Die überarbeite Version unseres Beschlussantrages wurde auch von mehreren KollegInnen der SVP-Fraktion unterzeichnet. Durch ihn wird nicht nur die Schienenverbindung zwischen dem Überetsch und Bozen definitiv umgesetzt, sondern auch eine Straßenbahnverbindung der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte innerhalb der Stadt Bozen Realität.
Der Beschlussantrag gibt der Landesregierung überdies den klaren Auftrag, ausschlaggebende Entscheidungen, wie z.B. die Trassenführung, die Technologie und vor allem die Finanzierung, im Austausch mit den interessierten Gemeinden zu entscheiden. Der Landtag hat heute die Entscheidung für die Überetscher Bahn in die Wege geleitet und somit eine nachhaltige Verkehrslösung für Bozen und Umgebung vorangebracht.
Hier der angenommene Beschlussantrag als PDF
[gview file=“http://www.verdi.bz.it/wp-content/uploads/2018/01/Überetscher-Bahn-Tram-Bolzano-Oltradige.-Ersetzungsantrag-Emendamento-sostitutivo.pdf“]

Wir fordern von den Regierungsparteien eine klare Linie und Berücksichtigung aller Südtiroler Sprachgruppen in der Diskussion um den Doppelpass
Bei ihrem ersten Treffen mit AM Alfano in Rom hat Österreichs neue Außenministerin Karin Kneissl das Thema der Doppelstaatsbürgerschaft für SüdtirolerInnen aufgegriffen und vorerst einmal abgewiegelt. Die Südtiroler Landesregierung hat sich im Landtag gestern auf unsere Anfrage hin zwar von der Forderung distanziert, dabei aber nie Aussagen dementiert, die Gegenteiliges beinhalteten. Südtirols Rechtsparteien jubilieren weiterhin. Die österreichischen Freiheitlichen machen Druck. Inmitten dieses von ihr selbst wesentlich mit produzierten Chaos windet sich die SVP von einem Statement zum nächsten, widerspricht sich ein ums andere Mal. Mit ihrer eigenen Unsicherheit und Zerrissenheit trägt sie die Verunsicherung über die Parteigrenzen hinaus.
Wir sind stets zurückhaltend mit offener Kritik an strategischen Entscheidungen anderer Parteien, hier aber sind die Schwäche und Orientierungslosigkeit der Südtiroler Regierungspartei in aller Deutlichkeit zu kritisieren. Die SVP zeigt sich zum Thema Doppelpass keineswegs auf der Höhe einer Partei, die den Anspruch hat, das Land mit absoluter Mehrheit zu regieren. Sie ist vor den Forderungen der deutschen Rechtsparteien eingeknickt und hat dann wohl erstaunt die Gegenmeinung vieler besorgter BürgerInnen wahrgenommen. Nun findet sie sich hin- und hergerissen zwischen den praktischen Problemen auf dem Weg zur doppelten Staatsbürgerschaft, beeindruckt von den Warnungen der Besonnenen und dem Druck, der von der patriotischen Seite kommt.
Während die Debatte längst internationales Interesse erreicht hat, wird in Südtirol selbst auf das Hauptproblem weiterhin vergessen, nämlich, dass eine Doppelstaatsbürgerschaft nur für einen Teil der SüdtirolerInnen zugänglich wäre. Wir haben auf dieses Grunddilemma oft genug hingewiesen, das weiterhin ungelöst bleibt. Es zeigt auf, auf welchen Randstatus das Thema des Zusammenlebens der Sprachgruppen in Südtirol abgesunken ist. Die Unterrepräsentanz der italienischen Sprachgruppe im Landtag und im gesamten politischen Leben, verdeutlicht durch das unerklärliche Schweigen des Juniorregierungspartners PD, hat zur Folge, dass die ItalienerInnen praktisch „vergessen“ werden. Diese Haltung des Ignorierens ist ein Symptom und eine Warnung zugleich.
Es ist unbedingt notwendig, das Thema Doppelstaatsbürgerschaft aus der Perspektive ALLER Sprachgruppen in Südtirol zu betrachten. Wir fordern die Regierungsparteien SVP und PD auf, hierzu eine klare Position und eine transparente Strategie zu erarbeiten und der Bevölkerung endlich mitzuteilen, wohin die Reise zu gehen hat.
BZ, 17.01.2018
Brigitte Foppa
Hans Heiss
Riccardo Dello Sbarba


