaltsvoranschlag und über das Stabilitätsgesetz der Periode 2021-2023 gefasst.

Es stellte sich aber sogleich heraus, dass es sich nicht um einen operativen Haushalt mit neuen politischen Schwerpunkten handelt, sondern um eine Fortschreibung des Haushaltes 2020 wenngleich auf wesentlich niedrigerem Niveau. Die Kompetenzveranschlagung des Jahres 2020 wird ausgabenseitig auf rund 6,9 Milliarden geschätzt, jene des Jahres 2021 wurde im ersten Entwurf auf gut 6,1 Milliarden Euro veranschlagt. Damit hätten für das Jahr2021 800 Millionen Euro gefehlt, was einem Erdrutsch gleichkäme.

Mit diesen Zahlen fand am 20. November 2020 die Sitzung des 3. Gesetzgebungsausschusses statt, wo Landeshauptmann Kompatscher das Haushalts-Provisorium zu erklären versuchte. Ende Oktober, als der Entwurf in der Landesregierung beschlossen wurde, habe es noch wenig Klarheit über die Einnahmen des Jahres 2021
gegeben. Laut Kompatscher kämen auf der Seite der Einnahmen noch der Verwaltungsüberschuss, offene Nachzahlungen aus Akzisen, eine staatliche Abfederung der Mindereinnahmen und vielleicht sogar eine Stundung unseres jährlichen Anteils an den Staatsschulden hinzu. All diese Punkte zusammengenommen würden schätzungsweise 600 Millionen einbringen, sodass die negative Haushaltsdifferenz zum Jahr 2020 bei rund 200 Millionen liegen würde.

In der Sitzung des 3. Gesetzgebungsausschusses (20.11.2020) konnten keine realistischen Zahlen zu den geplanten Ausgaben vorgestellt werden und somit ergab sich im Ausschuss die sonderbare Situation, dass über eine unfertige Gesetzesvorlage beraten und abgestimmt hätte werden sollen. Einige Mitglieder des Ausschusses fühlten sich nicht in der Lage, das Provisorium überhaupt zu behandeln. Dieses Dilemma konnte überwunden werden, indem auf Vorschlag einiger Vertreter der Opposition Landeshauptmann Kompatscher einen informellen Zusatztermin mit den echten Haushaltszahlen zusagte.

Das informelle Treffen fand dann am 30.11.2020 in Form einer Videokonferenz statt, wo die Bereitstellung der Geldmittel auf Ressortebene tabellarisch
vorgestellt wurde. Die Ausgaben nach Titeln und nach Aufgabenbereichen konnten aus technischen Gründen nicht geliefert werden. Landeshauptmann Kompatscher bestätigte, dass es in Verhandlungen mit dem Staat gelungen sei, für die krisenbedingten Mindereinnahmen Kompensationszahlungen zu erhalten. Diese Kompensation
richte sich allerdings am Durchschnitt der Einnahmen der Jahre 2017, 2018 und 2019 aus. Zusätzlich hätten auch noch Rückflüsse aus dem Rotationsfonds einnahmenseitig verbucht werden können. Somit standen am 30.11.2020 insgesamt 6.419.810.933,87 Euro für das Haushaltsjahr 2021 und damit rund 468 Millionen weniger als im Jahr 2020 zur Verfügung.

Möglicherweise könnte sich laut Kompatscher die Differenz noch verringern, sofern mit dem Staat eine Einigung über die Stundung unseres jährlichen Anteils an den Staatschulden gefunden würde. Im Frühjahr 2020 kündigte Landeshauptmann Kompatscher an, das Land wolle sich mit einer guten Milliarde verschulden, um der Corona-Krise mit „Südtirolbonds“ zu begegnen. Wie sich schon bald herausstellte, gab es dafür keine rechtliche Basis, es hätte dafür eine Änderung der Verfassung benötigt. Einen Ausweg aus der Zwickmühle habe die Landesregierung jetzt gefunden, indem das Wohnbauinstitut und die Südtiroler Transportstrukturen AG (STA) ermächtigt wurden, Schulden für Investitionen aufzunehmen: das Wohnbauinstitut würde für die kommenden drei Jahre rund 100 und die STA rund 20 Millionen Euro benötigen.

