Gemeinsam gekämpft und – gewonnen. Der Auftritt der Südtiroler Opposition vor dem Verfassungsausschuss des Senats, vergangene Woche in Rom, hat Wirkung bewiesen. Sie hat die Senatoren parteienübergreifend überzeugt, dass die versuchte Wahlrechts-Änderung für Südtirol im so genannten Ladinergesetz nichts zu suchen hat. Die Einsicht nach der Anhörung war: Entweder heraus mit dem eingeschmuggelten blinden Passagier, oder es wird der Ladinerzug insgesamt gestoppt. Vor diese Alternative gestellt, hat Senator Zeller angekündigt, die fraglichen Passagen, so wie von der Opposition gefordert, aus dem Verfassungsgesetz-Entwurf zu streichen. Die Südtiroler Grünen reagieren mit Genugtuung auf die Entscheidung. Der Grünen-Kammer-Abgeordnete Florian Kronbichler hat von Anfang an von einem „Ladiner-Missbrauch“ durch die SVP gesprochen. Diesen zu vereiteln, ist der vereinigten Opposition nun gelungen. Es gilt als große Ausnahme, dass eine Anhörung in einem Parlamentsausschuss eine bereits in fortgeschrittenem Stadium befindliche Gesetzesmaßnahme noch zu Fall bringt. Die Grünen nehmen mit Respekt zur Kenntnis, dass die SVP für einmal Einsicht vor Sturheit ergehen hat lassen. Ihr übliches Trotz-allem-Njet zu jedem Vorschlag der Opposition hätte in diesem Fall sowohl den Ladiner als Minderheit als auch der Demokratie im Land insgesamt geschadet. Die Grünen werden jetzt dafür arbeiten, dass der von Zweckentfremdungen gereinigte Verfassungsgesetz-Entwurf zur Gleichberechtigung der Südtiroler Ladiner transparent und so rasch wie möglich seinen parlamentarischen Weg nehmen kann. Die verächtlichen Einlassungen des SVP-Senators Zeller gegen die diesmal siegreiche Opposition und seine Androhungen, wonach er sein Ziel, das rein proportionale Südtiroler Wahlrecht auszuhebeln, schon auf anderem Wege erreichen werde, werden von den Grünen verziehen als die erwartete Reaktion einer beleidigten Primadonna.
Florian Kronbichler, Grüner-Kammer-Abgeordneter, Riccardo Dello Sbarba, Brigitte Foppa, Hans Heiss, Grüne Landtagsabgeordnete

Rom/Bozen, 31.03.2017

Klar unterstütze ich die „Pestizid-Rebellen von Mals“. So wie bisher ein dutzend-und-mehrtausend umweltbewusste Menschen habe auch ich ihren Aufruf an den Landeshauptmann unterschrieben. Arno Kompatscher möge Mals pestizidfrei bleiben lassen, er möge andere Südtiroler Gemeinden ermuntern, es Mals gleich zu tun, und am besten möge er aus ganz Südtirol ein Mals zu machen, will heißen: ein Bauern-, Wohn- und Ferienland, vom Gifte befreit. Ich bin für die Pestizid-Rebellen von Mals, – so wie sie sind.Dann hat halt jeder seine Art. Ich zum Beispiel hätte den Brief an den Landeshauptmann etwas höflicher, lasst mich sagen: umweltfreundlicher geschrieben. Er will eine „Petition“ sein, habe ich recht verstanden? Petition kommt lateinisch von bitten. Wir sind keine Untertanen, und der Landeshauptmann muss um nichts gebeten werden. Doch ihn zu ersuchen, oder an ihn das Gesuch zu richten, wäre abgesehen von höflicher meiner Erfahrung nach auch wirksamer. Wer seinen Gesprächspartner anlässt mit „Ich fordere sie auf“ und Doppelpunkt, will mit diesem eher nicht ins Gespräch kommen. Es sei denn, das ist die Absicht und man hält beim Landeshauptmann Einschüchterung für zielführend.
Und weil ich schon dabei bin, liebe Pestizid-Rebellen von Mals, verzeiht mir noch eine Belehrung: Ihr warnt Touristen vor „Plantagen, in denen dutzende Male im Jahr Gifte gespritzt werden“, vor einer Urlaubsregion, die „in Pestiziden versinkt“, und drohen schließlich, „das sonst so schöne Südtirol als Urlaubsland zu streichen“. Übertreibungen verstärken Argumente nie und in der Regel verkehren sie sich in Munition für die Gegner. Und von wegen Südtirol-Urlaub: Wollen wir wirklich dem Beispiel jener Leserbriefschreiber-Sorte folgen, die jeden Kummer mit dem Gastland gleich mit einer Boykott-Androhung verbindet? Selbst der bemühteste Gastgeber ist inzwischen geneigt, auf solche Drohgebärden zu reagieren mit: „dann bleibt’s halt …“
Im übrigen: Am Malser Wesen möge das Land genesen!
Florian Kronbichler