Am 5. Jänner 2018 hat das Event „Bike & Ski” auf der Seiser Alm stattgefunden. Die Veranstaltung wurde von der Seiser Alm Marketing Gen. auf der Puflatsch-Piste durchgeführt: Ein Wettrennen zwischen Motorradfahrern, die den verschneiten und von Eis bedeckten Hang bergauf fuhren, und Skifahrern, die die Abfahrt nahmen. Der Titel der Veranstaltung führt leicht in die Irre, denn mit „Bike“ sind nicht Mountainbikes sondern Motorbikes gemeint. Es erscheint uns reichlich merkwürdig, dass ein Rennen in dieser Art in einem Naturpark (Schlern-Rosengarten), der zugleich Teil des UNESCO-Weltkulturerbes ist, stattfinden durfte. Darüber hinaus erfahren wird durch die Medien, dass für die Veranstaltung keine Genehmigung der zuständigen Ämter vorgelegen hat.
 
Daher stellen wir folgende Fragen an die Landesregierung:

  • Stimmt es, dass für „Bike & Ski” keine Genehmigung der zuständigen Ämter, weder auf kommunaler noch auf Landesebene, vorlag? Wenn ja, warum konnte die Veranstaltung dennoch stattfinden?
  • Werden die Organisatoren von „Bike & Ski“ dafür zur Rechenschaft gezogen? Und wenn ja, wie?
  • Wie gedenkt die Landesregierung im Hinblick auf zukünftige Veranstaltungen dieser Art zu handeln?
  • Was werden die Landesregierung und IDM tun, um solche umwelt- und landschaftsschädigenden Veranstaltungen zu verhindern?
  • Welches Leitbild von Tourismus und Sport in Südtirol will die Landesregierung vermitteln und vorantreiben?

 
 
Bozen, 16.01.2018
Landtagsabgeordnete
Riccardo Dello Sbarba
Brigitte Foppa
Hans Heiss
 
 

Dass die Landeschefs und die zuständigen Verkehrs- und Umweltlandesrätinnen, die sich zum heutigen Euregio-Verkehrsgipfel treffen, den Ernst der Lage in der Transitfrage erkannt haben, ist anzunehmen: 2,25 Millionen Transit-LKW und ein sprunghaft gestiegener Individualverkehr begraben alle Hoffnungen auf ein Absinken oder zumindest Stabilisierung der Verkehrslawine.
Die Gesundheit der AnwohnerInnen an den Transitachsen und den dichten Siedlungsräumen wie Bozen verdient zwar längst den überfälligen Schutz; Illusionen sind aber fehl am Platze. Wir Grüne erhoffen uns vom heutigen Verkehrsgipfel wenig; konkrete Schritte wie Mauterhöhungen, Nachtfahrverbote und ein „Lufthunderter“ nach Tiroler Vorbild sind als einheitliche Euregio-Strategie nicht zu erwarten.
Wir wären bereits erstaunt, wenn für Südtirol Minimal-Schritte gesetzt würden: Die Wieder-Inbetriebnahme der seit einem Jahr still gelegten Luftmessstation im Eisacktal, eine LKW-Kontrollstelle in Sterzing und die verstärkte Auslastung der RoLA vom Brenner südwärts. Dies wären kleine Schritte, um das im Bereich Transitverkehr völlig gestörte Vertrauen neu aufzubauen. Viel mehr ist nicht zu erwarten, eine Verlagerung des Umwegtransits von rund 800.000 LKW jährlich bleibt ebenso ein Wunschtraum wie eine angemessene Maut oder ein Aus für das österreichische Dieselprivileg, wie von Landesrätin Felipe zu recht gefordert.
Bozen, 15. 1. 2018
Hans Heiss
Brigitte Foppa
Riccardo Dello Sbarba

Der Grüne Rat hat in der Sitzung vom 30. Dezember 2017 beschlossen, bei den kommenden Parlamentswahlen mit der Liste „Liberi e Uguali“ des Senatspräsidenten Pietro Grasso und der Kammerpräsidentin Laura Boldrini anzutreten.

