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4. Verfassungsreferendum 20.-21.09.2020

Es handelt sich um das 4. Referendum dieser Art, das in Italien abgehalten wird und betrifft das Gesetz, das am 8.10.2019 mit der Zustimmung der ParlamentarierInnen von M5*, PD, IViva, LeU und Teilen der Lega, FI, FdI verabschiedete wurde. Die einzige Partei, die dagegen stimmte ist +Europa.

 

Der Text des Referendums

„Genehmigen Sie den Text des Verfassungsgesetzes über „Änderungen der Artikel 56, 57 und 59 der Verfassung zur Verringerung der Anzahl der Parlamentarier“, der vom Parlament verabschiedet und im Amtsblatt der Italienischen Republik – Allgemeine Reihe – Nr. 240 vom 12. Oktober 2019 veröffentlicht wurde?“

 

Wahlhandlungen am 20. und 21. September 2020

Gewählt wird am Sonntag, 20. September 2020 von 7 bis 23 Uhr und am 21. September von 7 bis 15 Uhr. Die Stimmzählung beginnt unmittelbar nach Abschluss der Wahl und der Überprüfung der Wahlbeteiligung.

 

Es gibt kein Quorum

Es handelt sich um ein bestätigendes Referendum gemäß Artikel 138 der Verfassung.
Ein solches Referendum kann einberufen werden, wenn ein Verfassungsgesetz die 2/3-Mehrheit verfehlt. Es kann beantragt werden von:

  • 1/5 der Mitglieder von einer der beiden Kammern
  • 500.000 Unterschriften von BürgernInnen
  • 5 Regionalräten.

In diesem Fall kam der Antrag von 71 SenatorInnen aus fast allen Parlamentsfraktionen und Parteien, mit Ausnahme von Fratelli d’Italia und der Autonomiefraktionen (SVP-PATT, UV).

 

Auswirkungen des Referendums

Falls das JA gewinnt, wird die Reduzierung der Zahl der Abgeordneten (von 630 auf 400) und der SenatorInnen (von 315 auf 200) bestätigt.

Die von den AuslandsitalienerInnen gewählten ParlamentarierInnen sinken von 12 auf 8 für die Kammer und von 6 auf 4 für den Senat. Die Anzahl der SenatorInnen auf Lebenszeit ist auf maximal 5 festgelegt.

Wenn das NEIN gewinnt, tritt das Gesetz vom 8. Oktober 2020 nicht in Kraft und die Anzahl von Abgeordneten in beiden Kammern bleibt wie bisher.

 

Wie viel würde mit dieser Reform eingespart?

Laut quifinanza.it gilt:

  • Ein/e Abgeordnete/r kostet aktuell 230.000 Euro/Jahr
  • Ein/e SenatorIn kostet aktuell 249.000 Euro/Jahr.

Die Gesamteinsparungen in Summe wären also:

  • 53 Millionen für das Parlament
  • 28 Millionen für den Senat.

Das wären somit insgesamt 82 Millionen pro Jahr an Bruttoeinsparungen. Zieht man die Steuern ab, die ohnehin an den Staat zurückgezahlt werden, ergibt sich eine Nettoeinsparung von insgesamt 57 Millionen pro Jahr.

Das gilt als wichtiges Zeichen für ein Land wie Italien mit seiner sehr hohen Staatsverschuldung.

Ein paar Vergleiche zur tatsächlichen Höhe dieser Einsparung:

  • 53 Millionen = 5,5 % der Gesamtausgaben von Montecitorio.
  • 28 Millionen = 5,4 % der Gesamtausgaben von Palazzo Madama.

82 Millionen      = 0,005% der Staatsverschuldung
= 1/600 der Schuldzinsen
= 1,3 % des jährlichen Haushalts der Provinz BZ.

