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Studie zu den gesundheitlichen Folgen verkehrsbedingter Luftverschmutzung beginnend mit der Brennerachse

BESCHLUSSANTRAG.

Die Luftverschmutzung ist ein chronisches Problem in Südtirols Städten und entlang der Haupttransitrouten. Besonders ernst ist die Situation für die Menschen, die an der Brennerachse leben: Die A22 ist der Hauptverursacher in puncto Umweltverschmutzung. Aber auch an den Verkehrsachsen entlang der Etsch bis Bozen und im
Pustertal gibt es Grund zur Sorge. In den Städten, die an diesen Routen liegen, ist das gesundheitliche Risiko besonders hoch, wobei zu diesem Aspekt noch weitere Faktoren hinzukommen und die Gefahr daher um Einiges steigt.

Die Corona-Pandemie hat uns auch gelehrt, wie wichtig die Gesundheit der Menschen ist und wie sehr diese von der Umgebung abhängt.

Eine Studie (siehe: „Long-term exposure to air pollution and COVID-19 incidence: a prospective study of residents in the city of Varese, Northern Italy. Giovanni Veronesi, Sara De Matteis, Giuseppe Calori, Nicola Pepe, Marco M Ferrario – Occupational and Environmental Medicine, 2022) der Universität Insubrien (Varese) hat aufgezeigt,
dass es einen engen Zusammenhang zwischen der chronischen Exposition gegenüber einer hohen Luftverschmutzung, der daraus resultierenden schwachen Gesundheit der Bevölkerung und einer Zunahme der COVID-19-Symptome gibt. Für jeden weiteren Anstieg der Exposition gegenüber PM2,5-Feinstaubpartikeln um 1 µg/m3 (im Vergleich zu den Werten, die derzeit aus gesundheitlicher Sicht als Vorsichtsmaßnahme gelten), wurde ein Zuwachs an COVID-19-Fällen um 5,1 % festgestellt, was einem jährlichen Anstieg von 294 Fällen pro 100.000 Personen entspricht.

Es wird davon ausgegangen, dass die anhaltend hohe Zahl an Asthma- und Lungenkrebserkrankungen weitgehend auf den Verkehr zurückzuführen ist. Seit Jahren berichten Allgemeinmediziner, die z.B. im Eisacktal tätig sind, über häufig auftretende Beeinträchtigungen der Lebensqualität wie Schlafstörungen, Kopf- und Gelenkschmerzen, Konzentrations- und Leistungsminderung sowie Allergien. Grund dafür ist die ständige verkehrsbedingte Umweltbelastung. Auch in Tirol haben
von Umweltmedizinern im Auftrag des Landes durchgeführte Untersuchungen einen Zusammenhang zwischen verkehrsbedingter Luftverschmutzung und Gesundheitsschäden aufgezeigt; die aus diesen systematischen Untersuchungen hervorgegangenen Erkenntnisse haben die Behörden dazu bewogen, nach wirksamen Lösungen zu suchen.

Sogar im Jahr 2021, das laut den vom Land veröffentlichten Daten im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie bessere Werte verzeichnete, wurden an den Messstationen von Brixen (AB3) und Neumarkt (ML5), die laut Gesetz eh recht hoch liegenden Stickstoffdioxid-Grenzwerte (NO2)  überschritten; und dabei sind Stickstoffdioxide für die menschliche Gesundheit besonders schädlich.

Der Bericht von Legambiente, „Mal’Aria di città, quanto manca alle città italiane per diventare delle clean cities“, vom Februar 2022 analysiert die Ergebnisse von 238 Luftmessstationen in 102 Provinzhauptstädten Italiens. Demzufolge reiht sich Bozen – eine Stadt, in der alle Verkehrsachsen zusammenlaufen – unter den 13 am stärksten durch Stickstoffdioxide (NO2) belasteten italienischen Städten auf Platz 10 ein.

Die PM10- und PM2,5-Werte sind zwar etwas besser, entsprechen aber keineswegs den neuen, strengeren Vorschriften, die die Europäische Union in Kürze einführen wird. Die EU wird somit in Zukunft nicht mehr die derzeitigen, stark abgeschwächten gesetzlichen Grenzwerte anwenden, sondern diejenigen Grenzwerte, die von der WHO zum Schutz der Gesundheit festgelegt wurden.