Analyse der vorliegenden Haushaltszahlen

Ausgabenseitig fallen drei Ressorts auf, die gut aussteigen und drei Ressorts, die ordentlich Federn lassen müssen. Zu denen, die glimpflich davonkommen werden, zählen das Ressort von Landeshauptmann Kompatscher (Personal, Finanzen, Örtliche Körperschaften), das Ressort von Landesrätin Deeg (Soziales, Wohnungsbau
und Familie) sowie das Gesundheitsressort von Landesrat Widmann. Wesentlich schlechter schaut es aber für die Ressorts von Landesrat Achammer (Bildung, Arbeit, Wirtschaft), Landesrat Schuler (Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Tourismus) und Landesrat Vettorato (Bildung, Umwelt) aus. Die Ressorts der Landesräte Alfreider, Bessone und jenes der Landesrätin Hochgruber Kuenzer müssen weniger schmerzhafte Abstriche in Kauf nehmen.

Die Geldmittel für Forschung liegen im Trend der letzten Jahre, die fetten Jahre für die Informatik scheinen vorläufig vorbei zu sein und die Finanzen verfügen im Jahr 2021 über herausragende 1,2 Milliarden Euro, wozu derzeit detaillierte Informationen fehlen. Besonders kurz gehalten werden vorerst die Gemeinden und Bezirksgemeinschaften, für die bisher im mehrjährigen Durchschnitt knapp 700 Millionen Euro zur Verfügung standen. Für das Jahr 2021 sind vorerst lediglich
gut 400 Millionen Euro vorgesehen, hier wird eine Nachbesserung wohl unumgänglich sein. Die Geldmittel für Forschung liegen im Trend der letzten Jahre, die fetten Jahre für die Informatik scheinen vorläufig vorbei zu sein und die Finanzen verfügen im Jahr 2021 über herausragende 1,2 Milliarden Euro, wozu derzeit detaillierte Informationen fehlen. Besonders kurz gehalten werden vorerst die Gemeinden und Bezirksgemeinschaften, für die bisher im mehrjährigen Durchschnitt
knapp 700 Millionen Euro zur Verfügung standen. Für das Jahr 2021 sind vorerst lediglich gut 400 Millionen Euro vorgesehen, hier wird eine Nachbesserung wohl unumgänglich sein.

Für Sozial- und Familienpolitik sind insgesamt rund 680 Mio. Euro vorgesehen, das sind 16 Mio. Euro weniger als im Jahr 2020. Hier könnte sich im Laufe des Jahres 2021 eine größere Kluft ergeben, weil vor allem der Bedarf an Sozialleistungen anwachsen wird. Der Wohnungsbau hingegen wird mit etwas über 100 Mio. Euro bedacht,
was insgesamt viel zu wenig wäre. Sollte es jedoch dem Wohnbauinstitut gelingen, Schulden aufzunehmen, dann würde sich die Lage im sozialen Wohnungsbau für das nächste Jahr entspannen.

Das Das Gesundheitswesen kann mit 1,4 Mrd. Euro rechnen, was rund 100 Mio. Euro mehr sind als im Vergleichsjahr 2019. Das Corona-Jahr 2020 eignet sich nicht als Referenzjahr. Diese Aufwertung ist insofern positiv, wenn damit die öffentlichenGesundheitswesen kann mit 1,4 Mrd. Euro rechnen, was rund 100 Mio. Euro mehr sind als im Vergleichsjahr 2019. Das Corona-Jahr 2020 eignet sich nicht als Referenzjahr. Diese Aufwertung ist insofern positiv, wenn damit die öffentlichen Sanitätsstrukturen gestärkt werden. Werden die zusätzlichen Geldmittel hingegen in die Privatmedizin gesteckt, ein Trend, der sich seit ein paar Jahren beobachten lässt, dann wäre das eine weitere Schwächung der öffentlichen Gesundheitsversorgung.
Am stärksten leidet das Gesundheitspersonal unter den derzeitigen Rahmenbedingungen, zumal es bisher nicht gelungen ist, für das nichtärztliche Personal einen Bereichsvertrag abzuschließen. Es sind zwar für 2021 10 Mio. Eurovorgesehen, was aber angesichts der prekären Gesamtsituation beim Pflegepersonal viel zu wenig
ist. Um den Lohnrückstand und die permanente Mehrbelastung einigermaßen ausgleichen zu können, wären mehr als 20 Mio. Euro dringend notwendig.

