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Schutz vor Abdrift von Pestiziden

Beschlussantrag

Schutz vor Abdrift von Pestiziden: Dringende Neuregelung der Bestimmungen laut Beschluss der Landesregierung vom 30.Dezember 2011, Nr. 2021

Pestizide_artikelBoxIn jüngster Zeit ist in Obstbauregionen Südtirols ein massiver Streit zwischen Landwirten mit konventioneller Landwirtschaft und Biobauern bzw. den im Einzugsgebiet lebenden Bürgerinnen entbrannt. Der Konflikt konzentriert sich vor allem auf den Obervinschgau, erreicht inzwischen aber auch andere Gebiete des Intensivobstbaus wie das Hochplateau von Natz-Schabs.

Neben den Bauern, die den im konventionellen Anbau, aber auch im Integrierten Obstbau üblichen und in vieljähriger Praxis geübten Regeln für die Ausbringung von Pestiziden folgen, lehnt eine wachsende Zahl von biologisch wirtschaftenden Bauern und Konsumenten die immer noch relativ intensive Ausbringung von Pestiziden ab. Zur offenen, mitunter harten Auseinandersetzung kommt es insbesondere in bislang vom Intensiv-Obstbau wenig tangierten Gebieten wie im Obervinschgau mit Schwerpunkt Mals-Glurns. Hier treten die Besitzer neuer, seit kurzem angepflanzter Intensivobstanlagen zunehmend in Gemengelage mit Eigentümern traditionell und biologisch ausgerichteter Kulturgründe, mit unmittelbaren Auswirkungen auf die zweite Gruppe.

Folgen der Abdrift

Die durch die Kohabitation bedingte Abdrift von Pestiziden bereitet „indigenen“ Anbauern wachsende Probleme, die vielfach auch durch Laboranalysen belegt sind. So treten bei Bio-Anbauern Rückstandswerte auf, die sich trotz getroffener Schutzmaßnahmen Jahr um Jahr verschlechtern. Bei manchen war die Ernte 2013 zum großen Teil belastet, mitunter werden die zulässigen Grenzwerte laut EU-Verordnung um ein Vielfaches überschritten. Das bedeutet für einige Betroffene, dass der Großteil der Ernte vernichtet werden muss und nur ein kleiner Teil als konventionelle Ware vermarktet werden kann.

Zwar sieht der Beschluss der Landesregierung vom 30. Dezember 2011, Nr. 2021, vor, mittels einer 2 m hohen Schutzwand/Hecke die Abdrift von Pestiziden aus dem integrierten Obstbau auf benachbarte „nicht landwirtschaftliche“ Kulturen, Wohngebäude, öffentliche Flächen ecc. abzuhalten. Jüngst vorliegende Analyseergebnisse belegen freilich den geringen Effekt der Regelung. Die laut Beschluss bisher getroffenen Schutzmaßnahmen reichen vielleicht aus, um die Abdrift von Pestiziden aus der direkt angrenzenden Obstkultur abzuhalten, falls der Obstbauer seine Pflanzenschutzmittel nach der guten Agrarpraxis ausbringt, aber die Vorkehrungen genügen sicher nicht zum Stopp jener Pestizide, die durch Wind und Thermik kilometerweit verfrachtet werden.

Bester Beweis dafür ist das „Ausweichgrundstück“ des Arbeitstrainingszentrums für psychisch Kranke der Bezirksgemeinschaft Vinschgau am Eingang des Martelltales. Rückstandsanalysen auf dort angebauten Kräutern stellten Werte von 0,2 mg/kg des Wirkstoffes Dodine fest. Bedenkt man, dass diese Kräuter auch nach Bio-Richtlinien angebaut werden, das fragliche Grundstück 800 m Luftlinie von der nächsten Obstanbaufläche entfernt ist und dass zudem noch Buschwald dazwischen liegt, so sind die Rückstandswerte trotz aller getroffenen Vorkehrungen und Voraussetzungen erschreckend.