Derzeit wird nämlich die europäische Richtlinie zur Luftqualität überarbeitet. Im Einklang mit dem „Green Deal“, dem Aktionsplan „Zero Pollution“ und dem „Fit for 55“-Paket zielt diese Überarbeitung auf eine Senkung der Grenzwerte für Luftqualität ab, die sich in den kommenden Jahren den von der WHO empfohlenen Werten annähern
werden. Das heißt, dass die derzeit „zu strengen“ und „unerreichbar scheinenden“ Grenzwerte, bald auch in den Mitgliedstaaten als verpflichtend und somit als rechtlich verbindlich gelten werden.

Die neuen Grenzwerte werden drastische Veränderungen mit sich bringen: Die Grenzwerte für PM10 werden von derzeit 40 mg/m3 auf 15 mg/m3 gesenkt, jene für PM2,5 werden von derzeit 25 mg/m3 auf 5 mg/m3 herabgesetzt und die für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 mg/m3 auf 10 mg/m3. Um diese neuen Grenzwerte einzuhalten,
müsste Bozen die PM10-Konzentrationen um 17 %, die PM2,5-Konzentrationen um 57 % und die NO2-Konzentrationen um 69 % reduzieren.

Es besteht also Handlungsbedarf. Um handeln zu können, müssen wir allerdings auch in Südtirol besser verstehen, welche Zusammenhänge es zwischen Umweltverschmutzung und Gesundheit gibt. Ein System zum fortlaufenden Monitoring der gesundheitlichen Folgen von Verkehrsemissionen ist nicht nur eine notwendige Voraussetzung für dringende verkehrspolitische Maßnahmen, sondern auch ein grundlegendes Instrument, um nachvollziehen zu können, ob solche Maßnahmen wirksam sind und wie sie im Laufe der Zeit angepasst werden können.

Daher ist es wichtig, ein Monitoring der gesundheitlichen Daten der entlang der Transitstrecken lebenden Bevölkerung einzuleiten. Dadurch hätten wir konkrete Erkenntnisse über die gesundheitlichen Folgen der Umweltverschmutzung, über die Häufigkeit von Krankheiten und Todesursachen, sowie über Belastungen für die Menschen und ihre Lebensqualität in den Gebieten, die von der verkehrsbedingten Umweltverschmutzung am stärksten betroffenen sind.

Aus diesen Gründen, verpflichtet der Südtiroler Landtag die Landesregierung,

  1. unverzüglich, auch durch die Einsetzung einer eigenen Arbeitsgruppe aus Umwelt- und Allgemeinmedizinern, einen Plan für das systematische Monitoring der gesundheitlichen Folgen der Luftverschmutzung für die Südtiroler Bevölkerung zu erstellen, die entlang der Hauptverkehrsachsen lebt, wobei im Rahmen eines Pilotprojekts als Erstes mit der am stärksten betroffenen Brennerachse begonnen werden sollte;
  2. den oben genannten Plan für eine Gesundheitserhebung nach dessen Erstellung durch ein langfristiges Monitoring der umweltmedizinischen Daten entlang der am stärksten der Luftverschmutzung ausgesetzten Transitstrecken umzusetzen, und hierfür mit der Brennerachse zu beginnen;
  3.  im Rahmen dieses Projekts zur Erhebung der gesundheitlichen Folgen verkehrsbedingter Luftverschmutzung eine möglichst enge Zusammenarbeit mit der Provinz Trient und dem Land Tirol anzustreben, die – genauso wie wir – von der Brennerautobahn, der am stärksten verschmutzten Verkehrsachse der Euregio, durchquert werden.

Bozen, 23.02.2022

Landtagsabgeordnete

Riccardo Dello Sbarba

Brigitte Foppa

Hanspeter Staffler

 

Der Beschlussantrag wurde am 29.06.2022 in folgender Fassung angenommen:

Der beschließende Teil wird so ersetzt: „im Rahmen der Gesundheitsbeobachtung des Landes und auf Basis bereits bestehender und der bereits in Auftrag befindlichen Erhebungsinstrumente die gesundheitlichen Folgen verkehrsbedingter Luftverschmutzung insbesondere entlang der Hauptverkehrsachsen zu erheben und zu bewerten. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wer-den den Abgeordneten im Landtag präsentiert.“

Author: Heidi

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