Am schönsten und wirksamsten hat Riccardo Dello Sbarba das Ergebnis der Veranstaltung zusammengefasst: „Achten wir darauf“, sagte der Grünen-Abgeordnete, „dass wir das ladinische Kindl nicht mit dem schmutzigen Wasser ausschütten“. Es war zwei Stunden nach der Anhörung der Südtiroler Landtagsopposition im Verfassungsausschuss des Senats in Rom. Anhörungen genießen unter Parlamentariern keine besondere Hochachtung. Sie kosten Zeit, und wie selbst Francesco Palermo vorab in einem Interview orakelte: sie helfen nichts. Dann diese Anhörung. Alle Teilnehmer – Senatoren wie Landtagsabgeordnete, Verteidiger und Gegner des so genannten Ladiner-Gesetzes – bescheinigten einander: eine gute, eine wichtige Diskussion.
Zwei Stunden dauerte die Anhörung. Das ist unüblich lang. Und gekommen war nicht nur die Opposition, die ursprünglich allein geladen war, sondern auch der Ladiner-Landesrat Florian Mussner und SVP-Gruppensprecher Dieter Steger in Vertretung der Mehrheit. Sie hatte sich hinzuladen lassen. Und nicht nur: Selbst Union-Generela-di-Ladins-Mann Lukas Plangger war gekommen und reihte sich in die Oppositionsphalanx ein. Gott sei Dank! So wurde die Anhörung zu einer Diskussion und blieb nicht eine Reihe von Reden, in der alle einander Recht geben.
Als Ergebnis kam heraus, und ich glaube, ich würde in diesem Resümee selbst vom anwesenden Schöpfer allen Unheils, nämlich Senator Karl Zeller, nicht widersprochen: Die Passagen, die im letzten Moment bei der Behandlung in der Kammer in den Text des Ladinergesetzes eingeschmuggelt wurden, haben mit Ladinerschutz nichts zu tun. Und sie haben somit im Ladinergesetz auch nichts zu suchen. Sie sind, wie ich sie seit Anfang geheißen habe: blinde Passagiere im letzten Wagon. Zweitens: Das Gesetz, so wie es in erster Lesung von der Kammer genehmigt worden ist, ist durch die Änderungen, die eingeschmuggelt wurden, nicht mehr jenes Gesetz, zu dem Regionalrat und Landtage ihr positives Gutachten abgegeben haben. Daraus folgt drittens: Das abgeänderte Gesetz kann nicht, wie die SVP es möchte, einfach so durchgewinkt werden. Es muss , weil geändert, den autonomen Regional- und Landesparlamenten zu abermaliger Begutachtung zugestellt werden.
Die Südtiroler Oppositionsvertreter waren in ihrem Auftritt zwar klar, aber letztlich gutmütig. Ein jeder hat auch von einer „Mindestforderung“ gesprochen. Eine solche wäre, dass der Gesetzestext vor der Genehmigung durch den Senat einer neuen Begutachtung durch Regionalrat und Landtage unterworfen wird. Darauf waren die SVP-Vertreter schon gefasst. Es waren eher die Senatoren und einige Senatorinnen, denen solche „Mindestforderungen“ nicht genügen. Der alte Lega-Fuchs Calderoli, der ähnlich lang Parlamentarier ist wie Karl Zeller, gab keck zu bedenken, ob die Südtiroler Mehrheitspartei eine solche zweite Chance sich überhaupt verdiene.
Die Steilvorlage lieferte der Opposition freilich SVP-Sprecher Steger. Er verteidigte den im Ladinergesetz versteckten Wahlreform-Artikel mit der „Regierbarkeit“, die zu sichern notwendig sei. Südtirol, klagte der SVP-Mann sei die einzige Region Italiens, die ein reines Verhältniswahlsystem habe. Als ob das eine Rückständigkeit und eine Gefahr für die Regierbarkeit wäre. Das war Munition, die bei den Senatoren kritische Fragen und gar einigen Spott provozierte. Römischen Politikern Eindruck zu machen mit Südtiroler Unregierbarkeit, war eine peinliche Fehleinschätzung. Man sah, wie Senatoren einander feixend in die Rippen stießen.
Unregierbares Südtirol? Das verfing bei niemandem. Fünfsterne-Senator Gianni Endrizzi reagierte am scharfsinnigsten: „Womit bewiesen ist: Die umstrittenen Änderungen am Gesetz dienen einem ganz anderen Zweck als der Gleichstellung der Ladiner.“ Darauf gab es keine schlüssige Antwort der SVP-Vertreter. Nicht einmal von Altmeister Zeller. Dieser gab sich bei der Veranstaltung auffällig zurückhaltend. Er sagte zum Abschluss, er sei der Dienstälteste in der Runde, – weitete das Verdienst dann noch auf Porcellum-Vater Calderoli aus. Und, so der Älteste weiter, er habe „Dinge, wie mit diesem Gesetz vorgenommen, schon mehrere gesehen“. Das sollte die sich wundernden Jüngeren beeindrucken. Argument war es freilich keines.
Mag sein, dass Anhörungen nur Anhörungen sind. Diesmal hatten zumindest die Teilnehmer den Eindruck, dass den Worten Taten folgen könnten. Selbst die SVP-Vertreter vermittelten den Eindruck, dass sie diesmal Einsicht vor Sturheit ergehen lassen könnten.
Florian Kronbichler