 

Vergleich mit anderen EU-Parlamenten

Mit der Reform würde Italien zum EU-Land mit der geringsten Anzahl von Abgeordneten im Verhältnis zur Bevölkerung. Einige Beispiele:

D: 709 Abgeordnete pro 82 Millionen Einwohner = 1 Abgeordnete/r pro 116.855 EinwohnerInnen
F: 577 Abgeordnete pro 67 Millionen Einwohner = 1 Abgeordnete/r pro 116.503 EinwohnerInnen
E: 350 Abgeordnete pro 46 Millionen Einwohner = 1 Abgeordnete/r pro 131.400 EinwohnerInnen
I (derzeit): 630 Abgeordnete pro 55 Millionen Einwohner = 1 Abgeordnete/r pro 87.301 EinwohnerInnen
I (nach der Reform): 400 Abgeordnete pro 55 Millionen Einwohner = 1 Abgeordnete/r pro 137.500 EinwohnerInnen

NB: Diese Vergleiche berücksichtigen NICHT die zweite Kammer, den Senat, der in den verschiedenen EU-Staaten unterschiedliche Formen hat und einen Gesamtvergleich daher sehr schwierig macht.

 

Die Auswirkungen für die Region Trentino-Südtirol

In TN/ST würde die Zahl der ParlamentarierInnen von 11 auf 7 reduziert.
Bestehen bleiben die 3 Einerwahlkreise für den Senat sowohl für TN als auch ST.
Alles andere muss noch definiert werden. Im Parlament stimmte die SVP für die Reform und unterschrieb NICHT für das Referendum. Durnwalder jr. erklärte dieses Abstimmungsverhalten damit, dass „bei uns alles so bleibt, wie es ist, durch eine Textänderung, die wir bei der ersten Lesung im Senat erreichen konnten. Die Regierung werde sich mit einem Legislativdekret aber noch mit der Frage der Festlegung der Wahlkreise kümmern müssen“, so Durnwalder.

Folgende Sätze wurden „sicherheitshalber“ in das Gesetz eingeführt:
Art.2 Absatz 3: „Die Verteilung der Sitze der Regionen oder Autonomen Provinzen erfolgt nach den Bestimmungen des vorstehenden Absatzes, im Verhältnis zur ihrer Einwohnerzahl, die aus der jeweils letzten allgemeinen Volkszählung hervorgeht, auf der Grundlage der Vollmandate und der höchsten Restmandate.“ (nicht amtliche Übersetzung)
Art.2 Absatz 2: Keine Region oder Autonome Provinz darf weniger als drei SenatorInnen haben.

 

Schlussfolgerung

Pro JA

  • Man reagiert auf die Unzufriedenheit vieler Menschen bezüglich der Kosten von Politik, der Kaste der PolitikerInnen usw.
  • Ein kleineres Parlament kann möglicherweise handlungsfähiger sein.
  • Anpassung an die Anzahl der ParlamentarierInnen anderer EU-Ländern.
  • Das Parlament befindet sich seit mindestens 20 Jahren in einer tiefen Krise. Diese hat zu einer Entwertung seiner Arbeit geführt (Gesetzgebung per Dekret, serielle Vertrauensvoten usw.). Die Reduzierung des Parlaments sollte die Parteien dazu zwingen, die Abläufe in den beiden Kammern und die Regelungen zu reformieren.

Pro NEIN

  • Diese populistische Initiative ging vom M5* aus und stellt vielleicht ein letztes Aufbäumen der Bewegung dar.
  • Die Maßnahmen werden per se die Krise der Institutionen nicht lösen.
  • Die Maßnahmen führen nicht zu erheblichen Einsparungen der Staatskasse.
  • Das Wahlgesetz, das das Verfassungsgesetz begleiten müsste, fehlt. Wir wissen nicht, wie sich die Wahllandschaft verändern wird.
  • Weniger ParlamentarierInnen bedeutet auch weniger Repräsentanz und Verlust an politischer Vielfalt. Für Minderheiten (auch politische) ist das besonders gravierend.