Auf den ersten Blick kommt die Wirtschaftsförderung mit 26 Mio. Euro besonders stark unter die Räder, weil dafür gut 100 Mio. Euro weniger zur Verfügung stehen als im Jahr 2020. Auf den zweiten Blick hingegen stellt sich heraus, dass die Wirtschaft im Corona-Jahr 2020 eine gewaltige Finanzspritze von knapp 100 Mio. erhalten hat und deshalb relativiert sich dieser massive Einbruch. Sowohl die Deutsche Kultur als auch die Bildungsförderungen machen einen scharfen Knick von minus 25 % nach unten. Die Ausgaben für die Bildungsverwaltung fallen auch schwächer aus, aber wirklich schlimm schaut es für das unterrichtende Personal aus, welches seit Jahren auf den Landeszusatzvertrag wartet. Es sind zwar 15 Mio. Euro für Kollektivverhandlungen vorgesehen, was aber für einen fairen Ausgleich des erlittenen Reallohnverlustes viel zu wenig ist: dafür bräuchte es zwischen 25 und 30 Mio. Euro allein für das Jahr 2021.

Der Tourismussektor dürfte im Jahr 2020 ebenso eine außerordentliche Zuwendung von bis zu 90 Mio. Euro erhalten haben, die nun in der Bereitstellung für das Jahr 2021 fehlen. Im Vergleich mit den Jahren 2018 und 2019 ist das Ressort Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Bevölkerungsschutz und Tourismus deutlich unterfinanziert. Ähnlich schaut es momentan im Umweltsektor aus, der auf rund 40 % der Normaldotierung verzichten muss. Innovative Klimapolitik braucht aber viel mehr Geld.

Ein unvollständiges Resümee

Voraussichtlich wird der Haushalt 2021 um 100 bis 200 Millionen Euro geringer ausfallen als der Haushalt 2020. Exakte Daten werden wir dazu erst im Laufe des ersten Halbjahres 2021 erhalten. Unter diesen Voraussetzungen und wohl auch Corona-bedingt haben die Gesundheits- und die Sozialpolitik relativ gut abgeschnitten. Dabei ist es unbedingt notwendig, dass zukünftig deutlich mehr Geldmittel in eine aktive Personalpolitik des Gesundheitsbetriebes fließen und dass endlich der ausständige Bereichsvertrag für das nichtärztliche Personal abgeschlossen wird.

Not macht erfinderisch und so wurde erstmals seit Jahren der soziale Wohnbau ordentlich dotiert: möglich gemacht wird dies durch Schulden, welche das
Wohnbauinstitut erstmals aufnehmen wird. Wie die Tilgung dieser Schulden erfolgen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar.

Die Bildungspolitik hingegen lässt weiterhin zu wünschen übrig: wiederum hat es den Anschein, dass das unterrichtende Personal der Grund-, Mittel- und Oberschulen durch die Finger schauen wird. Der Landeszusatzvertrag ist seit Jahren ausständig, die Lehrerinnen und Lehrer sind an der Grenze der Belastbarkeit angelangt. Die Geringschätzung dieses Berufsstandes erzeugt nicht nur Frust in den Reihen des Lehrpersonals, sondern gefährdet insgesamt den Bildungsbereich, weil junge Pädagoginnen und Pädagogen einen weiten Bogen um die Schulen machen werden.