Die Entscheidung wurde mit großer Mehrheit getroffen, nachdem die diversen Möglichkeiten abgewogen worden waren.

Das Wahlgesetz, das Regionalparteien nicht namens SVP stark benachteiligt, hat bekanntlich ein großes Dilemma für uns ausgelöst.

Wir bedauern die Zersplitterung der Mitte-Links-Kräfte in Italien und wissen um die Tatsache, dass unsere KollegInnen der Grünen Partei Italiens bereits ein Bündnis mit dem Partito Democratico eingegangen sind. Das machte die Entscheidung besonders schwer. Die Enttäuschung vieler Mitte-Links-WählerInnen über die Politik des PD und der SVP, sowie die Gleichgültigkeit dieser beiden Parteien gegenüber einer Koalition mit allen Partnern auf Augenhöhe, vor allem aber gegenüber den dringlichsten aktuellen Themen der politischen Agenda hat uns zu einer gründlichen programmatischen Prüfung veranlasst.

Auf dieser Grundlage haben wir beschlossen, weiterhin auf die ökosozialen Themen zu setzen, da wir in diesem Bereich den größten Handlungsbedarf und das größte Entwicklungspotenzial erkennen.

Die inhaltliche Nähe zu Liberi e Uguali ist bei Themen wie soziale Gerechtigkeit, Solidarität mit den Schwächeren und Umweltschutz offensichtlich. Wir teilen die wichtigsten politischen Ziele der Liste um Grasso und Boldrini und sind sicher, dass wir das Wahlprogramm noch Ergänzungen anbringen können, vor allem was die Umwelt- und Europapolitik betrifft.

Wir hoffen auf eine ehrliche und faire Auseinandersetzung bei diesen Parlamentswahlen – wie gewohnt werden wir uns für eine seriöse und respektvolle Politik engagieren, die nicht auf Eitelkeiten und Pöbeleien, sondern auf Werte und Konkretheit setzt. Was in Italien wie in Südtirol dringend notwendig ist.

Brigitte Foppa und Tobias Planer, Co-Landesvorsitzende
Karl Tragust, Präsident des Grünen Rates
Riccardo Dello Sbarba und Hans Heiss, Landtagsabgeordnete
Florian Kronbichler, Kammerabgeordneter


Gefährdete Landschaft – Geschützte Lobby-Interessen
6 Kritikpunkte zum neuen Landesgesetz für Raum und Landschaft
In seiner Rede zum Landeshaushalt 2018 hat LH Kompatscher unverblümt gesagt, wozu der von der Landesregierung heute genehmigte Gesetzentwurf zu Raum und Landschaft dienen soll, nämlich 1. Entbürokratisierung, 2. Bürgernähe, 3. Vereinfachung der Verfahren, 4. Rechtssicherheit und 5. Planbarkeit.
Das ist ein klares Plädoyer für Liberalisierung: Wer sich hingegen Ziele wie: 1. Schutz des Bodens, 2. Eindämmung der Zersiedelung, 3. Raum als Ressource, 4. Schutz des Gemeinwohls, 5. Transparenz vorgestellt hatte, wird enttäuscht.
Wir gestehen LR Theiner zwar die gute Absicht zu, mit diesem Gesetz ein bleibendes Vermächtnis seiner Amtszeit zu hinterlassen, müssen jedoch aus mehrfacher Sicht Kritik vorbringen:

  1. Das neue Raumordnungsgesetz, ein Mitbestimmungsfake?

Wir teilen die Kritik der Umweltvereine, die die Entstehungsweise des Gesetzentwurfs beanstandet hatten. Die Genese war leider kein Beispiel für gelingende Partizipation, sondern weit mehr für gelingendes Lobbying. Partizipationsprozesse dürfen nicht in Verwirrung und verschleiernd enden, sondern müssen allen, wirklich allen Beteiligten die Möglichkeit geben, sich auch im Ergebnis wiederzufinden.