Und das ist kein Einzelfall! Es gibt sichere Hinweise, dass auf dem landeseigenen Gachhof bei Meran Rückstände von Pestiziden sogar auf Kräutern gefunden wurden, die im Folientunnel angebaut wurden. Genaue Werte wurden nicht bekannt gegeben, aber mitgeteilt, dass auch bei diesem Betrieb Kräuter auf Grund der hohen Pestizidrückstandswerte nicht mehr verkehrsfähig waren und vernichtet wurden.

Dass Pflanzenschutzmittel sogar in Wohnräume eindringen, belegen die Ergebnisse der mehrjährigen Studien im Nonstal in der Provinz Trient. Dort hat die Politik in lobenswerter Weise sofort reagiert und Bestimmungen erlassen, die sehr viel rigoroser sind als jene in Südtirol. (etwa im „Regolamento per l’utilizzo di prodotti fitosanitari e la disciplina delle coltivazioni agricole, approvato con deliberazione del Consiglio comunale di Malosco n. 25 del 17.11.2010” und DGP-PAut.TN 1183/2010).

  • Folglich ist leider festzuhalten, dass ein Bioanbau von Obst und Nischenprodukten inmitten eines konventionell bewirtschafteten Obstbaugebiets ohne komplette Einhausung der Kulturen nicht mehr möglich ist und dadurch schwere wirtschaftliche Schäden für den ökologischen Anbau unausweichlich sind;
  • Ferner ist zu bemerken, dass ein Aufenthalt/Wohnen im Obstbaugebiet für die Gesundheit der Menschen Besorgnisse weckt und sogar bedenklich ist. (s. Manifest von Ärzten, Zahnärzten, Veterinärmedizinern, Biologen und Apothekern des Obervinschgaus); derartige Sorgen werden durch die bei Schulen und Kindergärten im Sommer 2013 erhobenen Rückstandswerte bekräftigt; auch die von Umweltmedizinern vorab in Deutschland erhobenen Befunde raten dringend zur Vorsicht.

Ein erster, leicht zu realisierender Reformansatz sollte daher darauf abzielen, den Beschluss der Landesregierung vom 30. 12. 2011 („Leitlinien für eine Abstandsregelung“) zu verbessern, auch mit Blick auf die weit sorgsamere Regelung der Nachbarprovinz Trient (Beschluss 1183/2010, Linee Guida) und unter Berücksichtigung der EU-Verordnung 2009/128 für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden und die italienische Verfassung, Art. 32, mit welchem das Grundrecht auf Gesundheit geschützt wird. Die im Beschluss der Südtiroler Landesregierung von 2011 vorgesehenen Abstandsregelungen, zeitlichen Vorgaben und die auffällige Nicht-Berücksichtigung landwirtschaftlicher Anrainer und der Windverhältnisse und die dürftigen technischen Vorgaben sind dringend näher zu präzisieren.

Daher fordert der Südtiroler Landtag die Landesregierung auf:

  1. den Beschluss der Landesregierung vom 30. Dezember 2011, Nr. 2021 zu überarbeiten und dringende Maßnahmen zum Schutze der Gesundheit der Menschen, die im Obstanbaugebiet wohnen, arbeiten oder sich dort erholen und zum Schutze der biologischen Landwirtschaft zu treffen.
  2. Inhaltlich jeden Landwirt, der Pestizide auf seinem Grundstück ausbringt, zu verpflichten, bis zur Beginn der Spritzsaison 2014 seine Sprühgeräte nach dem neuesten Stand der Technik auf abdriftmindernde Sprühtechnik umzurüsten und auch anzuwenden (Eine Investition mit einem Kostenpunkt zwischen 800,00 € und 1.500,00 € müsste jedem Obstbauer zuzumuten sein).
  3. Vorzusehen, dass jeder landwirtschaftliche Betrieb, der Pestizide auf seinem Grundstück ausbringt, von den entsprechenden Organen kontrolliert wird, ob dieser seiner Verpflichtung, die Sprühgeräte umzurüsten, nachgekommen ist und ob er die Pestizide auch nach der guten Agrarpraxis ausbringt. Für ein Zuwiderhandeln sind Strafen vorzusehen und auch einzuheben, wenn es um das Wohl der Gesundheit aller geht.

Bozen, 22. Jänner 2014

Hans Heiss
Riccardo Dello Sbarba
Brigitte Foppa

 

 

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