In einem Abend, der unter dem Motto „So kann’s gehen. Tiroler Lösungen zur Flüchtlingsfrage“ stand, beleuchteten die Tiroler Soziallandesrätin Christine Baur, die Flüchtlingsbeauftragte des Bozner Gemeinderates Chiara Rabini, der Sprecher der grünen Arbeitsgruppe social&green Karl Tragust und der Landtagsabgeordnete Riccardo dello Sbarba zusammen mit vielen anwesenden Ehrenamtlichen den Umgang mit Flucht und Migration in Nord- und Südtirol.
„Weltweit sind mehr als 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Europa kann und soll sich dieser Herausforderung nicht verschließen. Je schwieriger die Lage wird, desto besonnener müssen wir agieren. Grund- und Menschenrechte müssen sich in schwierigen Situationen bewähren – sie sind kein Schönwetterprogramm.“, so umreißt Christine Baur ihre Grundhaltung.
Den Sinn des Treffens erläuterte Brigitte Foppa: „Als Grüne stellen wir dem Thema nicht aus, sondern tragen Informationen zusammen und versuchen konkrete Lösungsansätze zu erarbeiten.“
Entsprechend berichtete die Tiroler Landesrätin Christine Baur über die Situation in Tirol, wo sie einen Landesbetrieb eingerichtet hat, in dem ca. 300 Angestellte sich um gut 6.000 Menschen auf der Flucht kümmern. Dabei wird nicht nur für Unterkunft und Verpflegung gesorgt, sondern von Anfang an auf konkrete Integrationsmaßnahmen gesetzt. Erfolgsbringend ist sicher auch das persönliche Engagement der Landesrätin, die sich dem Thema sofort gestellt hat und keine entschuldigende Haltung an den Tag legt, sondern auf eine offensive Informations- und Managementtätigkeit setzt.
Chiara Rabini betonte, dass die großen Zentren in Bozen mit teils über 100 BewohnerInnen nicht tragbar seien und plädiert für eine Teilnahme am italienischen SPRAR-System um eine durchdachte Begleitung in kleinen Strukturen zu gewährleisten. Karl Tragust, der einen Überblick über die verschiedenen Arten und Zeiten von Flüchtlingswellen und des damit verbundenen Krisenmanagementes gab, betonte wie wichtig Vergleiche sind und man nur aus ihnen lernen könne.
Riccardo dello Sbarba erweiterte den Blick in die Praxis, indem er über die Lokalaugenscheine der Grünen in den Südtiroler Flüchtlingsunterkünften berichtete. Die Unterkünfte seinen des reichen Landes Südtirols nicht würdig, bestätigten auch die verschiedenen ExpertInnen.
Viele Ehrenamtliche waren an dem Abend anwesend und berichteten, wie viele Menschen durch den Rost fallen, weil sie nicht in irgendwelche Kontingente fallen und so auf der Straße landen. Sie werden vielfach nur von Ehrenamtlichen, die immer wieder an ihren Grenzen stoßen, versorgt. Es kann nicht sein, dass Ehrenamtliche für die öffentliche Hand permanent in die Presche springen müssen, dies das einhellige Fazit des Abends.
Südtirol geht davon aus, dass es sich nur um ein kurzfristiges Problem handelt und reagiert mit Notstandspoltik. Damit muss Schluss sein, wir müssen dem Beispiel Tirols folgen, die Probleme sehen, anerkennen und auf konkrete Integrationsmaßnahmen setzten, so die Grünen Südtirols.
Brigitte Foppa e Hans Heiss, co-portavoce / Co-Landesvorsitzende Verdi Grüne Vërc
BZ, 23.03.2017

Die Gesetzgebungskommission allein zu Haus.

