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Das ladinische Kindl im Schmutzbad

Am schönsten und wirksamsten hat Riccardo Dello Sbarba das Ergebnis der Veranstaltung zusammengefasst: „Achten wir darauf“, sagte der Grünen-Abgeordnete, „dass wir das ladinische Kindl nicht mit dem schmutzigen Wasser ausschütten“. Es war zwei Stunden nach der Anhörung der Südtiroler Landtagsopposition im Verfassungsausschuss des Senats in Rom. Anhörungen genießen unter Parlamentariern keine besondere Hochachtung. Sie kosten Zeit, und wie selbst Francesco Palermo vorab in einem Interview orakelte: sie helfen nichts. Dann diese Anhörung. Alle Teilnehmer – Senatoren wie Landtagsabgeordnete, Verteidiger und Gegner des so genannten Ladiner-Gesetzes – bescheinigten einander: eine gute, eine wichtige Diskussion.
Zwei Stunden dauerte die Anhörung. Das ist unüblich lang. Und gekommen war nicht nur die Opposition, die ursprünglich allein geladen war, sondern auch der Ladiner-Landesrat Florian Mussner und SVP-Gruppensprecher Dieter Steger in Vertretung der Mehrheit. Sie hatte sich hinzuladen lassen. Und nicht nur: Selbst Union-Generela-di-Ladins-Mann Lukas Plangger war gekommen und reihte sich in die Oppositionsphalanx ein. Gott sei Dank! So wurde die Anhörung zu einer Diskussion und blieb nicht eine Reihe von Reden, in der alle einander Recht geben.
Als Ergebnis kam heraus, und ich glaube, ich würde in diesem Resümee selbst vom anwesenden Schöpfer allen Unheils, nämlich Senator Karl Zeller, nicht widersprochen: Die Passagen, die im letzten Moment bei der Behandlung in der Kammer in den Text des Ladinergesetzes eingeschmuggelt wurden, haben mit Ladinerschutz nichts zu tun. Und sie haben somit im Ladinergesetz auch nichts zu suchen. Sie sind, wie ich sie seit Anfang geheißen habe: blinde Passagiere im letzten Wagon. Zweitens: Das Gesetz, so wie es in erster Lesung von der Kammer genehmigt worden ist, ist durch die Änderungen, die eingeschmuggelt wurden, nicht mehr jenes Gesetz, zu dem Regionalrat und Landtage ihr positives Gutachten abgegeben haben. Daraus folgt drittens: Das abgeänderte Gesetz kann nicht, wie die SVP es möchte, einfach so durchgewinkt werden. Es muss , weil geändert, den autonomen Regional- und Landesparlamenten zu abermaliger Begutachtung zugestellt werden.
Die Südtiroler Oppositionsvertreter waren in ihrem Auftritt zwar klar, aber letztlich gutmütig. Ein jeder hat auch von einer „Mindestforderung“ gesprochen. Eine solche wäre, dass der Gesetzestext vor der Genehmigung durch den Senat einer neuen Begutachtung durch Regionalrat und Landtage unterworfen wird. Darauf waren die SVP-Vertreter schon gefasst. Es waren eher die Senatoren und einige Senatorinnen, denen solche „Mindestforderungen“ nicht genügen. Der alte Lega-Fuchs Calderoli, der ähnlich lang Parlamentarier ist wie Karl Zeller, gab keck zu bedenken, ob die Südtiroler Mehrheitspartei eine solche zweite Chance sich überhaupt verdiene.
Die Steilvorlage lieferte der Opposition freilich SVP-Sprecher Steger. Er verteidigte den im Ladinergesetz versteckten Wahlreform-Artikel mit der „Regierbarkeit“, die zu sichern notwendig sei. Südtirol, klagte der SVP-Mann sei die einzige Region Italiens, die ein reines Verhältniswahlsystem habe. Als ob das eine Rückständigkeit und eine Gefahr für die Regierbarkeit wäre. Das war Munition, die bei den Senatoren kritische Fragen und gar einigen Spott provozierte. Römischen Politikern Eindruck zu machen mit Südtiroler Unregierbarkeit, war eine peinliche Fehleinschätzung. Man sah, wie Senatoren einander feixend in die Rippen stießen.
Unregierbares Südtirol? Das verfing bei niemandem. Fünfsterne-Senator Gianni Endrizzi reagierte am scharfsinnigsten: „Womit bewiesen ist: Die umstrittenen Änderungen am Gesetz dienen einem ganz anderen Zweck als der Gleichstellung der Ladiner.“ Darauf gab es keine schlüssige Antwort der SVP-Vertreter. Nicht einmal von Altmeister Zeller. Dieser gab sich bei der Veranstaltung auffällig zurückhaltend. Er sagte zum Abschluss, er sei der Dienstälteste in der Runde, – weitete das Verdienst dann noch auf Porcellum-Vater Calderoli aus. Und, so der Älteste weiter, er habe „Dinge, wie mit diesem Gesetz vorgenommen, schon mehrere gesehen“. Das sollte die sich wundernden Jüngeren beeindrucken. Argument war es freilich keines.
Mag sein, dass Anhörungen nur Anhörungen sind. Diesmal hatten zumindest die Teilnehmer den Eindruck, dass den Worten Taten folgen könnten. Selbst die SVP-Vertreter vermittelten den Eindruck, dass sie diesmal Einsicht vor Sturheit ergehen lassen könnten.
Florian Kronbichler

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