  1. Bodenverbrauch wird nicht verringert werden

Umweltvereine, aber auch der neue Abteilungsdirektor Frank Weber haben darauf hingewiesen, dass das neue Gesetz zu einer Steigerung des Bodenverbrauchs führen wird, entgegen der Versprechungen der Landesregierung. Denn Maßnahmen wie Versiegelung, Erschließung und Bebauung für die landwirtschaftliche Produktion sollen nicht als Bodenverbrauch gelten, Flächenverbrauch soll aus wirtschaftlichen Gründen – d.h. also immer – erlaubt sein: Die Aussage „Bodenverbrauch außerhalb des Siedlungsgebietes darf nur dann zugelassen werden, wenn er notwendig ist und es dazu keine wirtschaftlich und ökologisch vernünftigen Alternativen durch Wiederverwendung, Wiedergewinnung, Anpassung oder Vervollständigung bestehender Siedlungen gibt […]“(Art. 17) zieht sich unverändert durch die diversen Versionen des Entwurfs. Hier wird also mit dem Grundsatz zugleich die generelle Ausnahmebestimmung festgeschrieben und Letztere dadurch regelrecht zementiert.

  1. Natur- und Landschaftsschutz kommen zu kurz

Bei der Lektüre der diversen Entwurfsstadien fällt auf, dass der Bereich Natur und Ökologie kaum Niederschlag im Gesetz findet, einzig das Thema Landschaft wird behandelt; allerdings scheint es so, als habe die Landschaft immer wieder das Nachsehen hinter Wirtschafts- und Landwirtschaftsinteressen. Bereits im Vorfeld war die Sinnhaftigkeit der Verlegung des Landschaftsschutzes in das Raumordnungsgesetz mehrfach angezweifelt worden. Denn obwohl der Landschaftsschutz Verfassungsrang genießt, wird er hier zu einem Unterkapitel des Raumordungsgesetzes degradiert.
Auffallend sind die progressive Verstümmelung und Verkümmerung des Landschaftskonzeptes, es beinhaltet weder das Konzept von Biodiversität und ökologischer Vernetzung, noch die Instrumente und Grundsätze des Landschaftsschutzes. Außerdem gälte es nicht nur Gebiete von herausragender landschaftlicher Bedeutung zu schützen, sondern auch gewöhnliche und beeinträchtigte Landschaften.

  1.  Wie ist das nun mit dem Wertausgleich?

Wichtigste Maßnahme für den „sorgsamen Umgang mit Grund und Boden“ ist das Konzept des Wertausgleichs. Damit soll der Spekulation ein Riegel vorgeschoben werden.
Bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs im Südtiroler Landtag wurde unterstrichen, dass der Wertausgleich nicht für Gewerbegebiete und für Sondernutzungsgebiete für touristische Zwecke vorgesehen ist. Auf unsere Nachfrage hin wurde dies bestätigt, unter Verweis auf den „Druck“, der bereits jetzt auf „der Wirtschaft laste“. Es ist absolut widersprüchlich, den Wertausgleich für das primäre Recht „Wohnen der BürgerInnen“ vorzusehen und die Betriebe davon auszunehmen. Zuletzt war außerdem immer wieder davon die Rede, dass das Konzept des Wertausgleich an sich nun in Frage gestellt wurde, da insbesondere Unternehmerseite scharfe Kritik daran äußerte. Wir wissen noch nicht, wie sich der endgültig genehmigte Entwurf hierzu positioniert, vor dem weiteren Verwässern dieses Prinzips warnen wir ausdrücklich.