Kein Ruhmesblatt verdient sich die Landesregierung in der Naturschutz- und Umweltpolitik. Während sich die Gelder für den Naturschutz auf niederen 7 Mio. Euro einzupendeln scheinen, wurde die Umweltpolitik von durchschnittlichen 60 auf magere 30 Mio. Euro gestutzt. Wie damit aktive und zukunftsweisende Klimapolitik erfolgen soll, bleibt ein Rätsel. Schwer werden es auch die Kulturschaffenden haben, denn die Geldmittel für Kulturarbeit sind ebenfalls um rund 20 % drastisch gesunken.

Der Denkmalschutz wird mit 7 Mio. Euro auch zukünftig ein Stiefmütterchendasein fristen und wir dürfen gespannt sein, wann sich bei den Gemeinden und Bezirksgemeinschaften die Schockstarre lösen wird? Denn dort tut sich momentan wohl das größte Loch auf, wie das gefüllt werden soll, ist schleierhaft. Vielleicht aber befindet sich die Antwort in der großen Black Box der Abteilung Finanzen, dort lagern nämlich 1,2 Milliarden Euro, deren Zweckbestimmung zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar ist. Es kann aber auch sein, dass mit den derzeit blockierten Mitteln des Recovery Fonds geliebäugelt wird und diese das eine oder andere Budgetloch stopfen werden.

Trotz Corona-Krise ist der Landeshaushalt 2021 mit einem blauen Auge davongekommen: üppige Verwaltungsüberschüsse, geschickte Verhandlungen mit Rom und eine neue Schuldenstrategie haben das Schlimmste verhindert. Damit dürften aber die Reserven aufgebraucht sein, was für die Haushalte 2022 und 2023 unangenehme Spätfolgen
haben könnte.

gez. Landtagsabgeordneter
Hanspeter Staffler

MINDERHEITENBERICHT LGE 67/20.

Mit den Bestimmungen zum Landesstabilitätsgesetz für das Jahr 2021 versucht die Landesregierung, mit rund 20 Artikeln über 70 Gesetzesänderungen einzuführen. Die vorgeschlagenen Änderungen gehen Querbeet von den „Bestimmungen zur Aufnahme des Lehrpersonals“ über die „Neuregelung des Landesgesundheitsdienstes“ bis zur „Handelsordnung“, um nur einige Beispiele zu nennen. Unsere besondere Aufmerksamkeit haben die verzögert nachgereichten Änderungen wie jene über die „Finanzinstrumente für den Neustart der Wirtschaft“ oder jene über die „Verwaltung des Vermögens des Landes Südtirol“ geweckt.

Obwohl einige Gesetzesänderungen als direkte oder indirekte Folge der Coronakrise vorgeschlagen werden, ist es doch bemerkenswert, dass der Begriff COVID-19 lediglich ein einziges Mal im gesamten Gesetzestext vorkommt, als ob es gegen Ende dieses Pandemiejahres eine gewisse Müdigkeit gebe, das Kind beim Namen zu nennen.

Mit Artikel 5 werden die Sanitätsbauten von der Landesregierung auf den Sanitätsbetrieb übertragen, was technisch nachvollziehbar ist. Allerdings nehmen wir verwundert zur Kenntnis, dass es sich dabei nicht um eine einmalige Kompetenzverschiebung handelt, sondern dass die Verantwortung über die Sanitätsbauten eine Pingpong-Vergangenheit hat: 2015 bereits wurden die Sanitätsbauten vom Sanitätsbetrieb zur Landesverwaltung gespielt, einige Jahre vorher – so um das Jahr 2010 – von der Landesverwaltung zum Sanitätsbetrieb. Das Budget für Sanitätsbauten ist mit über einer halben Milliarde Euro dotiert und somit lässt es sich auch erklären, warum diese Kompetenz seit Jahren zwischen den Ressorts hin und her gespielt wird und nicht zur Ruhe kommen will.