Mehr Geringschätzung ist kaum möglich, ebenso wenig mildernde Umstände.
Heute war der Zweite Gesetzgebungsausschuss einberufen, um über drei Gesetzentwürfe der Opposition zu beraten. Zwei davon betrafen den Tierschutz (s.u.), einer das Ausbringen von Herbiziden (dieser wäre vertagt worden). Erstunterzeichnerin war jeweils Abg. Brigitte Foppa für die Grüne Fraktion.
Während sich die Mitglieder des Ausschusses geschlossen einfanden, zum Teil nach weiter Anreise, ließen sich weder der zuständige Landesrat Arnold Schuler noch seine Beamtenschaft (z.B. der Landestierarzt Dr. Zambotto, bekanntlich einer der bestbezahlten Beamten im Lande) blicken. Der Ausschuss wurde vom Vorsitzenden Wurzer nach einer Viertelstunde Warten wieder entlassen.
Dass Gesetzentwürfe der Opposition abgelehnt werden, sind wir ebenso gewohnt wie die lapidaren und fast immer negativen Gutachten des Rates der Gemeinden (wie auch in diesem Fall zum LGE zu den Giftködern). Dass sich die Landesregierung aber nicht einmal der demokratischen Pflicht der Anwesenheit stellt  – schließlich können Gesetzentwürfe nicht behandelt werden, wenn die Regierung nicht anwesend ist – und damit zudem elementare Höflichkeitsregeln verletzt, ist wirklich inakzeptabel.
Der Landesrat hat in der Folge eine schriftliche Entschuldigung geschickt und die Abwesenheit mit einem „Missverständnis“ begründet. Das kann passieren. Professionelles Arbeiten und demokratisches Feingefühl sehen anders aus.
22.3.2017
Landtagsabgeordnete
Brigitte Foppa, Hans Heiss, Riccardo Dello Sbarba
Hinweis:
Die zwei genannten Gesetzentwürfe zum Tierschutz betreffen:
1. Das Verbot der Verwendung von Giftködern (Landesgesetzentwurf Nr. 113/16-XV)
2. Die Beiträge für den Tierschutz: Abänderung des Landesgesetzes vom 15. Mai 2000, Nr. 9 (Landesgesetzentwurf Nr. 116/17-XV)

Der neue Direktor der LPA, Marco Pappalardo, dient zwar dem Image Südtirols, vor allem aber jenem der Landesregierung

Die Ernennung von Marco Pappalardo, bisher Tourismus-Chef der IDM, zum Chef der Landespressagentur, hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck: Dass kein Journalist die Leitung der Landespressagentur übernimmt, der den Auflagen seiner Berufskategorie und der Ethik der „Vierten Gewalt“ verpflichtet ist, sondern ein Marketingfachmann, ist bedenklich.
Niemand zweifelt an den kommunikativen Fähigkeiten von Marco Pappalardo: Er hat die SMG nach dem Abgang von Christoph Engl 2013 übernommen und die touristische Marktbeobachtung und -bearbeitung geleitet – die Erfolge liegen auf der Hand. Dagegen ging die gleichfalls von ihm betreute Promo-Kampagne für den Flughafen Bozen nicht auf, sondern scheiterte krachend.
Dass Marco Pappalardo aber für eine objektive Berichterstattung über Südtirol und die Tätigkeit der Landesverwaltung sorgen kann, die Kriterien journalistischer Objektivität und Sorgfaltspflicht genügt, ist daher mehr als fraglich. Zwar ist bessere Imagepflege für Südtirol, zumal auf nationaler Ebene, dringend erforderlich. Nicht wünschenswert wäre aber, wenn die Landespressagentur unter Pappalardos geschickter Regie zum Promotion-Service der Landesregierung mutiert. Dann wäre auch die Bezeichnung der Agentur zu ändern – in SMG: Südtiroler Mehrheits-Garantin.
Wir Grüne bewerten daher diese Berufung als überaus problematisch und zugleich als empfindliche Schwächung der journalistischen Berufsgruppe zugunsten postfaktischer Versuchungen.
Hans Heiss, Riccardo Dello Sbarba, Brigitte Foppa,  LT-Abgeordnete
BZ, 21. 3. 2017
 