  1. Die kuriosen Ausnahmen

Die letzten Versionen des neuen Entwurfs zum Gesetz für Raum und Landschaft enthalten auch einige eigenartige Ausnahmen für Sonderfälle. Wir haben hierzu in Landtagsanfragen nachgehakt, um herauszufinden, worum es im Einzelnen geht (Antworten noch ausständig).
Beispiele dafür sind die Sonderregelung für Gewerbegebiete (Art. 26): „Für Gewerbegebiete müssen Durchführungspläne erstellt werden. Dies gilt nicht für die Erweiterung bestehender Gewerbegebiete, die keiner zusätzlichen Flächen für Erschließungsanlagen bedürfen und für die Gebiete, die für die Ansiedlung eines einzigen Unternehmens bestimmt sind oder in denen mindestens 75% der Flächen verbaut sind.“ oder jene in Art. 29: „Für Einzelhandelstätigkeiten gelten die Begrenzungen laut Artikel 32, Absatz 3, wenn das betroffene Gebiet vormals Gewerbegebiet war. Ausgenommen sind an Mischgebiete angrenzenden Gebiete urbanistischer Neugestaltung in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern.“

  1. Achtung vor den Sondernutzungsgebieten zu touristischen Zwecken

Die neuen „Sondernutzungsgebiete“ sind von der Gesamtregelung der Siedlungsgebiete ausgenommen. Gewiss hat man Verständnis für bestimmte Anlagen, die natürlicherweise außerhalb der Siedlungsgrenze lägen, etwa Schotterwerke oder E-Werke. Weniger einleuchtend ist hingegen die Einordnung von Tourismusbetrieben in dieselbe Kategorie wie Schotter- und E-Werke. Hier wird große Aufmerksamkeit geboten sein.
Der neue Gesetzentwurf zur Raumordnung ist ein Zwitter: Begrüßenswerten Grundsätzen wie Einschränkung des Bodenverbrauchs, Einführung einer Siedlungsgrenze und mehr Fachkompetenz in den Gremien stehen sorgsam konstruierte Ausnahmen entgegen, die von der Feinarbeit der Lobbies künden. Deren Mitwirkung am Gesetzesentwurf ist jene Partizipation in Südtirol, die wirklich funktioniert. Die Grünen werden sich bemühen, im Landtag jene öffentliche Auseinandersetzung zu führen, die dieses zentrale Gesetz wirklich bedarf.

Bozen, 28.12.2017

Brigitte Foppa, Hans Heiss, Riccardo Dello Sbarba

Grundsätzlich: Schon heute leben in Europa Tausende von Menschen, die eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen. Diese Einzelpersonen haben, berechtigterweise, den Doppelpass aus geschichtlichen oder familiären Gründen erhalten, und zwar im Kontext einer Europäischen Union, deren innere Grenzen ständig überschritten wurden. Unser Einwand richtet sich gegen die Übertragung dieses individuellen Rechts auf ein eingegrenztes Kollektiv, im spezifischen Fall die deutsche und ladinische Bevölkerung Südtirols. Damit wird eine Rechtsungleichheit zu den restlichen, vielfach seit langem im Lande lebenden SüdtirolerInnen geschaffen.
Manch jemand im Land ruft nach der Doppelten Staatsbürgerschaft, „wenn schon, dann für alle in Südtirol ansässigen Menschen“, also ItalienerInnen und MigrantInnen inbegriffen. Das ist leider eine, wenn auch gut gemeinte Wunschvorstellung.
Denn nach aktuellem Wissensstand wäre das Recht auf die doppelte Staatsbürgerschaft auf zwei Personengruppen eingeschränkt, weil begründbar:
a)Auf Personen, die nachweisen können, VorfahrInnen in Südtirol (gehabt) zu haben, die zum Zeitpunkt der Abtrennung Südtirols von Österreich österreichische StaatsbürgerInnen waren (Begründung durch Abstammung).
b)Auf Personen, die der deutschen oder ladinischen Volksgruppe angehören (Begründung durch die Schutzmachtfunktion Österreichs für diese beiden Gruppen).
Im Detail würde dies zu einer Vielzahl von Problemen führen:
Praktische Probleme (Auswahl):