Mit Artikel 16/quinquies (Finanzinstrumente für den Neustart der Wirtschaft) beabsichtigt die Landeregierung über die In-House-Gesellschaft „Euregio Plus SGR“ Finanzinstrumente zu lancieren, um kleinere und mittlere Unternehmen auf verschiedene Art und Weise zu finanzieren: zum Beispiel sollte die Unterstützung auch durch den Erwerb von Schuldinstrumenten erfolgen. Innovative Unternehmen (welche das sein könnten, wird nicht gesagt) sollen mit Risikokapital unterstützt und das Management des Fremdenverkehrssektors (was das auch immer sein könnte) soll durch Investmentfonds innovativer gestaltet werden. Schuldinstrumente, Risikokapital und Investmentfonds sind Begriffe, die viel eher zu Banken oder zu unabhängigen Finanzinstituten passen als zu einer In-House-Gesellschaft der Landesverwaltung.

Dass es die Landesregierung mit den Investmentgeschäften ernst zu meinen scheint, zeigt sich darin, dass sie sich mit dieser Gesetzesänderung ermächtigten lassen will, die Kontrolle über die Euregio Plus SGR AG zu übernehmen. Dafür bräuchte das Land rein rechnerisch 1.208.388,00 Euro, veranschlagt werden von der Landesregierung aber 10.600.000,00 Euro.

Zum jetzigen Zeitpunkt hat die Euregio Plus SGR AG ein Gesellschaftskapital von 9.868.500,00 Euro, welches sich folgendermaßen auf die drei Gesellschafter verteilt: 51% Pens Plan Centrum S.P.A., 45% Autonome Provinz Bozen, 4% Autonome Provinz Trient. Um die Kontrolle der Gesellschaft mit 51% zu übernehmen, müsste das Land Südtirol 1.208.388,00 Euro in die Gesellschaft einbringen. Laut vorliegender Gesetzesänderung werden aber 10,6 Millionen Euro eingezahlt, wodurch sich die Frage ergibt, wofür die Differenz von rund 9,4 Mio. Euro an Steuergeldern vorgesehen sind.

Die Landesregierung lässt sich gleichzeitig auch ermächtigen, Anteile an Investmentfonds zu zeichnen, was möglicherweise mit der Differenz von 9,4 Mio. Euro erfolgen könnte. Interessant wäre zu wissen, um welche Investmentfonds es sich dabei handeln könnte? Aber ganz unabhängig von dieser Detailfrage, ist die angestrebte Beteiligung an Finanzgeschäften kritisch zu beurteilen und es sei an dieser Stelle an den guten alten Spruch erinnert, Schuster bleib bei deinen Leisten!

Neben der neu aufgelegten Investmentstrategie lässt sich auch eine Neuausrichtung der Vermögensstrategie erkennen: Teile des öffentlichen Gutes des Landes Südtirol, also das Gut aller Menschen dieses Landes, sollen zukünftig aus der Gebarung der Landesregierung in die Hände des Landesrates für Vermögen gelegt werden, was weder sinnvoll ist noch den geltenden Gesetzen entspricht.

Artikel 16/sexies beinhaltet eine starke Dehnung oder möglicherweise eine Überdehnung von Artikel 54 des Autonomiestatutes. In Artikel 54 des Autonomiestatutes werden taxativ die Obliegenheiten des Landesauschusses (Landesregierung) aufgezählt, wobei unter Punkt 4 „die Verwaltung des Vermögens der Provinz“ aufscheint. Nachdem es sich dabei um eine ausschließliche Obliegenheit der Landesregierung handelt, müssen alle Entscheidungen zum Landesvermögen per Beschluss der Landesregierung gefällt werden. Die Landesregierung ist somit laut Statut DER Garant für das Vermögen des Landes, also für das Vermögen aller Südtirolerinnen und Südtiroler. Zwischen 1972 und 2016 hat die Landesregierung stets diese Obliegenheit wahrgenommen.
Im Jahr 2016 kam es dann zu einer ersten Erosion dieses Prinzips, indem in das Landesgesetz vom 21. Jänner 1987, Nr. 21 „Verwaltung des Vermögens des Landes Südtirol“ folgender unscheinbarer Absatz (3) in Artikel 16 eingefügt wurde:

„(3) Der Landesrat für Vermögensverwaltung kann den Verkauf und Ankauf von Liegenschaften verfügen, sofern deren Wert nicht mehr als 10.000,00 Euro beträgt. Die entsprechenden Verträge bis zu genanntem Schwellenwert können vom Direktor der Landesabteilung abgeschlossen werden.“ (Artikel 32 Absatz 3 des Landesgesetzes vom 18. Oktober 2016, Nr. 21)

Mit dieser kleinen aber „feinen“ Gesetzesänderung wurde geschickt eine ausschließliche Obliegenheit der Landesregierung erstmals seit Beginn der 2. Autonomie auf den verantwortlichen Landesrat übertragen. Geschickt deshalb, weil es im Jahr 2016 wahrscheinlich ein Leichtes war, dem Landtag dies als Effizienzgewinn anzupreisen: Die Landesregierung hätte bedeutend wichtigeres zu tun, als sich mit kleinen Immobiliendeals bis zu 10.000 Euro zu beschäftigen. Dieses Argument könnte aus betriebswirtschaftlicher Sicht oder aus dem Blickwinkel einer Controllingstelle einleuchten, Artikel 54 des Autonomiestatuts und das Landesgesetz vom 21. Jänner 1987, Nr. 21 „Verwaltung des Vermögens des Landes Südtirol“ untersagen aber prinzipiell diesen Ansatz.

Denn der Landesrat für Vermögensverwaltung hat zwar laut Artikel 1 Absatz 2 des LG 21/1987 „die Sachen der öffentlichen Hand sowie die Vermögensgüter zu verwalten; die Zuständigkeit der Landesregierung gemäß Artikel 54 des Autonomiestatuts wird dadurch nicht berührt.“

Also die Zuständigkeit der Landesregierung wird durch die Verwaltungsarbeit des zuständigen Landesrates nicht berührt; und nicht berührt heißt in anderen Worten nicht angetastet, nicht umgeschrieben, nicht geändert. Aber trotzdem kam es im Jahr 2016 zu einer ersten Änderung, die inhaltlich unbedeutend ist, aber formal einem Haarriss in der Stützmauer des Artikel 54 des Autonomiestatus gleichkommt.

Nun wird mit diesem Artikel 16/sexies der im Jahr 2016 angelegt Haarriss deutlich um das 26-fache pro Handlung erweitert. Der Vermögenslandesrat kann aufgrund eines Jahresprogrammes der Landesregierung, Vermögensgütern bis zu einem Wert von 260.000 Euro je Vermögensgut kaufen, verkaufen, mieten oder vermieten. Auf diesem Weg könnte die Landeregierung dem Landesrat ein umfangreiches Jahresprogramm genehmigen, welches viele Millionen Euro ausmachen könnte. Es liegt auf der Hand, dass damit ein Großteil der jährlichen Transaktionen aus der Hand der Landesregierung in die Hand eines Landesrates übergehen.

Genau diese Entwicklung wollten sowohl das Autonomiestatut als auch das einschlägige Landesgesetz zur Verwaltung des Vermögens des Landes vermeiden, aus diesem Grund werden wir gegen diesen Artikel und gegen das Gesetz stimmen.

Landtagsabgeordneter
Hanspeter Staffler

PRESSEMITTEILUNG.

Grundrechte müssen immer gewährleistet sein. Auch in Situationen, in denen die persönliche Freiheit eingeschränkt ist.