ie Absicht der SVP, das so genannte Ladiner-Gesetz als Hintertürl zu einem neuen Wahlrecht in Südtirol zu missbrauchen, erregt Misstrauen in Rom und könnte nun das Gesetz insgesamt in Gefahr bringen. Für kommenden Dienstag, 21. März, sind die Oppositionsvertreter im Landtag kurzfristig zu einer Anhörung in den Verfassungsausschuss des Senats vorgeladen. Das Treffen überrascht durch Art und Termin.
Gegenstand der Aussprache ist der in erster Lesung von der Abgeordnetenkammer bereits genehmigte und nun zur Behandlung im Senat aufliegende Verfassungsgesetzentwurf. In nie gesehener Einmütigkeit haben Mitte dieser Woche die Mandatare aller Oppositionsparteien, 16 von 35 Abgeordneten, ein Schreiben an den Senatsausschuss gerichtet. Darin beklagen die 16 Abgeordneten, die SVP würde im Fall des Ladiner-Gesetzes eklatanten Autonomieverzicht üben, und dies nur in der Absicht, auf diesem Schleichweg zu einem der Partei genehmen Wahlsystem für den Südtiroler Landtag zu kommen.
Stein des Anstoßes am Ladiner-Gesetz sind zwei unscheinbare Abänderungen, welche der SVP-Ladinervertreter Daniel Alfreider auf Betreiben von Senator Karl Zeller unmittelbar vor Abstimmung in der Kammer in den Gesetzestext eingebracht hat. Würden diese genehmigt, bekäme die SVP endlich jenen Spielraum zu einer Wahlrechtsreform, die sie schon lang anstrebt, die ihr das Autonomiestatut aber nicht erlaubt. Dieses sieht ein reines Proportionalwahlsystem vor.
Der Grünen-Abgeordnete im Parlament hat bereits bei der ersten Lesung in der Kammer „den blinden Passagier im letzten Wagon“ gefunden und dagegen protestiert, dass hier die Abänderung zum Hauptzweck des Gesetzes avanciere und der erklärte Ladinerschutz allenfalls zu einem erwünschten Kollateralnutzen zurückgestuft werde. Er sprach in diesem Zusammenhang von „Ladinermissbrauch“. Der Zweikammer-Ausschuss für Regionalangelegenheiten, in dem Kronbichler das Problem diesen Donnerstag abermals vortrug, machte sich in seinem Gutachten die Bedenken weitgehend zu eigen.
Es erweist sich nun, dass die SVP das Ladiner-Gesetz gar zu unbekümmert umgerüstet hat. Es wird mit damit das Autonomiestatut abgeändert. Dieses sieht im Artikel 103 jedoch vor, dass Regierung oder Parlament für jede Änderung das Gutachten des Regionalrates sowie der jeweils betroffenen Landtage von Bozen oder Trient einholen muss. Das ist zum „Ladinergesetz“ vergangenen Herbst vorschriftsmäßig geschehen. Damals stimmte auch ein Großteil der Opposition dafür. Das geschah allerdings zu einem Zeitpunkt und einem Entwurfstext, als der fragliche Wahlrechts-Passagier noch nicht an Bord war.
Nach Logik sagt jetzt die Landtagsopposition: Mit den Abänderungen ist das ein anderes Gesetz. Viele von ihnen hätten für den Ladiner-Schutz gestimmt, nicht für ein neues Wahlgesetz. Es gehöre noch einmal in den Regionalrat und den Südtiroler Landtag. Vor einem Monat haben die Abgeordneten der Grünen und der Fünf-Sterne-Bewegung im Regionalrat einen entsprechenden Beschlussantrag eingebracht. Die Mehrheit lehnte ihn ab.
Inzwischen sind auch aus SVP-Kreisen Bedenken zu hören. Die SVP statuiert durch ihr Beharren einen Präzedenzfall, der sich leicht gegen sie selber und gegen die Autonomie insgesamt kehren kann. Ändert morgen Regierung oder Parlament auch nur einen Beistrich am Autonomiestatut, ohne Land und Region vorher um deren Meinung zu fragen, werden Bozen und Trient protestieren. Rom kann dann sagen: Warum so empfindlich? Ihr habt damals, „bei den Ladinern“ doch auch auf jede Mitsprache verzichtet.
Die Anhörung vor dem Verfassungsausschuss des Senats kommenden Dienstag wird manchen Aufschluss bringen. Kann sein, dass das Senatspräsidium der Argumentation der Südtiroler Opposition folgt und Landtag wie Regionalrat um ein zweites Gutachten anfragt. Das würde die SVP ein kleines Klein-Beigeben kosten. Schwerwiegender wäre: Regierung und Parlament ließen es absichtlich auf diesen Südtiroler Autonomie-Verzicht ankommen.
Florian Kronbichler