  • Die Begründung durch Abstammung führt etwa zur Frage: Wer kann nachweisen (und wie), dass seine/ihre Vorfahren einmal BürgerInnen des österreichischen Staates vor 1919 waren, wenn in unseren Gemeinden erst ab 1922 Standes- und Meldeämter geführt werden? Sollen also wieder Ahnenpässe über die Taufbücher der Pfarrarchive eingeholt werden?
  • Das Kriterium zur Zugehörigkeit zur Sprachgruppe wiederum führt zur Frage, wer denn der deutschen und ladinischen Sprachgruppe zugehörig ist. Denkt man zum Nachweis an die Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung? Die hat doch einen völlig anderen Zweck, nämlich die interne Verteilung gemäß Proporz. Was passiert mit all jenen, die sich nicht zugeordnet, sondern nur angegliedert haben? Werden sich dann in Zukunft ItalienerInnen entweder für die österreichische Staatsangehörigkeit oder die Ansprüche gemäß Proporz für die italienische Sprachgruppe entscheiden müssen? Hält ein solcher Rechtswiderspruch überhaupt einer rechtlichen Prüfung statt?
  • Falls man nicht nach Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung vorgeht: Wie wird festgestellt, wer „deutsch“ und wer „ladinisch“ ist? Und wie immer wird auf einen Aspekt vergessen: Was ist mit den Zwei-, Mehr- und Anderssprachigen im Lande? Welche Rechte stehen ihnen zu und wie erwerben sie diese Rechte?

Politische Probleme, gesellschafts- und autonomiepolitische Fragen (Auswahl):