Der 10. Dezember ist der Internationale Tag der Menschenrechte. Passend dazu verweist die Grüne Landtagsfraktion mit einem Gesetzentwurf auf ihr Anliegen, die Garantie der Grundrechte in den Zuständigkeitsbereich der Volksanwaltschaft zu integrieren. Man spricht von „präventiver Menschenrechtskontrolle“, wenn es sich um Grundrechte in Situationen handelt, in denen die Freiheit der Einzelnen eingeschränkt ist.

Diese Situationen können in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Altersheimen, Langzeitpflegeeinrichtungen, psychiatrischen Einrichtungen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen usw. auftreten. Das sind Stätten, auf die jeder und jede von uns in seinem Leben vielleicht einmal angewiesen ist. Dort kann es im Alltag dazu kommen, dass durch organisatorische und logistische Probleme die Bedürfnisse von Bewohnerinnen bzw. Patienten in den Hintergrund rücken. Um dies zu vermeiden braucht es einen sensiblen Blick, Dialog und Beratung. Darum geht es beim Konzept der „präventiven Kontrolle“.

„Unserer Meinung nach ist die Volksanwaltschaft prädestiniert für diese Funktion, hat allerdings zurzeit dafür nicht die Zuständigkeit inne. Auch das neue, die Ombudsstellen regelnde Landesgesetz vom 9. Oktober 2020 enthält dieses Mandat nicht – obwohl wir versucht haben, es einzuführen“, erklärt Landtagsabgeordnete Brigitte Foppa, Erstunterzeichnerin des Gesetzes.

Mit diesem Gesetzesentwurf wollen wir diese Lücke schließen, indem wir die Aufgaben der Volksanwaltschaft um die Befugnis zur Durchführung einer präventiven Kontrolle ergänzen.

„Wir wollen ein klares Signal senden, um das Bewusstsein für die Rechte aller Menschen zu schärfen und ihre Achtung zu fördern“, betonen die Grünen Landtagsabgeordneten, „in Österreich ist diese Aufgabe bereits der Volksanwaltschaft übertragen worden und die Ergebnisse sind sehr positiv“.

Nie war das Bedürfnis, in diese Richtung tätig zu werden, so groß wie jetzt. Die Pandemie stellt Pflegeeinrichtungen vor eine neue Herausforderung und die Bedingungen in Krankenhäusern und Pflegeheimen – sei es für Patientinnen und Bewohner, als auch für die dort Arbeitenden – sind äußerst kritisch. Isolation und die Schwierigkeit von Besuchen machen die Situation noch komplexer.

Legen wir also heute im Besonderen, aber jeden einzelnen Tag im Allgemeinen den Fokus auf die Grundrechte aller Einzelnen. Denn viele Menschen sind – vielleicht auch nur vorübergehend – nicht in der Lage, selbst für ihre Rechte einzustehen. Sie verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit.

Landtagsabgeordnete
Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba
Hanspeter Staffler

PRESSEMITTEILUNG.

Eine große kleine Frau des 20. Jahrhunderts, prägende Femistin und leidenschaftliche Politikerin der ersten Stunden, ist von uns gegangen. Bis zuletzt war sie präsent, immer dabei, wenn es darum ging, die Freiheit der Menschen zu verteidigen. Nie war sie sich zu alt für eine Demonstration, nie zu müde, um im Nachtzug zu fahren, um mit Student*innen in Bari zu diskutieren, gegen Rassismus in Macerata zu protestieren. Gegen Diskriminierung, Rassismus und Frauenfeindlichkeit ein ganzes Leben. Aber vielleicht weniger gegen als für; für Frauen, Menschlichkeit, für ein Denken, das neues zulässt – und immer zum Gespräch bereit.

Ihr Einsatz ist uns nicht nur Frauen Inspiration und Vorbild. Lidia Menapace hat alles und mehr für Frauen, Gerechtigkeit und Frieden geleistet, als in einem Leben eigentlich möglich ist. Wir werden ihre Anliegen weitertragen.

Die Grünen Frauen – Le Donne Verdi und/e Grüne Landtagsfraktion- Gruppo Verde in Consiglio provinciale