  • Im Lande wird ein rechtliches Gefälle mit schwer wiegenden Unterschieden auftreten:  Ein Teil der SüdtirolerInnen wird um die doppelte Staatsbürgerschaft ansuchen können, ein weiterer Teil nicht. Das wird dem bereits im Wachsen begriffenen Eindruck der fortschreitenden Marginalisierung der italienischen SüdtirolerInnen weiteren Vorschub leisten. Gewiss werden nicht so viele ItalienerInnen den Wunsch hegen, österreichische StaatsbürgerInnen zu werden. Aber allein die bloße Tatsache, darauf keinen Anspruch zu haben, wird Benachteiligungsgefühle entstehen lassen. In einer Situation der wachsenden Resignation und Mutlosigkeit der italienischen Sprachgruppe braucht es keine weiteren Angriffe auf das Selbstwertgefühl. Wir erinnern daran, dass die Vertretung im Landtag mit 14%, bzw., mit 12,5% in der Landesregierung weit unter der tatsächlichen Stärke der italienischen Sprachgruppe [26% bei der Volkszählung 2011] liegt).
  • Die deutschen Rechtsparteien provozieren seit Jahren in dieser Sache. Mit der vordergründigen Berufung auf das historische Unrecht, das zweifelsfrei an Südtirol begangen wurde, wird ständig am kollektiven Selbstwertgefühl der italienischen Südtiroler gesägt. Jegliche Identifikation mit Italien wird als Nationalismus etikettiert und beanstandet. Politische Vorschläge in der Bandbreite von neutralen Trikots für Südtiroler SportlerInnen bis hin zur Ausrufung der Selbstbestimmung für Südtirol halten das Bewusstsein der ethnischen Unterschiede wach. Dieses kontinuierliche Herumstochern hat zu einem Wettlauf der Benachteiligung und zum Kampf um die Opferrolle zwischen der deutschen und italienischen Volksgruppe geführt. Die Voraussetzungen für einen friedlichen und rücksichtsvollen Diskurs im Lande verschlechtern sich auf diese Weise beständig. Die doppelte Staatsbürgerschaft verstärkt diesen perversen Mechanismus um ein Vielfaches.
  • Auf einer weiteren Ebene muss bedacht werden, welche Folgen die Doppelpassregelung auf die Kräfteverhältnisse zwischen Südtirol und Italien, zwischen Südtirol und Österreich und zwischen Italien und Österreich haben könnte. Die schwierige und stets gefährdete Balance der letzten Jahre scheint sich bereits durch die bloße Ankündigung seitens der neuen österreichischen Regierung geschwächt zu haben.
  • Wenn man erst bedenkt, welche Situation eintreten könnte, wenn sehr wenige deutsche und ladinische SüdtirolerInnen um den österreichischen Pass ansuchen, wird das gesamte Ausmaß des Ansinnens deutlich. Rom könnte dann annehmen, dass die Verbindung zu Österreich mittlerweile an Bedeutung verloren hat; die Schutzmachtfunktion könnte sich schwächen. Hingegen würde eine Kampagne zugunsten massiver Ansuchen um den Doppelpass die deutsche Sprachgruppe in Spaltung und Bedrängnis bringen. Ferner könnte ein Ansturm um die österreichische Staatsbürgerschaft die Beziehungen zu Italien verhärten und dem weiteren Ausbau der Autonomie alles andere als dienlich sein.
  • Denn wir dürfen die Geschichte nicht vergessen: Eine Hauptbedingung des Gruber-De-Gasperi-Abkommens war die Zurückgabe der italienischen Staatsbürgerschaft an diejenigen, die sie 1939 mit der Option für Deutschland verloren hatten. Die Autonomie hat ihren Daseinsursprung also im Schutz der deutschen und ladinischen Minderheit innerhalb des italienischen Staates. Würde hingegen morgen ein stattlicher Teil der Südtiroler Bevölkerung auch BürgerIn Österreichs werden, könnte Rom davon ausgehen, dass die doppelte Staatsbürgerschaft ausreichen würde, um diejenigen zu schützen, die sich nicht italienisch fühlen. Dahingegen (so könnte der weitere Gedankengang der römischen Regierung sein) bräuchten jene, die allein mit der italienischen Staatsbürgerschaft zufrieden seien, nicht geschützt werden. In beiden Fällen würde die Autonomie überflüssig werden und auch die Schutzmachtfunktion Österreichs würde sich verändern: Sie würde sich nicht mehr auf das gesamte Südtirol beziehen, sondern nur noch auf diejenigen, welche die doppelte Staatsbürgerschaft erhalten haben. Wollen wir uns wirklich auf diesen Weg begeben? Und ist vielleicht nicht diese Überlegung der ausschlagende Punkt dafür, dass die VerfechterInnen der doppelten Staatsbürgerschaft genau die Parteien sind, welche die Autonomie als ein Auslaufmodell betrachten?

 
Die Frage also, nach all diesen Erwägungen: Wozu dient der Vorstoß in Sachen doppelter Staatsbürgerschaft? Bringt dieses Ansinnen unser Land in irgendeiner Weise weiter, trägt es zu gedeihlichem Zusammenleben in Südtirol und zu seiner europäischen Öffnung bei?
Wir finden: Nein. Die Zielrichtung in Sachen Staatsbürgerschaft kann nur Europa sein. Die Sammlung von Staatsbürgerschaften seitens einzelner BürgerInnen führt in diesem Anliegen keinen einzigen Schritt weiter. Uns erscheint das Projekt ‚Doppelte Staatsbürgerschaft‘ vergangenheitsbezogen, nicht zukunftsträchtig. Es stiftet vielmehr bereits jetzt Unmut und heillose Verwirrung.
Wir raten dringend zu Besonnenheit und zu selbstständigem Denken, jenseits der Wegmarken, die die Rechtsparteien zu setzen versuchen. Hierfür tragen vor allem die Regierungsparteien Verantwortung.
 

Die Spitze von ÖVP und FPÖ hat die Regierungsbildung in Wien zügig durchgezogen, exakt zwei Monate nach der Nationalratswahl steht das Kabinett Kurz-Strache. Die neue Regierung bietet personell dreierlei Überraschungen: Dabei sind viele Newcomer, mit einem starken Frauenanteil unter der ÖVP-Ministerriege, während die FPÖ Inneres und Verteidigung für sich gesichert und mit Kickl und Kunasek zwei Hardliner in die Schlüsselressorts bestellt hat.
Das Programm der neuen Regierung steht im Zeichen von Stabilität, Sicherheit und Steuersenkung – als eine Blaupause für einen neoliberalen, starken Staat. Steuerentlastungen, Radikalreform von Arbeitszeiten und Krankenversicherung, dazu Rückbau des Kammerstaats kommen der Wirtschaft entgegen, während Asylwerber, Migranten, aber auch sozial Schwache die harte Hand der neuen Regierenden erfahren werden. Die künftig aufgestockte Polizei und verschärfte Datenüberwachung deuten auf einen langfristigen Systemwechsel. Das Bekenntnis zu Europa ist halbherzig, da die Formel der „Subsidiarität“ vor allem auf eine Stärkung der Nationalstaaten abzielt.
Die verklausulierte Zusage einer „Prüfung“ der doppelten Staatsbürgerschaft für Südtiroler macht deutlich, dass dieses Anliegen von Teilen der SVP, STF und Freiheitlichen nur auf deren Drängen im Regierungsprogramm gelandet ist, aber ohne rasche Konsequenzen, da Wien die damit verbundenen Probleme für Südtirol und Österreich selbst nur zu gut kennt.
Insgesamt täuscht der moderate, von Harmonie geprägte Auftritt der neuen Koalitionäre keinen Moment darüber hinweg, dass Kurz, Strache, Kickl und Co. den langfristigen Umbau der Republik planen. Dieses Ziel hat Auswirkungen auf Europa ebenso wie auf Südtirol, das mit der türkis-blauen „Schutzmacht“ im Rücken gleichfalls zu verstärktem Rechtsdrall aufgefordert ist.
Wir Grüne sehen im Start der neuen Koalition keinerlei Grund zur Freude, werden die Rückwirkungen auf unser Land genau verfolgen und bei Bedarf kein Blatt vor den Mund nehmen. Obwohl in Europa diesmal weit weniger Alarmstimmung herrscht als anlässlich des schwarz-blauen Regierungsantritts 2000, gibt es kaum weniger Grund zur Sorge.
Bozen, 17. 12. 2017

Brigitte Foppa und Tobe Planer, L.Abg. und Sprecher der Grünen
Hans Heiss und Riccardo Dello Sbarba, L.Abg.

Italiens Politik hat für einmal Verantwortung übernommen. Mit der Genehmigung durch den Senat ist die so genannte Patientenverfügung endlich Gesetz. Unheilbar Totkranke, ihre Angehörigen sowie Ärzte und Pflegepersonal müssen sich nicht länger um Unausweichlichkeiten drücken und auf Gnade hoffen. Sie können sich jetzt auf ein Recht berufen. Das Parlament hat seine Pflicht wahrgenommen und dem Menschen das Selbstbestimmungsrecht über sein Leben bis zum Tod zurückgegeben. Mit Respekt ist anzuerkennen, dass auch die Südtiroler Senatoren für die Annahme des Gesetzes gestimmt haben. Stolz darf das ganze Land jedoch auf seine Mitbürgerin Mina Schett Welby sein. Die heute 80jährige Lehrerin aus Innichen gilt seit Jahren italienweit als die Vorkämpferin für das Recht auf würdiges Sterben, und es ist deshalb nicht  übertrieben, Mina Schett Welby die Mutter des heute genehmigten Gesetzes zu nennen.
Florian Kronbichler